Am Baui in Langwasser dürfen die Kinder hämmern, sägen und Hütten bauen.
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Am Baui in Langwasser dürfen die Kinder hämmern, sägen und Hütten bauen.

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Paradies für Kinder: 50 Jahre Bauspielplatz in Nürnberg

Ein Spielplatz ohne Schaukel, ohne Rutsche - stattdessen bergeweise Holz und Bretterverschläge. Vor 50 Jahren wurde der erste Nürnberger Aktivspielplatz gegründet. Heute ist der "Baui" wichtiger sozialer Treffpunkt. Das wird groß gefeiert.

Über dieses Thema berichtet: Zeit für Bayern am .

Hochhäuser und einige Reihenhäuser und mitten drin eine grüne Oase: der Bauspielplatz in Langwasser, bekannt seit 50 Jahren als Baui. Hier sitzen Mila und Maria, acht und zwölf Jahre alt, heute in der Werkzeugausgabe. Das ist eine Holzhütte am Eingang des Baui. Dort können sich die Besucher mit Arbeitsgeräten ausstatten. Hammer, Sägen, Nagelkisten und vieles mehr liegen in den Regalen - bereit zum Ausleihen. Wer sich etwas holt, trägt seinen Namen bei Mila und Maria in eine Liste ein. "Wir sagen immer den Kindern oder den Erwachsenen, dass sie wenn Sie es nicht mehr brauchen, zurückbringen sollen und wir streichen es dann von der Liste und dann kommen die Sachen meistens wieder an,“ erklärt Maria.

Bauen mit Naturmaterialien

Mila und Maria sind oft am Bauspielplatz in Nürnberg-Langwasser. Genau wie der sechsjährige Michael, der gerade an der Werkzeugausgabe einen Hammer ausleiht. Er ist regelmäßig mit seiner Mutter hier.

"Der Baui macht mir voll Spaß, weil hier kann man bauen, Häuser bauen, Figuren. Ich war gestern hier, also ich komm viele Tage hierher." Michael, sechs Jahre

Hämmern, sägen, bauen, aber auch gärtnern oder Tiere versorgen - all das geht am Bauspielplatz in Langwasser. Auf einer Fläche von 3.200 Quadratmetern dürfen sich Kinder draußen austoben und in Eigeninitiative werkeln und wild spielen. Zwischen alten Bäumen stehen selbstgezimmerte, bunt angemalte Holzhütten, kleine Bauwagen und Spielhäuser. Es gibt eine Theaterbühne, einen überdachten Mattenraum zum Toben, ein Backhäuschen und ein Gebäude mit Küche, Spielbereich und Terrasse, wenn es mal regnet.

Fast alles sei ganz bewusst aus Holz gebaut, erklärt Erzieher Roland Richter, der den Bauspielplatz seit zweieinhalb Jahren leitet: "Bis auf unser Backhäuschen, was gleich am Eingang ist, wird bei uns hauptsächlich mit dem Baustoff Holz gearbeitet. Also auch die Kinder arbeiten mit Holz. Es ist ein nachhaltiger Werkstoff. Wir kaufen den bei der Zimmerei, verwerten den im Hüttenbau oder Kleinbaubereich."

Und wenn eine Hütte abgerissen wird, weil sie morsch ist, dann wird sie mit den Kindern zerlegt und das Holz für ein Lagerfeuer im Winter hergenommen oder der Pizzaofen damit angeschürt und so das Altholz weiterverwertet, erklärt Richter.

Feste Öffnungszeiten und pädagogisches Personal

Durchschnittlich kommen 30 Kinder täglich zum Bauspielplatz in Langwasser. Der Baui, wie der Spielplatz abgekürzt heißt, wird von der Elterninitiative Bauspielplatz Langwasser betrieben. Mit finanzieller und personeller Unterstützung durch die Stadt Nürnberg. Er ist eine Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Es gibt feste Öffnungszeiten. Ein öffentlicher Spielplatz - aber pädagogisch angeleitet. Zwischen sechs und zwölf Jahre sind die meisten Kinder alt. Und auch ihre Eltern sind willkommen. Sie bekommen – wenn nötig – Hilfe bei Behördenanträgen und schätzen den Baui als sozialen Treffpunkt, wichtigen Lernort und Spieloase im Viertel.

"Die Kinder genießen das hier sehr, weil sie hier einfach frei toben können, sich ausprobieren können. Und sie können auch ein bisschen die Natur kennenlernen. (...) Das hat man in der Stadt relativ selten, dass die Kinder Berührungspunkte mit der Natur bekommen.“ Mutter von Michael

Im Audio: 50 Jahre Bauspielplatz Langwasser in Nürnberg

Bauspielplatz Langwasser
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Bauspielplatz Langwasser

Hühner und Mini-Schweine am Baui

In einem großen Gehege gibt es am Baui auch 14 Hühner und zwei Minischweine, die die Kinder täglich mitversorgen. Doch der Schwerpunkt des Spielplatzes liegt auf dem Bauen. Und zwar auf dem Hütten bauen. Im hinteren Bereich des Geländes stehen mehrere Holzhütten in unterschiedlichen Formen. Unter Anleitung des Pädagogen dürfen die Kinder hier Holzhütten bauen. Jeder Betreuer hat eine Hütte, erklärt Baui-Leiter Roland Richter, und baut dann an verschiedenen Tagen mit den Kindern, um einfach die Fertigkeiten des Bauens wieder den Kindern beizubringen. "Und dann, wenn die ein, zwei Jahre dann mitgebaut haben oder je nachdem, dann dürfen die auch wieder ihre eigenen Hütten bauen."

Die Kinder lernen am Baui die Grundkenntnisse für den Hüttenbau: Fundamente und Pfosten setzen und sie lernen, wie sie eine Hütte bauen müssen, damit sie stabil wird und man oben drauf laufen kann, so Richter.

Baui-Geburtsstunde war 1973

Vor 50 Jahren hat mit dem Hüttenbau am Baui alles angefangen. Eltern wollten 1973 einen Platz schaffen, an dem Stadtkinder in Eigeninitiative kreativ werden konnten. Sie schlossen sich in einer Elterninitiative zusammen und legten auf der sandigen Brachfläche einen Spielbereich an. Der Baui war der erste Aktivspielplatz in Nürnberg. Er bestand ausschließlich aus Holzhütten, die die Kinder unter Anleitung eines Zimmerers selbst zusammenbauten. Ein Spielplatz also - ganz anders als damals wie heute üblich: ohne Schaukel, ohne Rutsche, stattdessen bergeweise Holz und Bretterverschläge.

Anfangs hatte man dem Baui wenig Überlebenschancen gegeben, erklärt der heutige Vorsitzende der Elterninitiative Bauspielplatz Langwasser Lorenz Gradl: "Zu dem Zeitpunkt, das waren ja noch die Überreste von der 1960er Generation. Der Muff war noch ein bisschen da. Man wollte den Kindern mehr Möglichkeiten bieten, sich zu entfalten." Lorenz Gradl, Vorsitzende der Elterninitiative Bauspielplatz Langwasser.

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Die Anfänger am Bauspielplatz in Langwasser 1973.

Baui heute: wichtiger sozialer Treffpunkt im Viertel

Den Prognosen zum Trotz hat der Baui seit 50 Jahren Bestand. Und hat sich in diesen fünf Jahrzehnten stark verändert. Das Hüttenbauen steht zwar noch immer im Vordergrund, doch das Gelände ist heute eine grüne Oase inmitten der Stadt. Es gibt Vorlesestunden und Ferienfahrten mit den Kindern. Und die benachbarte Grundschule kommt regelmäßig mit den Schülern zum Unterricht hierher.

In einem Viertel, in dem viele Kinder aus sozial schwachen Familien leben, aber auch aus der Mittelschicht, versucht der Baui mit vielen Angeboten, die Kinder aus den Wohnungen zu holen. Hier können sie sich frei entfalten und beim Bauen und Sägen Erfahrungen abseits der urbanen und digitalen Welt sammeln. Auch Tobias Wagner hat das in seiner Kindheit erleben dürfen. Der Finanzbeamte ist heute im Vorstand der Elterninitiative und war in den 2000er Jahren selbst Baui-Kind.

"Ich hab meine halbe Kindheit quasi hier auf dem Platz verbracht. Am Lagerfeuer saßen wir abends, haben Stockbrot gemacht, gesungen zusammen. Wir durften laut sein, was heute ja teilweise nicht mehr so geht in engen Siedlungen. Ich hab auch Hütten gebaut. Damals durfte man noch etwas höher bauen. Jetzt sind ja maximal zwei Geschosse erlaubt. Wir haben damals noch vier Geschosse bauen dürfen. Ich hab viel gelernt.“ Tobias Wagner, ehemaliges Baui-Kind

Ursprung der Aktivspielplätze liegt in Dänemark

Die Idee der Aktivspielplätze stammt ursprünglich aus Dänemark. Dort wurden 1943 die ersten Krempelspielplätze eröffnet – nachdem ein Landschaftsarchitekt beobachtet hatte, dass die Kinder lieber auf wilden Brachflächen spielten und dabei ihre eigenen Spielwelten schufen, anstatt auf typischen Spielplätzen im Sandkasten zu buddeln. In Deutschland etablierte sich die pädagogische Bewegung – durch Krieg und Wiederaufbau verzögert - erst in den 1960er Jahren.

In Berlin wurde 1967 der erste Aktivspielplatz eröffnet. In Nürnberg machte der Baui 1973 den Anfang. Heute gibt es in der Stadt über 15 weitere Aktivspielplätze. Sie alle sind beliebte Treffpunkte und bieten, wie der Bauspielplatz in Langwasser, längst mehr als nur Spielspaß. Sie sind wichtige soziale Anker im Viertel. So bekommen die Kinder im Baui zum Beispiel auch täglich ein warmes Essen, erklärt Baui-Leiter Roland Richter.

"Für viele ist es tatsächlich die einzige warme Mahlzeit am Tag, die sie bekommen. Also man unterschätzt das immer ein bisschen und sagt in Deutschland geht’s uns ja gut. Aber es gibt auch wirklich viele Kinder, die eine warme Mahlzeit am Tag bei uns bekommen und sonst nicht so.“ Roland Richter, Baui-Leiter

Feier zum 50. Baui-Geburtstag

Am 30. September 2023 feiert der Bauspielplatz Langwasser seinen 50. Geburtstag mit einem großen Kinderfest. Es gibt verschiedene Aktionen für die Kinder, eine Diashow, Improtheater und Live-Musik am Abend. Los geht es um 14 Uhr am Bauspielplatz in Langwasser in der Zugspitzstraße 181 in Nürnberg.

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