Kind geht an der Hand eines Mannes (Symbolbild)
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Kind geht an der Hand eines Mannes (Symbolbild)

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"Papa muss ins Gefängnis, was jetzt?": Unterstützung für Kinder

Wenn die Eltern ins Gefängnis kommen, ist das für Kinder und Familien oft ein einschneidendes Erlebnis. Die Landesfachstelle "Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern" unterstützt nun seit einem Jahr in Nürnberg und Bayreuth – und bald in ganz Bayern.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

"Kinder haften ein Stück weit für die Taten ihrer Eltern mit", sagt die Leiterin der Landesfachstelle (LFS) "Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern", Christiane Paulus, im Gespräch mit BR24. Wenn Eltern ins Gefängnis müssen, kann es passieren, dass ihre Kinder zum Beispiel im Kindergarten oder in der Schule gebrandmarkt werden, ins Aus geraten. Deshalb will sie gerade auch außerhalb der Justizvollzugsanstalten ein besseres Bewusstsein für diese Kinder schaffen. Noch immer sei das Thema Haft ein "Riesen-Tabuthema", so Paulus weiter. "Es herrscht viel Scham und Unsicherheit", viele Mütter riefen in der Landesfachstelle an, die sich nicht trauten zu erzählen, dass der Papa nicht nur auf Kur oder auf Montage sei.

Seit einem Jahr unterstützt die Landesfachstelle (LFS) "Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern" nun Kinder, deren Eltern im Gefängnis sitzen. Die Verantwortlichen ziehen eine Erfolgsbilanz, die LFS habe im vergangenen Jahr eine "beeindruckende Resonanz" erhalten, heißt es in einer Mitteilung. Bislang arbeitete die LFS mit Sitz in Nürnberg als Modellprojekt vor allem in der Frankenmetropole und in Bayreuth.

Tausende Kinder jedes Jahr betroffen

Jedes Jahr erlebten etwa 14.000 Kinder in Bayern und 100.000 deutschlandweit die Inhaftierung eines Elternteils. Das führe zu psychischen, physischen und sozialen Belastungen. "Kinder, die einen inhaftierten Elternteil haben, gibt es überall dort, wo es Kinder gibt", so die Referentin der LFS, Stefanie Seidel. Die Landesfachstelle setze sich dafür ein, diesen Kindern trotz der schwierigen Umstände optimale Entwicklungsbedingungen zu bieten und die Achtung ihrer Rechte, wie in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgelegt, zu gewährleisten.

Dazu stehe sie in ständigem Austausch mit Fachkräften aus dem Bildungs- und Sozialbereich. Im vergangenen Jahr ist es laut Mitteilung so zu insgesamt 77 Vorträgen gekommen, um das Bewusstsein für diese Kinder zu schärfen.

Außerdem konnten in den Modellregionen Nürnberg und Bayreuth – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Justizvollzugsanstalten – diverse Angebote geschaffen werden. Für Christiane Paulus ist es wichtig, das auch "außen" zu tun, da dort das Leben der Kinder stattfinde. Damit sind Fortbildungen zum Beispiel für Jugendamtsmitarbeitende oder auch Erziehende in Kitas und ähnlichem gemeint.

Auch inhaftierte Eltern sind Eltern

"Um Kinder zu unterstützen, muss man die Eltern unterstützen", weiß Stefanie Seidel. Denn auch inhaftierte Eltern blieben Eltern. Die Elternrolle dürfe während der Haft nicht pausieren, sondern müsse gestärkt werden. So wurde zum Beispiel in der Justizvollzugsanstalt (JVA) St. Georgen-Bayreuth eine Vätergruppe und Familienberatung geschaffen. Die Gruppe sei ein geschützter Raum. Durch sie solle der bestmögliche Kontakt zwischen Kindern und Vätern ermöglicht werden. Auch sollen dabei Themen besprochen werden, die die Väter beschäftigen, wie die Frage: Wie sage ich meinem Kind, wo ich bin? "Eine Inhaftierung wird oft zu einem großen Familiengeheimnis. So groß, dass nicht mal das Kind selbst wissen darf, wo Mama oder Papa ist. All das muss man beachten", so Stefanie Seidel weiter.

Als weiteres Beispiel für erfolgreiche Projekte nennt die LFS das "Angehörigencafé", bei dem vor der JVA Nürnberg ein Lastenrad Angehörige zu einem Kaffee und einem Gespräch einlädt. Noch ein Beispiel sei eine Gruppe für haftentlassene Väter und die kinderfreundliche Neugestaltung der Besucherräume der beiden Gefängnisse in Nürnberg und Bayreuth. Zudem hat die LFS Broschüren erstellt, etwa zum Thema "Papa muss ins Gefängnis. Was jetzt?"

Resozialisierung ist Vollzugsziel

Neben dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten hat zugleich auch die Resozialisierung der Gefangenen oberste Priorität im bayerischen Vollzug, erklärt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). "Die Familie gibt Gefangenen Halt und kann sie auf dem Weg in ein Leben ohne Straftaten unterstützen. Dazu leistet die 'Landesfachstelle Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern' einen wichtigen Beitrag", so Eisenreich weiter.

Die LFS wird unter anderem durch das Justizministerium und das Familienministerium unterstützt. So verweist Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) zwar auf die Vielzahl an Unterstützungsangeboten – wie Jugendämter und Erziehungsberatungsstellen. "Ich weiß aber, dass die Inanspruchnahme dieser Angebote den betroffenen Familien oft schwerfällt", so Scharf. Sie freue sich deshalb über den Erfolg der Modellprojekte in Nürnberg und Bayreuth. "Wir wollen den Zugang zu Unterstützungsangeboten von Jugendhilfe und Justiz durch gezielte Information und Beratung einfach und unbürokratisch ermöglichen. Hilfe und Unterstützung müssen auch dort ankommen, wo sie benötigt werden", so die Familienministerin weiter.

Hilfsangebote sollen in ganz Bayern entstehen

Die Landesfachstelle will auch die Fachkräfte innerhalb der JVA weiter schulen. So würden über anstaltsinterne Fortbildungen alle Mitarbeitenden der JVS Nürnberg erreicht und konnten für die Anliegen der Kinder sensibilisiert werden, sagt Christiane Paulus.

Die Einrichtungen in Nürnberg und Bayreuth seien aber nur Schwerpunkteinrichtungen. Sie sei bereits mit diversen anderen in ganz Bayern im Gespräch, wie man zum Beispiel Vater-Kind-Gruppen etablieren könne. Am Ende sollen in ganz Bayern neue Angebote entstehen.

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