Blick aus einer Gefängniszelle (Symbolbild)
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Blick aus einer Gefängniszelle (Symbolbild)

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Nach Ausbruch mit Löffel und Bettlaken: Mann muss erneut in Haft

Es war ein Ausbruch wie im Film: Ein Häftling hatte ein Loch in die Wand seiner Gefängniszelle in Bad Reichenhall gekratzt und sich dann an Bettlaken abgeseilt. Am Montag wurde er verurteilt - aber nicht wegen des Ausbruchs.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Es klingt wie eine Szene aus einem Film: Ein Mann kratzt mit Utensilien aus seiner Zelle ein Loch in die Wand, schlüpft hindurch, seilt sich mit seinem Bettlaken ab und entkommt so aus dem Gefängnis. Doch diese Szene hat sich genau so zugetragen - im Dezember 2023 in Bad Reichenhall. Nach seinem filmreifen Ausbruch hat das Amtsgericht Laufen den 29-Jährigen am Montag zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Angeklagt war der Untersuchungshäftling allerdings nicht wegen des Ausbruchs - sondern lediglich wegen Sachbeschädigung. Warum?

Gefängnisausbruch kein Straftatbestand

Die Antwort ist einfach: Aus dem Gefängnis auszubrechen ist in Deutschland nicht strafbar. Es gibt schlicht und einfach kein Gesetz, das das Ausbrechen verbietet - und das aus langer Tradition und gutem Grund. In der allgemeinen Rechtsüberzeugung sei der Grundsatz verwurzelt, "dass ein dem natürlichen Freiheitsdrang des Menschen entspringendes Verhalten nicht unter Strafandrohung gestellt werden sollte", heißt es in einer Antwort des Oberlandesgerichts (OLG) München auf eine BR-Anfrage. "Strafleid von sich abzuwehren" gilt als "natürliches Streben des Menschen" und dürfe deshalb kein Grund sein, ihn dafür zu bestrafen. Die "Straflosigkeit der Selbstbefreiung", wie Juristinnen und Juristen sagen, habe in Deutschland eine lange Tradition, so OLG-Sprecher Laurent Lafleur; sie sei schon in der "Constitutio Criminalis Carolina" festgehalten: Die regelte das Recht im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und trat 1532 in Kraft.

Mit Löffel und Klopapierhalter durch die Wand

Straffrei blieb der Untersuchungshäftling dennoch nicht. Denn man darf zwar aus dem Gefängnis ausbrechen - dabei aber nichts kaputtmachen. Der 29-Jährige hatte jedoch mit einem Löffel und einer Klopapierhalterung den Wandputz heruntergekratzt. Danach konnte er die Ziegel aus der Außenmauer nehmen, sich durch das 30 mal 30 Zentimeter große Loch in der Mauer zwängen und mit einem Bettlaken sechs Meter abseilen. Angeklagt war der mehrfach vorbestrafte Mann demnach wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung", hieß es im Vorfeld von der Staatsanwaltschaft Traunstein. Und dafür wurde er auch zu der mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Als Motiv für seinen Gefängnisausbruch in Bad Reichenhall hatte der Mann angegeben, dass er seine einjährige Tochter wiedersehen wollte. Und tatsächlich war der Mann tags darauf in der Wohnung seiner Familie in Traunstein von der Polizei wieder festgenommen worden.

Gefängnis zieht Konsequenzen - Ausbrüche sind selten

Nach dem Ausbruch habe man im Gefängnis Bad Reichenhall Abläufe und Maßnahmen zur zusätzlichen Absicherung mit Hochdruck geprüft und grundlegend überarbeitet, wie es danach beim Justizministerium hieß. Etwa werde kein Gefangener mehr in Hafträumen an der Außenmauer untergebracht. Es habe zuvor aber seit weit mehr als 20 Jahren keinen Ausbruch oder Ausbruchsversuch mehr gegeben.

Überhaupt kommen den bayerischen Gefängnissen nur selten Häftlinge abhanden. Von Ausbrüchen spricht man dabei nur, wenn die Gefangenen aus dem durch Mauern, Stacheldraht oder anderweitig gesichertem Bereich der Anstalt entkommen. Das passierte in den vergangenen vier Jahren - neben dem Fall in Bad Reichenhall - in Bayern nur ein weiteres Mal, nämlich 2021.

Bande soll auf Friedhöfen Kupfer gestohlen haben

Am heutigen Dienstag muss der Ausbrecher, der nun in der JVA Stadelheim in München sitzt, schon wieder vor Gericht erscheinen - dieses Mal vor dem Landgericht Traunstein. Dann steht der Prozess an, der ihn überhaupt in Untersuchungshaft gebracht hatte. Er muss sich mit zwei mutmaßlichen Komplizen wegen schweren Bandendiebstahls in mehr als 30 Fällen sowie Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung verantworten. Das Trio soll unter anderem von Friedhöfen und in Kirchen Sakralgegenstände gestohlen haben. Teils gingen die mutmaßlichen Täter dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft zufolge dabei mit brachialer Gewalt vor.

Mit Informationen von dpa

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