Menschen tanzen auf Festival
Bildrechte: BR24/Sandra Lohse

Ein Festival, das widerstandsfähige Kultur präsentieren will – das hat sich das Mauerblümchen-Festival im Nürnberger Stadtgraben vorgenommen.

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Neues Kulturformat "Mauerblümchen" erreicht buntes Publikum

Ein Festival, das vergessene Stadtteile und widerstandsfähige Kultur präsentieren will – das hat sich das Mauerblümchen-Festival im Nürnberger Stadtgraben zehn Tage lang vorgenommen. Bei den Besuchern kommt das an, wenn auch nicht bei vielen.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Der Duft von frisch gebackenem Brot lockt zu Karin Bergdolt. Ein strategisches Lockmittel zu ihrer Kunstinstallation? Ein altes Getreidesilo liegt horizontal zum Boden auf einem Anhänger. Rost blättert ab, immer wieder knarzt das Blech, während sich der Innenraum in der Nachmittagssonne aufheizt. Was bedrohlich anmutet, soll ein mobiler Kunstort sein, sagt Künstlerin Karin Bergdolt. Sie befüllt Tassen mit Brotteig, schiebt sie in den Holzofen und erklärt: "Es geht um die Frage: Was macht man mit ausrangierten Objekten? Um die dann wieder in eine neue Nutzung zu führen." Und ein paar Sitzbänke im Innenraum lassen das Silo zwar noch nicht einladend, aber zumindest interessant aussehen.

Das Ziel: Resilienter durch schwierige Zeiten gehen

Bei Karin Bergdolts Kunst sollen sich Dinge aus der Vergangenheit dem Wandel anpassen und gerade deshalb passt sie so gut in das Konzept des Mauerblümchen-Festivals: Ein "Kulturfestival zur Widerstandsfähigkeit". Ein Mauerblümchen - so die Idee - ist eine Blume, die trotz aller Widrigkeiten wächst. Die Projektleiterin des Kulturreferats der Stadt Nürnberg, Barbara Schwesig, bezeichnet diese Widerstandsfähigkeit auch als eine Art Resilienz und das Festival eine Art Bildungsauftrag: "Es ist gut, wenn alle Menschen lernen, mit Schwierigkeiten umzugehen, Dinge spielerisch auszuprobieren, sich eigene Gedanken zu machen, zu Werken, die dazu inspirieren."

Ob Männchen zum Anschubsen, die immer wieder aufstehen, oder Verkehrsschilder der Gerechtigkeit – das Motto zieht sich durch. Dabei geht es bei den acht Kunstinstallationen oft um Menschenrechte, rund um die Stadtmauerbühne besprechen Talkgäste und Initiativen die Themen Klimawandel und Zukunft. Die großen Bühnen und aufwändigen Showelemente bleiben dabei aus und Banner auf die Rückseiten alter Plakate gemalt - ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

Menschen zusammenbringen durch Kultur

Zehn Tage lang hat das Kulturfestival den Nürnberger Stadtgraben bespielt. An den Wochenenden seien es jeweils rund 2000 Besucherinnen und Besucher gewesen, sagt Barbara Schwesig. Sie bezeichnet das Festival als ein Experiment, blickt resümierend auf die eineinhalb Wochen als "ein Abenteuer" zurück.

"Das Festival will keine Hunderttausend fangen, sondern Menschen zusammenbringen und genau dieses Experiment scheint zu klappen. Menschen verschiedener Herkunft kommen zusammen und lernen voneinander." – Barbara Schwesig, Projektleiterin Mauerblümchen-Festival

Gegenseitig zu mehr Hoffnung in Krisenzeiten verhelfen, das ist ein Grund, aus dem das neue Kulturformat entstanden ist. Eine anderer sei noch immer die Corona-Pandemie: Zwar sei die schon eine Weile her sei, noch immer verspüre Barbara Schwesig jedoch die Notwendigkeit zusammenzukommen – "ohne Scheuklappen und ohne Vorschriften", sagt die Projektleiterin.

Festival-Ort sorgt für buntes Publikum

Scheuklappen, die einige Besucherinnen und Besucher in der Vergangenheit wohl aufhatten. "Ich wohne seit zwei Jahren hier in Nürnberg und laufe hier nie lang und wusste gar nicht, was das hier für ein schöner Ort ist", erzählt Ulli Preiß, während sie sich durch die Brotsorten der Silo-Kunstinstallation probiert. Besucherin Claudia Ölsner, die das Festival bereits zum dritten Mal innerhalb von drei Tagen besucht, fügt hinzu: "Schade, dass so wenig los ist. Es ist natürlich nicht Erlenstegen, aber das ist auch mal wichtig zu sehen."

Von eingefleischten Kulturfans bis zu geflüchteten Jugendlichen – das Publikum sei bunt gewesen, freut sich Barbara Schwesig. Und genau das war auch ihr Ziel. Sie wollte Kultur an einen "nicht so gut frequentierten" Ort bringen. "Die Künstlerinnen und Künstler sind überrascht über die Mischung, die sie hier antreffen und sagen: So ein Publikum hatten wir nie." Ein "nicht frequentierter Ort", der eben manchmal auch mit einer Hemmschwelle verbunden ist: Tanja Schellenberger ist auf Empfehlung ihrer Arbeitskollegin zum "Mauerblümchen-Festival" gekommen und erzählt: "Der Anfang ist komisch, weil das doch so nach Urin riecht und so viel Müll liegt." Widerstandsfähigkeit, die schon beim Besuch des Festivals gefordert ist.

Zehn Tage Kultur mit freiem Eintritt

Doch nicht nur der Unbekannte Reiz war ein Anreiz für den Festival-Besuch: Der Eintritt zum Festival und allen Veranstaltungen war für die Besucherinnen und Besucher frei. Finanziert wurde das Projekt zu 80 Prozent aus dem Sonderfonds Innenstädte Beleben und zu 20 Prozent aus Mitteln der Stadt Nürnberg. Insgesamt acht Kunstinstallationen waren vom 8. bis 17. September zwischen Sterntor und Hauptbahnhof sowie im Rosen- und Skulpturengarten zu sehen. An den Wochenenden bat das Festival rund 60 Events.

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