Schülerin näht eine Tasche.
Bildrechte: BR/Daniela Olivares

Die Schülerinnen eines Ingolstädter Gymnasiums sind in einem Upcycling-Projekt engagiert.

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Nachhaltigkeit in der Mode: Viel Umdenken gefragt

In Deutschland kauft jeder rund 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Tendenz steigend. Fast Fashion, billig produzierte Mode, macht es möglich. Bayerische Schülerinnen versuchen, dem etwas entgegenzusetzen. Der Trend heißt "Upcycling" - aus alt mach neu.

Im Katharinen-Gymnasium in Ingolstadt liegen alte Landkarten und gebrauchte Herrenhemden. Schülerin Hannah schneidet mit einer großen Schere ein altes Herrenhemd zurecht. Sie ist eine von acht Schülerinnen der Schule, die bei einem Nachhaltigkeits-Projekt zusammenarbeiten. Einige sind im Rahmen eines P-Seminars dabei, andere machen bei der AG Nachhaltigkeit mit. Ihr Ziel: alten Landkarten ein zweites Leben schenken und zu Taschen verarbeiten. Das Innenfutter fertigen sie aus alten Herrenhemden. Sie schneiden die Stoffe zurecht, stecken ab, bügeln und nähen. Vor Weihnachten wollen sie die Taschen noch verkaufen.

Fast Fashion schwemmt den Markt

Sogenannte Upcycling-Projekte wie dieses gibt es an mehreren bayerischen Schulen. Aus gebrauchten Kleidungsstücken oder Materialien wird neue Mode. Auch in Kirchheim bei München nähen Schülerinnen und Schüler Taschen aus alten Kissenbezügen. Sensibilisieren und Umdenken, das wollen die Lehrer mit solchen Projekten erreichen.

Kleidungsproduktion hat sich in 20 Jahren verdoppelt

Denn Fast Fashion ist auf dem Vormarsch. Damit sind schnell produzierte und trendbezogene Kollektionen zu niedrigen Preisen gemeint. Diese billig produzierte Mode schwemmt den Markt. Weltweit hat sich laut dem Bundesverbraucherschutzministerium die Kleidungsproduktion in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Studien gehen davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten ein weiteres intensives Wachstum im Textilsektor bevorsteht.

In der Kritik stehen dabei vor allem der Umgang mit Ressourcen wie Wasser und die Arbeitsbedingungen der Menschen in den Produktionsländern. Und dabei hängt in Deutschland jedes fünfte Kleidungsstück ungetragen im Kleidungsschrank. Als Ursache nennt das Ministerium die kurzfristige Befriedigung von Wünschen.

Herausforderung: Nachhaltige Mode mit Sicherheit erkennen

Viele Käufer würden gerne mehr nachhaltige Mode wählen. Im Laden fällt es ihnen aber schwer, zu erkennen, welche Stücke nachhaltig produziert sind und welche nicht. Zwar gibt es einige Siegel, aber für den Verbraucher ist es nicht leicht, nachzuvollziehen, ob sie halten, was sie versprechen. Es geht etwa um Fragen, ob der Anbau der Rohstoffe nachhaltig ist, die Arbeitsbedingungen vor Ort fair sind, die Arbeiter entsprechend bezahlt werden oder ob die Produkte von Kindern hergestellt werden.

Nachhaltigkeit durch Siegel prüfen

Auch die Schülerinnen aus Ingolstadt sehen eine Herausforderung darin, nachhaltige Mode zu erkennen. Eine Hilfestellung kann hier zum Beispiel das Portal "Siegelklarheit" sein. Die Verbraucherzentrale Bayern empfiehlt unter anderem die Siegel "Fairtrade" für Baumwolle und Textilproduktion, "GOTS" oder "Cotton made in Africa". Trotzdem kann es für Verbraucher schwierig sein, Lieferketten komplett nachzuvollziehen und zu überprüfen. Zu viele Zwischenschritte innerhalb des Produktionsprozesses machen die Überprüfung kompliziert.

Auf heimische Textilbranche und hochwertige Mode setzen

Stefan Satl vom Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie rät, auf die heimische Textilbranche zu setzen, dort würde schon größtenteils nachhaltig produziert. Die bayerischen Firmen würden ihre Rohstoffe über langjährige Partner beziehen. Biobaumwolle sei bei den allermeisten Unternehmen schon Standard. Viele würden auch recycelte Garne verwenden.

Wo außerhalb Deutschlands produziert werde, setze man sich zudem für faire Arbeitsbedingungen ein. Ansonsten empfiehlt Satl qualitativ hochwertige Mode: "Kleidungsstücke, die eine gute Qualität haben, haben eine gute Passform und sind leichter zu pflegen. Deswegen werden sie von den Verbraucherinnen und Verbrauchern länger getragen." Qualität trage dazu bei, dass sich die Lebensdauer deutlich verlängere. Das sei Nachhaltigkeit im besten Sinn, empfiehlt Satl.

Kleidungsstücke komplett recyclen kaum möglich

Bereits gekaufte Kleidung komplett zu recyclen, ist oft schwierig. Das Problem: Die meisten Stücke seien laut Satl sogenannte Mischgewebe. Es wurden dem Textilexperten zufolge also unterschiedliche Materialien verarbeitet.

Sie müssten alle aufwendig getrennt werden, um so die einzelnen Stoffe wieder nutzen zu können, so Satl. Das lohnt sich aber noch nicht. Verschiedene Forschungseinrichtungen beschäftigen sich daher mit dem komplexen Thema und suchen nach technologischen Recycling-Ansätzen.

Unterschiedliche Modeketten bieten auch schon an, alte Kleidung für Recycling zu sammeln. Doch noch ist es so, dass nach Angaben der Ellen MacArthur Foundation, die sich mit Wirtschaftskreisläufen beschäftigt, die Zahl der recycelten Kleidungsstücke bei weniger als einem Prozent liegt. Etwas über zehn Prozent werden zu weniger wertvollen Gegenständen wie Isoliermaterial, Matratzenfüllungen und Tüchern "downgecycelt".

Der Preis ist entscheidend

Doch insgesamt muss auch der Preis stimmen, da sind sich Schüler und Industrie einig. "Gerade bei jungen Leuten spielt der Preis eine entscheidende Rolle. Hier muss man durch Aufklärung und Projekte für mehr Bewusstsein sorgen, dass es sich lohnt, auch teurere Stücke zu kaufen", meint Satl. Wenn Kleidungsstücke nur ein paar Euro kosteten, müsse klar sein, dass diese nicht nachhaltig produziert seien. "Wenn es günstiger ist, das Kleidungsstück nach einmaligem Tragen wegzuwerfen, als es zu waschen, ist es nicht nachhaltig", so der Textilexperte.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) schließt sich dem an. Petra Dillemuth, GfK-Fashionexpertin für Consumer Panel, teilt dazu auf BR-Anfrage mit: "Nachhaltigkeit bleibt wichtig, ist aber nur für wenige kaufentscheidend. Preis und Geschmack schlagen das gute Gewissen beim Fashionkauf."

Laut GfK macht nachhaltige Mode (Bekleidung und Schuhe), die ein Öko-Label hat, etwa 20 Prozent aller gekauften Stücke aus. Der Anteil sei in den letzten Jahren gestiegen, habe aber 2022 einen leichten Dämpfer bekommen, ähnlich wie bei Bio-Lebensmitteln.

Second-Hand-Markt gewinnt an Bedeutung

Um nachhaltige Mode zu tragen, meint Schülerin Hannah am Katharinen-Gymnasium in Ingolstadt, würde sie auch gerne Secondhand kaufen. Da stimme der Preis, und nachhaltig sei es auch. Zudem wächst laut verschiedenen Studien hier der Markt. Prognosen gehen davon aus, dass das Volumen des Second-Hand-Modemarkts bis 2025 auf fünf bis sechs Milliarden Euro ansteigt. Bei einer Umfrage gab über die Hälfte der Befragten an, bereits gebrauchte Erwachsenen-Mode gekauft zu haben. Bei jüngeren Befragten zwischen 20 und 30 Jahren lag der Wert noch höher.

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