Ortsschild von Peutenhausen im Kreis Neuburg-Schrobenhausen
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Nach Vorfällen mit Flüchtlingen: Dorf weiß nicht mehr weiter

Nach Vorfällen mit Flüchtlingen: Dorf weiß nicht mehr weiter

Die steigende Zahl an Flüchtlingen bringt Kommunen und Helferkreise an ihre Grenzen. In Peutenhausen scheint die Hilfsbereitschaft erschöpft: Das einst so aufnahmefreudige oberbayerische Dorf weiß nicht mehr weiter.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Bürgermeister Alfred Lengler sieht in Peutenhausen den Dorffrieden in Gefahr. So schnell wie möglich möchte er die Zahl der Geflüchteten reduzieren, die in Peutenhausen einst so offen empfangen worden sind. Denn nach einigen Vorfällen scheint die Hilfsbereitschaft erschöpft.

Erst großes Hilfsengagement

Mitten im Ort steht ein älteres, zweistöckiges Haus gleich neben der Schule. Es gehört der Gemeinde. Im vergangenen Frühjahr haben zahlreiche Ehrenamtliche das Haus für neue Bewohner hergerichtet: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten in Peutenhausen zur Ruhe kommen. Feuerwehrkommandant Thomas Tyroller hat die Hilfsaktion geleitet, Bürgermeister Alfred Lengler den Mietvertrag mit dem zuständigen Landratsamt in Neuburg unterschrieben.

Doch knapp ein Jahr später hat sich die Stimmung gedreht: Dem 650-Einwohner-Dorf sind die 50 Geflüchteten zu viel, erklärt der Bürgermeister nachdrücklich. Auch andere Kommunen in Bayern suchen verzweifelt nach Lösungen und fühlen sich von der Politik alleingelassen.

Einbruchserie – auch bei Helfern

In dem knappen Jahr zwischen Erstbezug und Kündigung ist viel passiert. Nur wenige Tage nach der Ankunft der Kriegsflüchtlinge begann in Peutenhausen eine Einbruchsserie. Auch bei dem Helfer Thomas Tyroller, dem Feuerwehrkommandanten, wurde eingebrochen. Eine Überwachungskamera zeichnete den Einbrecher auf.

Tyroller kannte den Mann. "Der hat in dem Haus gewohnt, das ich ein paar Tage vorher hergerichtet habe." Fünfmal wurde in Peutenhausen eingebrochen. Dann verschwand der mutmaßliche Täter aus dem Dorf. Doch die Fahndung nach ihm war erfolgreich. Nun befindet er sich in Untersuchungshaft.

Stimmung nach erneutem Vorfall verhärtet

Nach den fünf Einbrüchen im Dorf blieb die Stimmung ruhig. Bis Mitte Dezember. Nach einem Rosenkranz wurden vor der Kirche zwei ältere Frauen sexuell belästigt. Die Polizei ermittelt im Rahmen einer Sofortfahndung zwei Bewohner einer nahegelegenen Gemeinschaftsunterkunft als mutmaßliche Täter. Die beiden afghanischen Staatsangehörigen leben dort mit rund 30 weiteren jungen, geflüchteten Männern.

Auch wenn die beiden mutmaßlichen Täter mittlerweile in eine andere Unterkunft außerhalb der Region verlegt worden sind, und es seitdem keine weiteren Vorfälle mehr in Peutenhausen gegeben hat, hat sich die Stimmung im Dorf verschlechtert. Der Bürgermeister nennt sie "verhärtet". Feuerwehrkommandant und Helfer Thomas Tyroller will weiterhin differenzieren, sagt aber auch, dass das vielen zunehmend schwerfällt. Laut Feuerwehr führen die genannten Fälle dazu, dass sich die Stimmung gegen alle Flüchtlinge verschlechtert.

"Jetzt, nach all den Vorkommnissen, neigt man schon dazu, alle in einen Topf zu werfen und zu sagen: Flüchtlinge, nein danke!" Thomas Tyroller, Helfer und Feuerwehrkommandant in Peutenhausen

Die Hilfsbereitschaft ist aufgezehrt, bestätigt Bürgermeister Alfred Lengler. Früher haben in dem Dorf 25 Menschen Flüchtlinge betreut. Auch die Frau des Bürgermeisters war im Helferkreis. Schon vor den Vorfällen hatten sich viele Helfer in Peutenhausen von ihrem Ehrenamt zurückgezogen. Nun hat sich der Helferkreis aufgelöst. "Jetzt wollen wir nicht mehr", so Lengler.

Drastischer Mitgliederschwund bei bayerischen Helferkreisen

Einen deutlichen Schwund an Flüchtlingshelfern gibt es nicht nur in Peutenhausen. Diese Entwicklung gibt es im gesamten Freistaat. Das belegt eine aktuelle Umfrage des Verbandes der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Bayern.

Fast die Hälfte (45 Prozent) der bayerischen Helferkreise, die sich an der Umfrage beteiligt haben, melden einen erheblichen Rückgang an Mitgliedern. Verbandsvorsitzender Joachim Jacob nennt dafür Gründe: "Zum einen ist es tatsächlich Erschöpfung, wenn man zu viele Jahre tätig sein muss. Das zweite ist aus meiner Sicht die Überalterung, dass gerade jüngere nicht in der Masse nachkommen. Und das dritte ist die mangelnde Anerkennung und Unterstützung, insbesondere in den Ausländerämtern vor Ort."

Flüchtlingshelfer setzt auf mehr Integration und Arbeit

Um die Lage etwa in Peutenhausen zu verbessern, nennt Flüchtlingshelfer Jacob zwei zentrale Punkte: Zum einen müsse die Integration der geflüchteten Menschen gefördert werden. Hier fehle es massiv an Personal und Unterstützung durch die Behörden. Mit Blick auf die sinkende Zahl der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer verweist Jacob darauf, dass auch die Helferkreise vielfach nur noch zu Behördengängen begleiten und Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen leisten könnten.

Die Zeit für echte Integrationsarbeit fehle, gerade für die vielen jungen, geflüchteten Männer. "Die eigentliche Integrationsarbeit übernimmt in Deutschland keiner so richtig. Das ist ein Mangel", so Jacob. "Das zweite ist der wichtigste Schritt zur Integration: Arbeit. Also wer Arbeit hat, für sich auch eine Perspektive sieht, für den ist es dann auch unwahrscheinlicher, kriminell zu werden."

Arbeitsverbote für Flüchtlinge regelt Berlin. Für die Betreuung der Flüchtlinge ist der Landkreis zuständig. Im Kreis Neuburg-Schrobenhausen gibt es nur zehn hauptamtliche, sogenannte Kümmerer für die Unterkünfte. Der Landrat lässt auf Nachfrage ausrichten, dass seine Kümmerer jetzt öfter mal in Peutenhausen vorbeischauen werden. Viel zu wenig, findet Flüchtlingshelfer Jacob. Auch Bürgermeister Lengler winkt ab. Er hält die zehn Kümmerer für "total überfordert" und verweist auf die Zahl der Flüchtlinge, die im Kreis in Unterkünften leben: Aktuell sind es gut 1.400 Menschen. In ganz Deutschland mangelt es nicht nur an Unterkünften, sondern auch pädagogischer Betreuung für Geflüchtete.

Bürgermeister bittet allerorts um weniger Flüchtlinge und mehr Betreuung

Bürgermeister Lengler hat alle um Hilfe gebeten: Das Innenministerium, die Regierung von Oberbayern, das Landratsamt. Seine Bitte: Weniger Flüchtlinge. Mehr Betreuung. Seine Forderung: "Im Ortsteil Peutenhausen mit 650 Einwohnern 50 Flüchtlinge zu haben, das ist mir definitiv zu viel. Ich hätte gern, dass man mindestens eine der beiden Flüchtlingsunterkünfte auflöst, und zwar jetzt!"

Doch die Behörden gehen auf die Bitte des Bürgermeisters nicht ein. Das Innenministerium verweist darauf, dass Unterbringungssituation derzeit in ganz Bayern sehr angespannt sei, "sodass wir auf jeden freien Platz angewiesen sind und kein Landkreis/keine kreisfreie Stadt hier aus der Verantwortung genommen werden" kann, Geflüchtete aufzunehmen.

Nun hat Alfred Lengler das Einzige getan, was er als Bürgermeister selbst entscheiden kann: Er hat dem Landratsamt das gemeindeeigene Haus als Unterkunft mit sofortiger Wirkung gekündigt. Doch das Landratsamt akzeptiert nur eine ordentliche Kündigung. Damit bleiben die Flüchtlinge noch bis Frühjahr 2024. Um die Stimmung im Dorf zu befrieden, fährt die Polizei nun häufiger Streife. Viele im Dorf fühlen sich dennoch von den Behörden alleingelassen.

Peutenhausens Bürgermeister Alfred Lengler vor der Flüchtlingsunterkunft
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Peutenhausens Bürgermeister Alfred Lengler vor der dortigen Flüchtlingsunterkunft

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