Mehr als 20 Tote nach russischem Angriff auf Hochhaus in Dnipro
Bildrechte: REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Mehr als 20 Tote nach russischem Angriff auf Hochhaus in Dnipro

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Mehr als 20 Tote nach russischem Angriff auf Hochhaus in Dnipro

Mindestens 25 Tote und 73 Verletzte: In der ukrainischen Stadt Dnipro hat eine russische Rakete ein Hochhaus getroffen. Präsident Selenskyj verurteilte den "russischen Terror". Die Suche nach Überlebenden geht weiter.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Nach einem russischen Raketenangriff auf ein bewohntes Hochhaus in der ukrainischen Stadt Dnipro ist die Zahl der Toten nach Angaben der Stadtverwaltung auf 25 gestiegen. Rettungskräfte bemühten sich am Sonntag weiter um die Rettung von Überlebenden.

Mindestens 73 Menschen wurden den Angaben zufolge verletzt. Das Schicksal Dutzender Menschen sei noch unklar, erklärte der Gouverneur der ostukrainischen Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko. Unter den Toten war ihm zufolge auch ein 15-jähriges Mädchen.

Noch immer Suche nach Verschütteten

Der Angriff in Dnipro traf am Samstag ein neunstöckiges Hochhaus. Der ukrainischen Armee zufolge wurde das Haus von einem russischen Marschflugkörper vom Typ X-22 getroffen. Das ukrainische Militär sei nicht in der Lage gewesen, das Geschoss abzufangen. Ein Teil des Gebäudes war vollständig zerstört worden. Rettungskräfte arbeiteten die ganze Nacht durch. Sie berichteten, sie hätten unter den Trümmern Menschen um Hilfe schreien gehört.

Bewohner der Stadt beteiligten sich an den Rettungsarbeiten, andere brachten Essen und warme Kleidung für diejenigen, die ihre Wohnung verloren haben.

"Wir werden zurückschlagen"

Die Präsidialverwaltung in Kiew veröffentliche Fotos und Videos von dem vollkommen zerstörten Gebäude. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich in den sozialen Netzwerken entsetzt und verurteilte den "russischen Terror". Mit Blick auf die Bergungsarbeiten sagte er: "Wir kämpfen um jeden Menschen, um jedes Leben." Die Verantwortlichen für diese Bluttat würden gefunden und betraft. "Es ist noch unklar, wie viele Menschen unter den Trümmern liegen.

"Leider steigt die Zahl der Todesopfer stündlich an", schrieb der Präsident in den Online-Netzwerken. In seiner abendlichen Videoansprache sagte Selenskyj dann, die ukrainische Armee habe am Samstag mehr als 20 von insgesamt 30 russischen Raketen abgeschossen. Der russische "Terror" könne aber nur "auf dem Schlachtfeld" gestoppt werden.

Ukraine für Ausschluss Russlands aus UN-Sicherheitsrat

Der Präsidentenberater Mychailo Podoljak forderte, Russland müsse "sofort aus dem UN-Sicherheitsrat ausgeschlossen werden". Der Leiter des Präsidialamts in Kiew, Andrij Jermak, betonte: "Wir werden zurückschlagen." Er sagte, dass die Flugabwehr und Luftstreitkräfte ihre Arbeit erledigten.

Luftalarm in ganzer Ukraine

Der Raketeneinschlag in Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Zuvor hatten die ukrainischen Streitkräfte vor möglichen neuen Luftschlägen gewarnt. Demnach waren zahlreiche russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 tagsüber in der Luft. Im Schwarzen Meer hatten zudem russische Kriegsschiffe Stellung bezogen, von denen ebenfalls immer wieder Raketen abgefeuert werden.

In der gesamten Ukraine galt Luftalarm. Neben zahlreichen Regionen, darunter Odessa im Süden, Charkiw im Osten und Lwiw (Lemberg) im Westen, war einmal mehr auch die Hauptstadt Kiew betroffen von dem Beschuss. Es gab mehrere Explosionen. Die Menschen wurden aufgefordert, Schutz zu suchen. Etwas weiter südlich in der Stadt Krywyji Rih wurde nach offiziellen Angaben ein Mensch beim Beschuss eines weiteren Wohnhauses getötet. Hier gab es demnach einen Verletzten.

Auch in Moldau Trümmerteile entdeckt

Behörden berichteten auch von neuen gezielten Angriffen auf die Energie-Infrastruktur. Vielerorts kam es zu Stromausfällen, die Menschen saßen im Dunkeln. In den meisten ukrainischen Regionen kam es nach der neuen Angriffswelle zu Notabschaltungen des Stromnetzes. Seit Oktober verübt Russland verstärkt Angriffe auf die kritische Infrastruktur, was zu zahlreichen Stromausfällen und Unterbrechungen bei der Heizung und der Wasserversorgung führt. In Dnipro seien etwa 1.700 Menschen von der Strom- und Wärmeversorgung abgeschnitten.

Nach den Angriffen von Samstag wurden auch im an die Ukraine grenzenden Moldau Raketentrümmer entdeckt. "Russlands brutaler Krieg gegen die Ukraine hat erneut Auswirkungen auf Moldau", erklärte die Präsidentin des Landes, Maia Sandu, im Onlinedienst Twitter. Die Grenzpolizei habe die Raketentrümmer in der Nähe des Dorfes Larga im Norden des Landes gefunden. "Wir verurteilen die heutigen gewaltsamen Angriffe auf das Schärfste", fügte Sandu hinzu.

Großbritannien liefert Kampfpanzer an Ukraine

Großbritannien kündigte unterdessen die Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine an. Die Bereitstellung der Panzer vom Typ Challenger 2 sowie zusätzlicher Artilleriesysteme solle der ukrainischen Armee dabei helfen, "die russischen Truppen zurückzudrängen", sagte Premierminister Rishi Sunak nach Regierungsangaben in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

Großbritannien ist damit das erste westliche Land, das der Ukraine schwere Kampfpanzer liefert - die von Frankreich angekündigten AMX-10 RC sind leichte Kampfpanzer.

Selenskyj begrüßt Entscheidung

Wann und wie viele Panzer geliefert werden sollen, wurde nicht mitgeteilt. Britischen Medienberichten zufolge sollen vier Challenger 2 des britischen Heeres sofort nach Osteuropa geschickt werden, acht weitere sollen demnach in Kürze folgen. Der ukrainische Präsident begrüßte die britische Entscheidung. Sie werde nicht nur die Ukraine "auf dem Schlachtfeld stärken", sondern sende auch "das richtige Signal an andere Partner", schrieb Selenskyj auf Twitter.

Die Ukraine bemüht sich seit Monaten intensiv um die Lieferung von Kampfpanzern, darunter solche des Typs Abrams aus den USA und des Leopard 2 aus Deutschland. Westliche Regierungen reagierten bislang zurückhaltend, erst seit diesem Monat scheint es Bewegung in der Frage zu geben. Polen hatte am Mittwoch seine Bereitschaft erklärt, der Ukraine im Rahmen einer internationalen Koalition 14 Leopard 2-Kampfpanzer bereitzustellen. Dafür wäre allerdings eine Genehmigung vom Herstellerland Deutschland nötig.

Folgt bald die Lieferung von Leopard-Panzern?

Der Druck auf Berlin dürfte nach der britischen Entscheidung zunehmen. Die Bundesregierung lehnte eine Leopard-Lieferung bislang aber unter dem Verweis ab, andere Verbündete hätten auch keine modernen Kampfpanzer an die Ukraine abgegeben. Dahinter stand auch die Befürchtung, die Nato könne in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden. Panzer gelten als wichtig für die Rückeroberung besetzter Gebiete. Bislang erhielt die Ukraine aber nur Kampfpanzer aus sowjetischer Produktion, die im Bestand osteuropäischer Nato-Länder waren.

Insgesamt ist der Leopard 2 ein sehr viel weiter verbreiteter Panzer als der Challenger 2. Außer Großbritannien hat bislang nur der Golfstaat Oman den britischen Panzer im Bestand. Das macht ihn angesichts möglicher Lieferanten und der Verfügbarkeit von Munition und Ersatzteilen weniger attraktiv für Kiew als den Leopard, den weltweit insgesamt 20 Länder nutzen.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Soledar laut Gouverneur weiter unter Kontrolle der Ukraine

Die ukrainischen Behörden haben derweil erneut der Darstellung Russlands widersprochen, die ostukrainische Kleinstadt Soledar sei von russischen Truppen erobert worden. "Soledar wird von den ukrainischen Behörden kontrolliert, unser Militär kontrolliert es", sagte Regionalgouverneur Pawlo Kyrylenko im Staatsfernsehen. Es gebe weiterhin Kämpfe "in und außerhalb der Stadt". Soledar und die nahe gelegene Stadt Bachmut seien die "heißesten" Punkte an der Frontlinie.

Das russische Verteidigungsministerium hatte am Freitag erklärt, die "Befreiung" von Soledar durch russische Truppen sei "abgeschlossen". Zwei Tage zuvor hatte die russische Söldnertruppe Wagner behauptet, sie habe Soledar erobert. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.

Mit Informationen von AFP, AP, dpa und Reuters

Rakete in Hochhaus in Dnipro eingeschlagen
Bildrechte: Ukrainisches Präsidialamt/Handout via REUTERS
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Rakete in Hochhaus in Dnipro eingeschlagen

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