Menschen warten im Standesamt München vor einem Büro um ihren Kirchenaustritt zu beantragen.
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Menschen warten im Standesamt München vor einem Büro um ihren Kirchenaustritt zu beantragen.

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Nach Missbrauchsgutachten Rekord an Kirchenaustritten in München

Das Münchner Missbrauchsgutachten hat die katholische Kirche in Deutschland erschüttert - mit dramatischen Folgen und einem drastischen Negativrekord: "Wir hatten so viele Kirchenaustritte wie noch nie", heißt es von der Stadt München.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Die bayerische Landeshauptstadt meldet nach dem Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München und Freising einen Rekord an Kirchenaustritten. "Wir hatten so viele Kirchenaustritte wie noch nie", sagte der Sprecher des Kreisverwaltungsreferates München, Johannes Mayer, der Deutschen Presse-Agentur.

Über 14.000 Austritte in sechs Monaten

Zwischen dem 1. Januar und dem 22. Juni dieses Jahres traten demnach in München 14.035 Menschen aus der Kirche aus - über alle Konfessionen hinweg. Im gleichen Zeitraum 2021 waren es 10.472 und 2019 mit 7.556 noch deutlich weniger. Die Zahl 5.538 aus den ersten sechs Monaten im ersten Corona-Jahr 2020 nannte Mayer wegen des Lockdowns schlecht vergleichbar.

Anwaltskanzlei: Münchner Erzbischöfe haben sich falsch verhalten

Die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte am 20. Januar ein Gutachten im Auftrag des Erzbistums München und Freising vorgestellt. Die Gutachter gehen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, zugleich aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus - und davon, dass Münchner Erzbischöfe - darunter auch der spätere Papst Benedikt XVI. - sich im Umgang damit falsch verhalten hätten.

Klage gegen Papst Benedikt XVI.

Erst in dieser Woche wurde bekannt, dass am Landgericht Traunstein eine Feststellungsklage eines Missbrauchsopfers gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI., gegen das Erzbistum München-Freising sowie den früheren Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter anhängig ist.

Mit Blick auf Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt, heißt es demnach in der Klageschrift, dieser habe als Kardinal "Kenntnis von allen Umständen" gehabt und habe es "zumindest billigend in Kauf genommen, dass dieser Priester ein Wiederholungstäter ist". Mit einer Feststellungsklage ist zwar keine strafrechtliche Verfolgung verbunden, möglicherweise wird aber die Schuld festgestellt.

Kirchenaustritte auch in Regensburg, Augsburg und Ingolstadt

Nicht nur in München laufen der Kirche die Mitglieder in Scharen davon: In Regensburg, der Stadt, in der Ratzinger lebte und lehrte und wo auch sein Bruder Georg bis zuletzt wohnte, stieg die Zahl der Austritte auf 2.073 - im Vergleich zu 1.239 im Vorjahreszeitraum. In Augsburg waren es 2.068 Austritte im Vergleich zu 1.406 im gleichen Zeitraum 2021, Ingolstadt zählte 1.260 Austritte (Vergleichszeitraum 2021: 699).

Deutschlandweiter Rekord der Austrittszahlen

Auch deutschlandweit sind im vergangenen Jahr so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie noch nie. 359.338 Katholiken kehrten ihrer Kirche allein 2021 den Rücken, wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am heutigen Montag in Bonn mitteilte. Das ist ein neuer Negativ-Rekord. "Für uns ist das die bisher höchste Zahl", sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp. Die katholische Kirche zählte noch 21.645.875 Mitglieder - das macht 26 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing zeigte sich "zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl von Kirchenaustritten". Die Zahl sei Zeugnis einer "tiefgreifenden Krise, in der wir uns als katholische Kirche in Deutschland befinden", sagte er.

2020 hatten mit 221.390 Menschen noch deutlich weniger Katholiken die Kirche verlassen, 2019 - im Jahr vor Corona - lag die Zahl nach DBK-Angaben bei 272.771.

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