Der Angeklagte im Hanna-Prozess neben seiner Rechtsanwältin Regina Rick
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Der Angeklagte im Hanna-Prozess sitzt neben seiner Rechtsanwältin Regina Rick im Gerichtssaal des Landgerichts Traunstein (19.3.2024).

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Mordfall Hanna: Warum diese Revision besonders ist

Neun Jahre Haft für den Angeklagten – so lautet das Urteil des Landgerichts Traunstein nach dem gewaltsamen Tod der 23-jährigen Hanna. Die Verteidigung hat Revision eingelegt. Nun blicken die Anwälte gespannt nach Karlsruhe, zum Bundesgerichtshof.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Das Urteil ist gesprochen und die 50 Minuten lange Urteilsverkündung der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler abgeschlossen. Draußen vor dem Gerichtssaal warten im Anschluss sehr viele Reporter, Kameras und Mikrofone auf die Prozessbeteiligten. Gleich nach dem Urteil ist die bereits angekündigte Revision der Verteidigung ein großes Thema.

Besonderes Interesse an Revision im Hanna-Prozess

Offenbar blicken auch viele Anwälte mit einem besonderen Interesse auf diese Revision. Das Verfahren ist auf breite Aufmerksamkeit gestoßen. Er bekomme Anrufe von Kollegen aus ganz Deutschland, erzählt der Anwalt Peter Dürr, Vorsitzender des Anwaltvereins Rosenheim. Und zwar wegen einer formaljuristischen Angelegenheit. Da sei wirklich "noch eine kleine Bombe" drinnen, denn die Verfahrensrüge sei nicht ganz ohne, sagt Dürr im BR-Interview und meint damit die Ablehnung des Befangenheitsantrags im Hanna-Prozess.

Bundesgerichtshof prüft Verfahren

Kann an der Objektivität des Gerichts gerüttelt werden? Darum gehe es im Kern, wenn der Verdacht der Befangenheit ins Spiel komme, erklärt Peter Dürr. Juristen sprechen von "der Besorgnis der Befangenheit".

Um was es konkret beim Traunsteiner Verfahren geht: Es gab offenbar einen Mail-Verkehr zwischen einem Staatsanwalt und der Vorsitzenden Richterin von Anfang Januar, in dem sich beide über den möglichen Tatablauf ausgetauscht haben sollen – zu einem frühen Zeitpunkt, denn damals waren schon Termine bis zum 5. März angesetzt. Die "Bild"-Zeitung hatte zuerst berichtet. Die Verteidigung stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen die Richter, der zurückgewiesen wurde.

Genau dieser Sachverhalt - der Mailverkehr - ist es, mit dem sich der Bundesgerichtshof (BGH) wird befassen müssen, schätzt Peter Dürr. Es gehe um die Frage, ob die Verteidigung hier nicht hätte mit eingebunden werden müssen, etwa in Form eines Rechtsgesprächs. Dürr rechnet mit einer Entscheidung des BGH bis Anfang 2025. Eine solche Dauer für die Bearbeitung sei normal.

Auch Strafexperte sieht mögliche Verfahrensfehler

Auch der Münchner Fachanwalt für Strafrecht, Konstantin Grubwinkler, sieht bei diesem Indizienprozess mögliche Verfahrensfehler. Konkret nannte der Strafrechtsexperte in einem BR-Interview zwei Anhaltspunkte: So habe das Gericht einen Beweisantrag abgelehnt. Dabei hätte ein Sachverständiger dazu gehört werden sollen, ob das Handy der Toten aufgrund des Wassers von selbst gewählt haben könnte. "Diesen Beweisantrag hat das Gericht abgelehnt und Beweisanträge kann das Gericht nur unter engen Voraussetzungen ablehnen. Und wenn hier beim Gericht ein Fehler passiert ist, wäre das ein Revisionsgrund", so Grubwinkler.

Knackpunkt: Ablehnung der Befangenheit

Als zweiten und "klassischen Revisionsgrund" nannte er, ebenso wie Dürr, die Ablehnung der Befangenheit. Auch Grubwinkler verweist auf den angeblichen E-Mail-Austausch zwischen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft. Darin hätten sich die Beteiligten geduzt und mit Vornamen angesprochen. "Wenn ich jetzt der Angeklagte wäre und Gericht und Staatsanwaltschaft duzen sich in E-Mails und besprechen quasi, wie es jetzt im Verfahren weitergeht, hätte ich schon die Besorgnis, dass ich dann nicht ganz objektiv betrachtet werde, sondern dass sich das Gericht schon sicher ist, dass ich verurteilt werde", führte der Experte in dem BR-Interview aus.

Laut Grubwinkler liegt die Erfolgsaussicht bei einer Revision statistisch gesehen "deutlich unter zehn Prozent". Nach Einschätzung des Experten könne sie in diesem Fall aber höher liegen.

"Urteil wird halten"

Die Eltern der getöteten Hanna traten im Prozess als Nebenkläger auf. Ihr Anwalt, Walter Holderle, ist sich sicher, dass das Urteil vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird. Er findet, dass der Sachverhalt sowohl von der Polizei als auch vom Gericht sehr sorgfältig aufgearbeitet worden ist. Seiner Einschätzung nach wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofes sogar ohne mündliche Verhandlung erfolgen.

Mit Material von dpa

Im Video: 9 Jahre Jugendstrafe für Angeklagten im Mordfall Hanna (19.3.2024)

Im Prozess um den Tod der Studentin Hanna ist der Angeklagte zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter in Traunstein sprachen ihn schuldig, die junge Frau im Oktober 2022 ermordet zu haben.
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Im Prozess um den Tod der Studentin Hanna ist der Angeklagte zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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