Ein Teil des sichergestellten Bargeldes von der Festnahme in Burgau / Schwaben.
Bildrechte: PP Oberbayern Süd

Ein Teil des sichergestellten Bargeldes von der Festnahme in Burgau / Schwaben.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Millionenbeute für Betrüger – Schockanrufe "noch brutaler"

Die sogenannten Schockanrufe haben den "Enkeltrick" und falsche Polizisten abgelöst: Die Täter erzielen Millionensummen. Immer wieder gelingen Festnahmen, wodurch sich die Ermittler neue Infos über die Hintergründe der Bandenstrukturen erhoffen.

Der Täterkreis stammt nach Erkenntnissen der Ermittler überwiegend aus Polen und war bereits mit dem Enkeltrick vor Jahren sehr erfolgreich. Damals riefen Täterinnen und Täter an und gaben sich als nahe Angehörige aus, die etwa für einen Hauskauf dringend eine größere Geldsumme leihen müssten.

Nach dem Enkeltrick riefen falsche Polizisten an. Sie erklärten den Opfern, ihr Vermögen wäre in Gefahr, weshalb sie es vorsichtshalber der Polizei für eine Weile überlassen sollten. Diese Täter betrieben Callcenter in der Türkei, wo es schließlich zu einer Reihe von Festnahmen in mehreren Städten und der Sicherstellung von Millionenwerten kam. Dutzende Personen wurden festgenommen, die meisten verurteilt zu Strafen von bis zu 400 Jahren Haft. Die betrügerischen Anrufe aus der Türkei versiegten, an ihre Stelle rückten die Schockanrufe.

Eine Mischung aus Enkeltrick und falschen Polizisten

Die Schockanrufe verbinden wesentliche Elemente der Vorgänger-Varianten miteinander. Es meldet sich zunächst eine verzweifelte Person, deren Stimme durch intensives Schluchzen nicht erkannt werden soll. Stattdessen haben die Opfer eine Vermutung, nennen einen Namen aus der Verwandtschaft. Die vermeintlich verzweifelte Person übernimmt sogleich diesen Namen und erklärt mit erstickter Stimme, er oder sie hätte einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht.

Das Telefon wird dann weitergereicht an einen angeblichen Polizeibeamten oder Staatsanwalt, der dann eine hohe Kaution verlangt, um eine Untersuchungshaft zu vermeiden. Nicht selten kratzen die Opfer ihr Hab und Gut zusammen, um die geforderte sechsstellige Summe oder einen Teil davon zu übergeben. Mit der Übergabe sind sie Geld, Gold oder Schmuck los – alles von Wert wird von den Verbrecherbanden akzeptiert.

Was die Täter so erfolgreich macht

Schon beim Betrug durch falsche Polizisten wurden die Opfer psychisch unter Druck gesetzt. Das sei jetzt bei den Schockanrufen noch brutaler und perfider, sagt Hans-Peter Chloupek, Leiter der Arbeitsgruppe Phänomene im Münchner Polizeipräsidium. Bei den Anrufen gehe es nicht mehr um das Vermögen der Betroffenen, sondern darum, Angehörige aus einer sehr schwierigen Lage zu helfen, so dass es noch schwieriger für die Opfer sei, aus dieser Sache rauszukommen.

Betrug geahnt und trotzdem bezahlt

Eine 86-jährige Münchnerin verlor im Herbst 15.000 Euro an Schockanrufer, obwohl sie ahnte, dass ein Betrug vorliegen könnte. Aber dann kam das Weinen der angeblichen Enkelin am anderen Ende der Leitung. "Sie hat gesagt, da ist jemand gestorben und ich komm' ins Gefängnis. Das hat mich ganz fertiggemacht." Sie habe deshalb "nicht anders gekonnt als das zu machen, was der Staatsanwalt gesagt hat". Der natürlich kein echter Staatsanwalt war.

Millionenbeute für die Betrüger

Die Täter scheffeln mit dieser Masche ein Vermögen. Allein in München erbeuteten sie seit Jahresbeginn mehr als vier Millionen Euro, ein Viertel davon seit Anfang November. Neben der Masche haben sich laut Chloupek auch die Bandenstrukturen verändert. Während die Beute früher direkt an die Bandenzentrale weitergegeben wurde, durchläuft sie jetzt mehrere Stationen in europäischen Ländern, so dass durch intensive Geldwäsche der Weg des Geldes für die Ermittler kaum nachzuverfolgen ist.

Fahndungserfolge als Motivationsschub

Immerhin gelingen regelmäßig Festnahmen von Abholern. In der vergangenen Woche wurden drei polnische Staatsangehörige in Huglfing im Landkreis Weilheim-Schongau, in Mittenwald im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und in Burgau im Landkreis Günzburg gefasst. Zuvor soll der in Burgau festgenommene 38-Jährige bei zwei Abholungen in München mehr als 220.000 Euro erbeutet haben.

Neben dem Bargeld wurden bei den Männern 1,5 Kilogramm Goldmünzen (Krügerrand) und 600 Gramm Goldschmuck sichergestellt. Die drei Männer im Alter von 21, 34 und 38 Jahren kamen in Untersuchungshaft. An dem Ermittlungserfolg war auch das Landeskriminalamt Tirol beteiligt, nachdem eine österreichische Seniorin für eine Geldübergabe nach Bayern gelockt worden war. Mit jeder Festnahme erhoffen sich die Ermittler neue Hinweise zur Aufhellung der Bandenstrukturen.

Bildrechte: PP Oberbayern Süd
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Die sichergestellten Wertgegenstände von der Festnahme in Mittenwald

Ermittler gehen in die Offensive

Um die Aufklärung in der Bevölkerung voranzutreiben, hat die Polizei jetzt den Mitschnitt eines Schockanrufs veröffentlicht. Der gelang, weil der 81-jährige Münchner Hubert Gärtner wusste, dass soeben Betrüger bei ihm zuhause anriefen. Er konnte mit einem zweiten Telefon heimlich die Polizei hinzuziehen, in der Einsatzzentrale wurde das Gespräch mitgeschnitten.

Als es zur Abholung der angeblichen Kautionszahlung kommen sollte, zu der sich der Pensionär zum Schein bereit erklärt hatte, nahm die Polizei den Abholer fest. "Ein junger Kerl, der rief sofort nach seiner Mama", stellte Gärtner mit Genugtuung fest.

Die Münchner Polizei hat den Schockanruf, wie ihn Hubert Gärtner erlebt hat, in einem knapp neun Minuten langen Video zusammengestellt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!