Anwälte, Angeklagte und Richter im Gerichtssaal am Landgericht Nürnberg-Fürth
Bildrechte: BR/Susanne Schmidleitner

Der Hauptangeklagte im familiengeführten Pflegedienst wird in 700 Fällen schuldig gesprochen und erhält eine langjährige Haftstrafe.

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Millionenbetrug: Haftstrafe für Pflegedienstbetreiber

Ein Pflegedienst aus Würzburg hat die Pflegekassen um 3,3 Millionen Euro betrogen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Betreiber zu einer langjährigen Haftstrafe. Die Pflegekräfte waren nur angelernt, die Patienten teils schlecht versorgt.

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Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Betreiber eines Pflegedienstes aus dem Raum Würzburg wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Mann als Chef eines familiengeführten Pflegedienstes in rund 700 Fällen betrügerische Abrechnungen zu Lasten der Krankenkassen vorgenommen hatte. Den Kassen war so ein Schaden in Höhe von 3,3 Millionen Euro entstanden.

Vater und Sohn verurteilt, Frau freigesprochen

Mit dem Urteil blieb das Gericht nur knapp unter der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, die eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren gefordert hatte. Der mitangeklagte Sohn des Mannes wurde wegen Beihilfe zum Betrug zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Hier hatte die Anklage in ihrem Plädoyer eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren beantragt. Die Ehefrau des Hauptangeklagten wurde, wie auch von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, freigesprochen.

Pflegedienst ohne Pflegefachkraft

Die fehlende fachberufliche Qualifikation war einer der Knackpunkte in dem Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth. Um Leistungen bei den Kranken- und Pflegekassen abrechnen zu können, muss zwingend eine Pflegefachkraft eingesetzt werden. Diese Ausbildung hatte aber keiner in der angeklagten Familie: Der 57 Jahre alte Vater ist gelernter Schneider. Die 48-jährige Mutter hat eine nicht abgeschlossene Lehre als Friseurin. Der 27 Jahre alte Sohn ist gelernter Kaufmann für Büromanagement. Die Drei hatten auch keine Pflegefachkräfte angestellt, sondern ihre Beschäftigten lediglich angelernt.

Im Laufe des Verfahrens wurde auch festgestellt, dass viele Unterlagen fehlten oder unvollständig waren. Auch keiner der Beschäftigten des ambulanten Pflegedienstes habe über eine entsprechende Qualifikation als Pflegefachkraft verfügt. Eine solche ist allerdings vorgeschrieben, unter anderem, um die Qualität der Pflege zu sichern. Wegen des Fehlens dieser Fachkraft soll es möglich gewesen sein, die Dokumentation der Leistungen nach eigenem Ermessen zu ändern, um nicht erbrachte Leistungen vorzutäuschen und die Qualität der Leistungen des Pflegedienstes auf ein Minimum zu reduzieren.

Pflegepatienten in schlechtem Zustand

Dass die Angeklagten die Leistungen ihres Pflegedienstes wegen des Fehlens einer Pflegefachkraft gar nicht bei den Kassen hätten abrechnen dürfen, ist das eine. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, inwiefern die Pflegepatienten darunter gelitten haben. Laut Staatsanwaltschaft ist genau das der Fall. Die Qualität der Leistungen in dem ambulanten Pflegedienst seien "auf ein Minimum" reduziert worden.

Kein Wort des Bedauerns

Bei einer Razzia in einem Anwesen in Kitzingen sind nach BR-Recherchen im vergangenen Herbst fünf dem Pflegedienst anvertraute Personen aufgefunden worden, in teils erschreckendem gesundheitlichem und hygienischem Zustand.

Diesen Punkt nahm auch der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung auf. Es sei sehr schade, dass von keinem der Angeklagten während der 30 Verhandlungstage je ein Wort des Bedauerns im Hinblick auf die schlecht versorgten Patienten gekommen sei, betonte der Richter.

Während es in dem Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth vorrangig um den Abrechnungsbetrug ging, läuft bei der Staatsanwaltschaft Würzburg noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung.

Luxusleben als Motiv?

Laut Staatsanwaltschaft hatten das Würzburger Ehepaar und ihr Sohn versucht, sich durch den Abrechnungsbetrug eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen und ihr "Luxusleben" finanziert. Berichten zufolge soll die Familie teure Autos, eine Villa mit Pool und weitere Immobilien besessen haben.

Anonymer Hinweis führte zu Anklage

Der Fall wurde am Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt, weil die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg nach einem anonymen Hinweis Anklage erhoben hatte. Es ging um Betrugsvorwürfe in 1.022 Fällen.

Im Prozess haben Zeugen Einblicke in die Kontrollen und Überprüfungen von Pflegebetrieben gewährt. Dabei wurde klar: Die Kontrollen sind kein wirksames Instrument, um Missstände oder Betrug aufzudecken. Wenn sie wollten, könnten Pflegebetriebe kritische Vorgänge ohne weiteres verschleiern, erklärte eine Zeugin des zuständigen Medizinischen Dienstes aus Aschaffenburg. Denn die Kontrollen würden stets angekündigt.

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