Die Meilerhütte vom Deutschen Alpenverein auf 2.374 Meter Höhe im Wettersteingebirge thront wie ein Adlerhorst in den Felsen.
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Die Meilerhütte vom Deutschen Alpenverein auf 2.374 Meter Höhe im Wettersteingebirge thront wie ein Adlerhorst in den Felsen.

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Meilerhütte: Leben und Arbeiten hoch über den Wolken

Die Meilerhütte ist ein spektakulärer Arbeitsplatz: Marisa Sattlegger lebt und arbeitet vier Monate auf einer der höchsten Schutzhütten in den bayerischen Alpen: Ohne Internet, Dusche und Spültoilette. Sie hat ihren eigenen Blick auf die Welt im Tal.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Nur einmal in der Woche kommt Versorgung aus dem Tal. Die Materialseilbahn ist die einzige Verbindung zur Zivilisation und für Marisa ein Segen. Ohne sie wäre die Versorgung um einiges komplizierter. Keine Straße führt auf die entlegene Schutzhütte des Deutschen Alpenvereins. Die Versorgung mit einem Hubschrauber ist nicht nur teuer, sondern auch begrenzt. Dank der Materialseilbahn kann die Meilerhütte gut mit Lebensmitteln, Getränken und dem ein oder anderen Sonderwunsch versorgt werden.

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Die Materialseilbahn ist die einzige direkte Verbindung zur Zivilisation.

Gummibärchen und Schokolade nur auf Vorbestellung

Was unten im Tal kein Problem ist, weil der nächste Supermarkt um die Ecke liegt, wird hier oben zur Bewährungsprobe. Hat Marisa Lust auf Schokolade oder Gummibärchen, kann dies nicht so einfach befriedigt werden. Der Weg runter ins Tal dauert Stunden, bis zur nächsten Lieferung per Materialseilbahn dauert es oft zu lang. Da ist die Lust auf Schokolade oder Gummibärchen längst vergangen, sagt Marisa lachend. Für sie ist es kein Problem - so bleibt sie wenigstens schlank.

Doch die Logistik auf über 2.300 Meter Höhe ist nicht zu unterschätzen. Je nach Wetter und Übernachtungsgästen wird die Einkaufsliste geschrieben. Heute bringt die Materialseilbahn Zucker, Mehl, frische Eier und mehrere Säcke Kartoffeln. Ihr Onkel hat die Sachen im Tal gekauft und zur Materialseilbahn gebracht. Ist alles beladen, wird der Korb mit 250 kg Tragkraft nach oben geholt und ins Vorratslager gebracht.

Kein Internet, keine Dusche, nicht mal eine Spültoilette

80 Betten hat die Meilerhütte. An schönen Tagen kommen dann noch viele Bergsteiger und Wanderer, die rasten. Eigentlich betreibt Marisa ein Hotel und ein Restaurant auf 2.300 Meter Höhe, doch die Bedingungen sind herausfordernd. Zwar gibt es seit einigen Jahren - wegen einer Photovoltaikanlage - wenigstens Strom. Doch Internet vermissen die Gäste nach wie vor. Marisa erzählt gern, wie Bergsteiger verzweifelt mit dem Handy nach einem Netz suchen, doch hier oben ist Digital-Detox inklusive.

Für die Hüttenwirtin ist das kein Problem, die Monate auf der Hütte lebt sie ganz in ihrer eigenen Welt. Nachrichten aus dem Tal kommen nur spärlich zu ihr, das hat auch ihr Gutes, meint sie. Von klein auf lebt sie den Sommer über auf der Meilerhütte. Schon ihre Eltern haben das DAV-Schutzhaus betrieben. 1974 haben sie die Hütte gepachtet, seit 1994 ist Marisa die Wirtin. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit, wo es keinen Strom gab. Nur Taschenlampen sorgten damals im Dunkeln für Licht, doch das ging auch nur begrenzt, weil die Batterien schnell leer waren. Für Marisa ist es auch kein Problem, dass Duschen nur mit einem Eimer geht und die Trockentoilette eher an einen Campingplatz als an ein Hotel erinnert. Doch nicht alle Gäste sehen das so, das Anspruchsdenken sei gestiegen, meint Marisa.

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Für Marisa Sattlegger ist und bleibt die Meilerhütte der schönste Arbeitsplatz.

Weniger ist mehr und sorgt für mehr Leichtigkeit

Unten im Tal gäbe es alles im Überfluss. Ob Strom, fließend Wasser oder Gummibärchen, so Marisa. Heroben lebe man nur von dem, was man habe. Das mache bescheiden, zeige aber auch, dass vieles gar nicht benötigt werde. Jeden Sommer hat die Hüttenwirtin auch Unterstützung von jungen Helfern. Sie machen eine Auszeit vom Studium oder der Arbeit und packen für ein paar Wochen mit an. Der 18-jährige Felix Pilz aus Wiesloch nahe Heidelberg ist einer von ihnen. Für sechs Wochen ist er auf der Hütte: Hilft beim Bedienen oder Bettenmachen. Er genießt die Zeit oben über den Wolken. So wie jetzt habe er noch nie im Moment gelebt. Stunden, Tage, Wochen würden verschmelzen. Auch Marisa bestätigt diese Leichtigkeit auf dem Berg. Auch nach so vielen Jahren fasziniere sie das immer noch. Den ganzen Sommer lebe sie in ihrer ganz eigenen Welt zwischen Kaiserschmarrn und Gewitterfront. Erst dann, wenn es im Oktober wieder ins Tal gehe, hole sie die Hektik, Nachrichten und der Lärm wieder ein und wenn es dann Frühjahr werde, sei es wieder höchste Zeit, den ganzen Trubel hinter sich zu lassen.

Weniger Stress und Hektik als Tipp für die da unten

Ein Pflichttermin für Marisa ist der Sonnenuntergang. Direkt aus ihrem Küchenfenster sieht sie es, wie sich die Sonne senkt und - klar - da bleibe dann alles liegen und stehen. Auf der Meilerhütte ticken die Uhren langsamer, auf jeden Fall in solchen Momenten. Auch wenn der ein oder andere Wanderer das nicht versteht und auf die Uhr schaut, wenn der Kaiserschmarrn nicht nach ein paar Minuten auf dem Tisch steht. Viele seien getrieben vom Freizeitstress. Schnell hoch auf den Berg, Kaiserschmarrn als Belohnung und dann ratzfatz wieder runter. Marisa wäre es lieber, wenn die Menschen die Hektik und den Stress im Tal lassen würden. Sie lebt im Hier und Jetzt und genießt es, wenn die Zeit etwas stehenbleibt, wenn sich die Sonne wieder mal über die Bergspitzen senkt.

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Diesen Moment genießt Marisa Sattlegger - Abendstimmung auf der Meilerhütte.

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