"Die Markthalle" in Lohr am Main
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"Die Markthalle" in Lohr am Main

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Markthalle 2.0: Wie Lohr gegen Leerstände in der Stadt vorgeht

Viele Städte in Bayern haben mit Leerständen zu kämpfen, die Zentren drohen auszusterben. Auch im unterfränkischen Lohr am Main sind viele Geschäfte verwaist. Hier startet jetzt ein Projekt, das auch Vorbild für andere Städte werden könnte.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Die kleine Stadt Lohr am Main im Landkreis Main-Spessart besticht durch ein malerisches Zentrum mit vielen Fachwerkfassaden, der Geist von Schneewittchen schwebt über den engen Gassen der Altstadt. Doch sobald sich der Blick nach unten senkt, etwa auf Höhe der Schaufenster, erblicken die Augen vor allem eines: gähnende Leere. Denn viele Geschäfte in der Lohrer Innenstadt stehen seit Jahren leer. Jetzt hat die Stadt einen der größten Leerstände im Herzen des Zentrums reaktiviert, um es wieder Leben mit Leben zu füllen. Auf 450 Quadratmetern erstreckt sich "Die Markthalle" im Erdgeschoss eines ehemaligen Supermarktes.

Mehr Aufenthaltsqualität statt klassischer Konsumtempel

"Wir sind keine klassische Markthalle, sondern wir wollen ein Ort für Aufenthaltsqualität sein, mitten am Lohrer Marktplatz", erklärt Projektleiterin Angelika Winkler von der Werbegemeinschaft Lohr im Gespräch mit BR24. Das Besondere sei, dass das Sortiment dabei immer wieder wechselt – etwa über das Aufstellen von Pop-Up-Ständen. Händler und Händlerinnen aus der Region können sich für einen Tag, eine Woche, einen Monat oder auch ein Jahr in der Markthalle 2.0 einmieten und ihre Produkte und Waren dort verkaufen oder einfach nur präsentieren und die Markthalle als Showroom nutzen. Sei es ein Autohändler für E-Autos oder ein Möbelhändler, der seine Wohnaccessoires dort verkaufen will. Auch ein To-Go-Gastro-Bereich mit Sitzplätzen und einer öffentlichen, barrierefreien Toilette gehört dazu.

Bunter Mix aus allen Lebensbereichen

Die Angebotspalette in der Markthalle 2.0 reicht von Autos im Showroom, über Gewürze und Skateboards in Pop-Up-Stores, bis hin zu Mode und Biohofprodukten – alles in einem Raum mit fließendem Übergang. Abgerundet wird das Konzept durch Veranstaltungen wie After-Work-Partys oder Lesungen. Sogar ein Kino soll es geben, jeden ersten Samstag im Monat. Das hat in Lohr schon lange Zeit gefehlt, sagt Angelika Winkler: "Kino ist eine sehr preisintensive Veranstaltung, aber wir würden uns sehr freuen, wenn das Ganze reger angenommen wird. Und die Tickets können online und vor Ort gekauft werden."

Erlebnischarakter wird immer wichtiger

"Die Erwartungen der Menschen an eine Innenstadt sind gewachsen. Sie haben Ansprüche, sie wollen was erleben. Sie brauchen Aufenthaltsräume, um sich zu treffen", sagt Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern in Unterfranken zu BR24. Eine Markthalle wie die in Lohr biete die Chance, Wirtschaftsstandort zu bleiben plus weitere Bereiche zu öffnen, die Leben in die Stadt bringen – auch ohne zwangsweise etwas konsumieren zu müssen, so Wedde. Wichtig sei dabei, etwas "Neues" zu bieten, einen Mehrwert, der die Menschen wieder in die Innenstadt zieht. Die Markthalle sei ein tolles Konzept, das aufgehen könnte: "Die Männer schauen sich ein neues E-Auto an und die Frauen gehen Kleider shoppen." Er finde "Die Markthalle" total super, sagte er nach einem ersten Besuch.

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Im Inneren der neueröffneten "Markthalle 2.0" in Lohr am Main

"Leuchtturm-Projekt für ganz Bayern"

Derzeit präsentieren sich in der Markthalle 2.0 drei Autohäuser, ein E-Bike-Center, ein Raum- sowie ein Bad-Designer, ein Biohof, ein Teppichhändler, eine Bank und ein Immobilienhändler. Die Besucher können sich außerdem über Elektromobilität und Solarstromerzeugung informieren. Als Pop-Up-Stand – also nur für einige Wochen – ist ein Gewürz- und Skateboard-Händler vertreten. Durch saisonale oder aktuelle Angebote und ein ständig wechselndes Sortiment sollen die Kunden dazu animiert werden, wiederzukommen.

"Die Markthalle wird ein Leuchtturm-Projekt aus Main-Spessart für ganz Bayern", sagt Projektleiterin Angelika Winkler. "Viele Innenstädte klagen über Leerstand und auch mittlerweile über große Flächen. So war unser Leerstand ein 450 Quadratmeter großer, ehemaliger Lebensmitteleinzelhandel." In anderen Städten sei es vielleicht ein Galeria Kaufhof oder ein Karstadt, der schließen müsse. Volker Wedde vom Handelsverband Bayern sieht in der Markthalle 2.0 das Potential, als Impulsgeber für ganz Bayern zu dienen – vorausgesetzt es handelt sich um leerstehende Geschäfte von ähnlicher Größe.

Handelsverband: Innenstädte müssen sich Strukturwandel stellen

Gefördert wird "Die Markthalle" durch das bayerische Wirtschaftsministerium mit einer Summe von 75.000 Euro im Rahmen des Förderprogramms "Leerstand beheben". Die Werbegemeinschaft, die Stadt und Händler mit ihrer Miete bringen noch einmal diese Summe ein, dazu kommen Sponsorengelder.

Generell müssten sich die meisten Innenstädte dem Strukturwandel stellen, auch wenn die bayerischen Städte immer noch über eine gute Struktur verfügen, sagt Volker Wedde vom Handelsverband Bayern. Gerade in kleinen Städten stünden größere Flächen länger leer. Vor diesem Problem steht auch die Stadt Schweinfurt. Erst vor wenigen Wochen hat Galeria Kaufhof die Ladentüren endgültig zugemacht. Hier gebe es einfach zu viel Einkaufsfläche, die zu weit auseinandergezogen sei, von der Innenstadt über die Stadtgalerie bis in den Hafen, erklärt Volker Wedde vom Handelsverband Bayern. Wedde kann sich vorstellen, dass ein Konzept wie die Markthalle 2.0 auch in Schweinfurt funktioniert – im ehemaligen Galeria-Kaufhof-Gebäude als Schnittstelle zwischen Innenstadt und Stadtgalerie, in der allein über 30 Geschäfte leer stehen.

Langer Kampf gegen das Innenstadtsterben

Aber es gab und gibt auch in der kleinen Spessartstadt Lohr noch andere Initiativen, dem Leerstand den Kampf anzusagen. Ab 2022 konnten sich angehende Geschäftsleute erstmals mit einem innovativen Konzept für das Förderprogramm "Lohrer Starthilfe" bewerben.

Dafür holte sich die Spessartstadt Fördermittel aus dem Sonderfonds "Innenstädte beleben" des Freistaates Bayern. Dessen Ziel war die Stärkung von Innenstädten und Ortskernen, die durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt worden waren. Der Stadt Lohr wurden knapp 42.000 Euro bewilligt. Dieses Budget ist mittlerweile fast aufgebraucht, hat aber sechs Gründerinnen und Gründer darin beflügelt, ihren Traum vom eigenen Geschäft in schönster Innenstadtlage zu verwirklichen. Bis zu maximal zwei Gründungen könnten noch finanziert werden, so Citymanagerin Simone Neubauer, die sich für eine Fortsetzung der städtischen Hilfe stark macht.

Pop-Up-Stores als Testphase

Weil die Neugründung eines Unternehmens mit vielen Herausforderungen verbunden ist, will die Stadt Interessierten den Einstieg in das Geschäftsleben maßgeblich erleichtern. Eigene Geschäftsideen dürfen sie für drei Monate als Pop-Up-Konzept austesten oder über zwei Jahre etablieren. Die Vorteile für sie liegen auf der Hand: Die Gründer können ihre Geschäftsidee in der Lohrer Innenstadt unkompliziert und mit geringeren Einstiegshürden realisieren. Und die Stadt übernimmt dabei zu einem großen Teil die Mietkosten – bislang mit der staatlichen Förderung.

Guter Start dank günstiger Laden-Miete

Bei der "Lohrer Starthilfe" hat das Rathaus sich mit Eigentümern und Hausbesitzerinnen darauf verständigt, leerstehende Läden für jeweils 70 Prozent der Altmiete zu übernehmen und einer Nutzung zuzuführen. Die Stadt vermietet dann diese zu stark vergünstigten Konditionen an (Neu-)Gründer und Gründerinnen weiter: diese tragen nur 20 Prozent der Altmiete. Wer länger bleiben will, zahlt ab dem zweiten Mietjahr 40 Prozent Miete.

Ein ähnliches, weiter gefasstes Projekt plant die Stadt Aschaffenburg ab dem Frühjahr. In Lohr hatte das Projekt "Lohrer Starthilfe" jedenfalls Erfolg: Die Leerstandsquote ist von 23 Prozent auf mittlerweile auf 19 Prozent gesunken.

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