Wenn Landwirt Andreas Westenrieder in Obersöchering bei Weilheim seine Kühe melkt, macht er das nicht für eine große Molkerei, die die Milch dann abholt, sondern für seine eigene kleine Mini-Molkerei am Hof. Das gebe ihm schon ein besonderes Gefühl, sagt er: "Du melkst in der Früh deine Milch und verarbeitest die dann weiter zu Joghurt, Käse und Topfen, das macht schon Spaß."
- Zum BR Podcast: Landwirtschaft und Umwelt
50 Prozent Absatzrückgang beim Joghurt
Sein Hauptprodukt ist Heumilch-Joghurt. Damit die Transportwege zu den Kunden nicht zu weit werden, hat Westenrieder sich der Regionalvermarktungs-Initiative Unser Land angeschlossen. Die koordiniert den Verkauf der Produkte von insgesamt 300 Erzeugern in den Landkreisen um München.
Vor 30 Jahren gegründet, ist Unser Land zu einer beliebten regionalen Marke in örtlichen Supermärkten geworden. Doch seit einem Jahr gibt es einen Einbruch. Verbraucher greifen immer häufiger zu billigeren Alternativen. Der Absatz von Heumilch-Joghurt von Unser Land ging zum Beispiel um 50 Prozent zurück, was Andreas Westenrieder ziemliches Kopfzerbrechen bereitet, wie er sagt: "Man möchte ja den Betrieb am Laufen halten, muss liquide bleiben, wenn die Umsätze schwinden."
Unser Land: "Es ist fünf vor zwölf"
Doch nicht nur der Absatz ist eingebrochen - gleichzeitig sind auch die Produktionskosten enorm gestiegen: etwa für Strom, Diesel und Futtermittel. Die Verpackung des Joghurts, also die Becher und Kartons, wurden um 20 Prozent teurer; ebenso die für die Herstellung des Joghurts wichtigen Milchsäurebakterien. "Alles durch die Bank wird teurer", erklärt Westenrieder.
Adriane Schua vom Dachverein Unser Land e. V. bemerkt diese Entwicklung bei allen Landwirten, die für die Initiative produzieren, und schlägt Alarm: "Es ist fünf vor zwölf - bei unserem Netzwerk steigen Erzeuger aus, die können mit dem, was sie dafür bekommen, auf so hohem Standard nicht mehr produzieren. Darauf steuern wir zu. Und was mal weg ist, ist definitiv weg."
Vorteile regionaler Vermarktung
Dabei brächte ein hoher Anteil an regionalen Vermarktungsmöglichkeiten viele Vorteile. Kurze Transportwege verringern den CO₂-Ausstoß und kleinere Familienbetriebe bekommen eine Absatzmöglichkeit. Bei den Westenrieders gibt es dafür eine klare Aufgabenteilung. Während Andreas für die Molkerei verantwortlich ist, kümmert sich sein Vater Josef um die Fütterung der 40 Kühe im Stall.
Um den Heumilch-Joghurt herstellen zu können, bekämen die Tiere nur Heu und auf der Weide Gras zu fressen, kein Kraftfutter und vor allem keine Silage, erklärt Josef Westenrieder. Er fährt oft in Supermärkte und lässt die Kunden in Schälchen den Heumilch-Joghurt probieren. Im persönlichen Gespräch zeigten sich viele Menschen begeistert von regionalen Produkten, erzählt der Landwirt. Nur manche gäben zu, dass es oft auch "um den Geldbeutel" gehe.
Regionale Produkte oft teurer
Vermutlich deshalb entscheiden sich viele Verbraucher in letzter Zeit häufig für günstigere Massenware. Beim Discounter greifen sie auch zu Bioprodukten, wenn diese kaum teurer sind als die konventionellen. Aber bei regionalen Produkten stecke häufig mehr Handarbeit dahinter. Und die kleineren Strukturen seien einfach kostenintensiver, sagt Adriane Schua von Unser Land. Die Westenrieders sind dafür ein Beispiel: "Es ist ein Familienbetrieb, es wird nachhaltig gewirtschaftet, wir haben bei den regionalen Produkten diesen Klimaschutz durch kurze Wege. Das alles sind Mehrwerte, die man hat, wenn man ein regionales Produkt kauft."
Video: Regionalvermarkter in der Krise: lieber billig als nah
Wissen, wer dahinter steht
Die Westenrieders wollen mit ihrer kleinen Joghurt-Molkerei auf jeden Fall weitermachen. Und in nächster Zeit noch mehr das Gespräch mit den Verbrauchern suchen, erklärt Andreas Westenrieder. Auf den Joghurtbechern ist ein Foto von ihm und seinem Vater abgedruckt. "So versuchen wir zu vermitteln: Was steckt dahinter, wer macht das - und versuchen irgendwie gegenzusteuern. Aber es ist sehr schwierig."
Probleme der Regionalvermarkter bundesweit
Die Unser-Land-Initiative ist nicht der einzige Regionalvermarkter, der von erheblichen Umsatzeinbußen berichtet. Laut Bundesverband der Regionalbewegung hat der Negativtrend ganz Deutschland erfasst. Es ist schwer abzuschätzen, ob oder wann sich dieser Trend irgendwann wieder umkehrt.
- Zum Artikel: Wie regional ist "regionales" Fleisch wirklich?
Dieser Artikel ist erstmals am 14. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!