Aus dem Waldboden sprießt ein junges Kirschbäumchen zwischen Laub hervor, im Hintergrund Baumstämme
Bildrechte: Florian Regensburger/BR

Ein junges Kirschbäumchen im Wald im Landkreis Landsberg

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Landsberg: Wie nachhaltiger Waldumbau funktioniert

Wie lassen sich Fichtenwälder in widerstandsfähige Mischwälder umwandeln – das beschreibt ein Handbuch zum nachhaltigen Waldumbau. Es ist das Ergebnis des EU-Modellprojekts "LIFE Future Forest" im Landkreis Landsberg, das jetzt zu Ende geht.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Weil Fichten Hitze und Trockenheit nicht vertragen, müssen die Wälder der Zukunft anders aussehen. Wie ein nachhaltiger Mischwald wachsen kann, das lässt sich in einem neuen Handbuch zum nachhaltigen Waldumbau nachlesen. Es ist das Ergebnis des EU-Modellprojekts LIFE Future Forest im Landkreis Landsberg. Dort wurden drei Jahre lang Forschungen zum klimaangepassten Waldumbau durchgeführt.

"Dauerwald" mit unterschiedlich alten Bäumen

Damit sich ein widerstandsfähiger Mischwald entwickeln kann, braucht es einen sogenannten Dauerwald, sagt der langjährige Kauferinger Revierförster Ludwig Pertl. Das ist ein Mischwald mit vielen unterschiedlich alten Bäumen, in dem sich die Gehölze weitgehend natürlich ablösen und verjüngen. Dort seien typischerweise viele Feinwurzeln, Nährstoffe und entsprechend viele Regenwürmer im Boden vorhanden. Somit könne der Boden schneller Wasser aufnehmen und dieses länger speichern, was den Wald in künftig zu erwartenden, längeren Warm- und Trockenphasen widerstandsfähiger mache. Mit einem solchen "gesunden und lebendigen Boden auf Vollleistung" komme der Wald auch mit "den Bedingungen, die extremer werden, noch sehr gut zurecht", so Pertl.

Wald als Wirtschaftsfaktor und Klimaschützer

Bei der Studie haben Forstleute aus verschiedenen Bereichen zusammengearbeitet. Ein Team um Ludwig Pertl hat mit Wissenschaftlern der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und Mitarbeitern des Landratsamts Landsberg mehrere Versuchsflächen im Landkreises betreut. Mit Sensoren und anhand von Bodenproben wurde zum Beispiel erforscht, welche Baumarten auf welchen Böden unter welchen klimatischen Bedingungen gut gedeihen und somit auch einen guten Holzertrag liefern.

Außerdem wurde die Kühlung der Luft durch Verdunstung untersucht, was wiederum die Entstehung von Wolken und Niederschlägen begünstigt. Eine weitere Schlüsselfunktion des Waldes sei die Produktion sauberen Grund- und Trinkwassers im Waldboden, so Pertl.

Laubwald "produziert" Trinkwasser

So landen in einem Laubwald etwa 40 Prozent des Niederschlags im Grundwasser, im Fichtenwald sind es nur rund 25 Prozent. Auch ein Ergebnis der Forscher: Bei einem angenommenen Jahresniederschlag von 950 Millimetern pro Quadratmeter würden unter einem Laubwald circa 3.900 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr und Hektar neu gebildet. Das hat in der Regel Trinkwasserqualität und muss nicht weiter aufbereitet werden. Bei einem angenommenen Trinkwasserpreis von 1,90 Euro pro Kubikmeter entspreche dies einer jährlichen Wertschöpfung von 7.400 Euro.

Der Holzertrag dagegen liege je nach Wert und Nutzung des eingeschlagenen Holzes nur bei etwa 600 bis 1.000 Euro pro Jahr und Hektar, heißt es in dem Handbuch.

Waldumbau soll bezahlt werden

Das Projekt-Team empfiehlt daher, diese Gemeinwohlleistungen des Waldes "in Wert zu setzen" – meint, dass ein ökologischer Waldumbau auch bezahlt werden muss: So sollen beispielsweise Waldbesitzer entsprechende Ausgleichs-Zahlungen erhalten – je nach Beschaffenheit ihres Waldes. Das Prämiensystem wurde, so die Forscher, in der Gemeinde Fuchstal bereits in einem Pilotprojekt erfolgreich erprobt. Bisher seien Wald-Förderprogramme meist noch rein auf den Holzertrag des Waldes ausgerichtet, sagt Ludwig Pertl.

App für das Prämiensystem

Für die Umsetzung des Prämiensystems wurde eigens eine Smartphone-App entwickelt. Damit können die Forstwissenschaftler in vier Kategorien erfassen, wie gut der Wald dem angestrebten Zustand schon entspricht. "Der Vorteil ist, dass wir alles Kartenmaterial dabeihaben am Handy, egal ob wir Empfang haben oder nicht", erklärt Entwickler Sebastian Hauk, der die App mit seinem Unternehmen Efficient Forestry entwickelt hat. Darauf sieht man den eigenen Standort. Auf einem integrierten Infrarot-Luftbild lassen sich Baumarten unterscheiden und zum Beispiel abgestorbene Bäume erkennen. Vor Ort können die Benutzer dann Details wie die Humus-Art oder den Grad der Naturverjüngung eintragen.

Wälder beeinflussen das Wetter

Die Ergebnisse des Future-Forest-Projekts nennt der Bund Deutscher Forstleute (BDF) bundes- und europaweit wegweisend. Die Vorschläge würden dafür sorgen, "dass Wälder besser über Dürresommer kommen", sagte Rainer Städing vom BDF dem BR. Es sei ebenfalls beeindruckend, wie in der Studie herausgearbeitet wurde, wie "Wälder das Wetter beeinflussen".

Der wichtigste und entscheidende neue Ansatz sei aber, dass Waldbesitzer für die Gemeinwohlleistungen des Waldes vergütet werden sollen. Nun liege es an Gemeinden, Landkreisen und eventuell auch an Wasserversorgern, sich an den Vorschlägen zu bedienen, so Städing.

Handbuch für Waldbesitzer und Gemeinden

Das "Handbuch für nachhaltigen Waldumbau – Grundlage für Waldbesitzende, Städte, Gemeinden und Entscheidungsträger" ist digital verfügbar. Es soll in einer Auflage von 4.000 Stück gedruckt werden und nicht nur Waldbesitzern, sondern auch Kommunen und Entscheidungsträgern europaweit zur Verfügung gestellt werden.

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