Eine Nachbildung einer Büste von Walter Boll, die im Stil der demolierten Hitler-Büsten verformt ist.
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Trotz seiner Nazi-Verwicklungen wurde Walter Boll nach 1945 wieder als Museumsdirektor in Regensburg eingesetzt.

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Kunstaktion über Nazi-Verwicklung von Ex-Museumsdirektor Boll

Er machte gemeinsame Sache mit den Nazis, saß nach Ende des Zweiten Weltkriegs nur kurz in Haft und wurde 1948 wieder als Museumsleiter in Regensburg eingesetzt. Nun zeigt eine Ausstellung im Neuen Kunstverein Walter Bolls Nazi-Verwicklungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mit der Kunstaktion "Broken Boll" (deutsch: gebrochener Boll) regt der Neue Kunstverein in Regensburg am morgigen Donnerstag Abend ab 19 Uhr eine weitere Diskussion über die Nazi-Verwicklungen des ehemaligen Regensburger Museumsdirektors Walter Boll an.

Zu sehen sind dabei Nachbildungen der im Städtischen Museum an prominenter Stelle präsentierten Büste Bolls, die allerdings im Stil der demolierten Hitler-Büsten vom Ende des Zweiten Weltkriegs verformt sind.

Boll war ab Mitte der 1930er Jahre Nazi-Kreiskulturwart

Am Schaufenster des Neuen Kunstvereins ist eine Nachbildung der Büste installiert, die gerade auf die Straße zu kippen scheint. Die Künstler Max Erl und Jakob Friedl wollen damit auf die anhaltende Diskussion über die Rolle des nach dem Zweiten Weltkrieg hochgeachteten Museumsdirektors und Kulturdezernenten Boll hinweisen, der ab Mitte der 30er Jahre Nazi-Kreiskulturwart und gleichzeitig städtischer Museums- und Archivdirektor war.

Museumsdirektor Boll hetzte gegen Juden

Boll stammte aus Darmstadt, studierte Kunstgeschichte und Archäologie und kam 1928 zur Stadt Regensburg. In den Nazi-Jahren engagierte er sich dafür, dass der Domplatz zur Fläche für Nazi-Aufmärsche wurde, er hetzte in Reden gegen Juden, erwarb Kunstwerke von Juden und Freimaurern und war für die organisatorische Abwicklung des Hitler-Besuchs zur Enthüllung der Bruckner-Büste auf der Walhalla bei Donaustauf im Juni 1937 verantwortlich.

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Die Künstler Jakob Friedl (l.) und Max Erl.

Boll wurde nach Haft wieder als Museumsleiter eingesetzt

Bei der Entnazifizierung wurde Boll als "entlastet" eingestuft. Gegen diese Entscheidung ging die US-Militärregierung vor und belegte das mit falschen Angaben von Boll. Daraufhin war Boll mehrere Monate in Amberg inhaftiert und wurde unmittelbar nach seiner Entlassung im September 1948 wieder Leiter des städtischen Museums, später Kulturdezernent.

In den 50er und 60er Jahren verhinderte er den großzügigen Ausbau von Straßen innerhalb der heute UNESCO-geschützten Altstadt von Regensburg und war damit mitverantwortlich für den Erhalt zahlreicher mittelalterlicher Häuser.

Boll rechtfertigte sich für Wirken unter Hitler

Er trat 1968 in den Ruhestand und starb 1985 mit 85 Jahren in Regensburg. "Die Zeit" interviewte ihn 1982 und schrieb über ihn: "Er ließ sich durch nichts aufhalten, auch nicht durch die Nazis, deren Uniform er anzog, um 'unsere Dinge irgendwie weiterzumachen'. Danach glitt er glatt in die neue Zeit hinüber, machte einfach weiter, wo er aufgehört hatte, und wurde später Kulturdezernent."

Ausstellung geht bis 10. Juni

Inzwischen wurden mehrere Kunstwerke etwa an die Regensburger Freimaurerloge zurückgegeben. Die Stadt Regensburg will Bolls Arbeit jetzt wissenschaftlich aufarbeiten lassen und dann über das weitere Vorgehen mit seinem Erbe entscheiden. Die Ausstellung im Neuen Kunstverein am Schwanenplatz dauert bis zum 10. Juni.

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