Kinder in bayerischer Tracht gehen als Gruppe zur Talstation der Zugspitzbahn (Symbolbild).
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Kinder in bayerischer Tracht gehen als Gruppe zur Talstation der Zugspitzbahn (Symbolbild).

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Kinder und Dialekt: "Insbesondere vor und nach dem Unterricht"

In Baden-Württemberg will ein neuer Dachverband helfen, dass junge Menschen wieder mehr Dialekt sprechen. Der Hauptinitiator, ein Landtagsabgeordneter der Grünen, findet Schriftdeutsch sogar "kastriert". Wie sieht es in Bayerns Schulen aus?

Für den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Markus Rösler ist die Sache klar: Mehr Kinder und Jugendliche sollten wieder Dialekt sprechen. Der Grünen-Politiker und rund 50 andere Initiatoren gründen deshalb im Südwesten einen Dachverband für Dialekte. "Viele Kinder sprechen keinen Dialekt mehr", sagte Rösler zuletzt den "Stuttgarter Nachrichten". Ein Grund laut ihm: "Auch auf der Gass’ lernt man ihn nicht mehr automatisch, wie ich an meinen eigenen Kindern leider gemerkt habe."

  • Zum Artikel: Dialekt – Kinder in Bayern passen Vokale an Standarddeutsch an

Dialekt solle "kein Museum sein, sondern leben", findet Rösler, der selbst ein breites Schwäbisch spricht. "Wir wollen alle Vereine, Wissenschaftler, Künstler und Einzelpersonen, die sich für Dialekt und Mundart einsetzen, miteinander vernetzen." Akuten Handlungsbedarf sieht der Grünen-Abgeordnete an den Schulen. Der neue Verband wolle jüngere Menschen ansprechen und dabei helfen, Mundart-Angebote in Schulen und Kitas zu fördern. Flugs und etwas schief titelte "Spiegel Online" Anfang der Woche: "Schulkinder in Baden-Württemberg sollen mehr schwätze".

Keine bayerischen Zahlen zur Dialekt-Quote im Klassenzimmer

In Bayern ist laut dem Kultusministerium nicht bekannt, wie viele Grundschülerinnen und Grundschüler noch Dialekt sprechen. "Hierzu liegen uns keine Zahlen vor", teilt eine Ministeriumssprecherin auf BR24-Anfrage mit. Anders ist das in Baden-Württemberg. Dort zeigte eine Studie der Universität Tübingen im vergangenen Jahr: In den ersten beiden Grundschulklassen sprechen zwischen 11 und gut 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler Dialekt.

Gleichzeitig betont die Sprecherin des bayerischen Kultusministeriums, dass sich im Freistaat ebenfalls viele Einrichtungen "um die Pflege und den Erhalt der bayerischen Mundart bemühen". Mit ihnen stünde das Ministerium in engem Austausch.

Kommunikationsmittel "vor und nach dem Unterricht"

Auch im Schulunterricht geht es laut der Sprecherin um Dialekte, die in Bayern gesprochen werden – und um deren kulturelle Bedeutung. Ein eigenes Online-Portal biete Unterrichtsmaterialien, Aufgabenbeispiele für verschiedene Fächer und Jahrgangsstufen, Projektideen und Medientipps. "Unabhängig davon ist Dialekt auch für Schüler und Lehrer ein gern gewähltes Kommunikationsmittel, das insbesondere vor und nach dem Unterricht sowie in dialektal geprägten Regionen Bayerns verwendet wird."

Das Ministerium weist auch darauf hin, dass Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) vor einigen Monaten den "Chiemgauer Mund-ART-Weg" eröffnet habe. "Dabei handelt es sich um sieben verschiedene Themenwege, auf denen mit 61 Schautafeln mundartliche Redewendungen veranschaulicht werden." Erarbeitet wurde das Projekt von Schülerinnen und Schülern. "Dialekt ist immer mit Heimat verbunden", betonte Piazolo damals. "Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Mundart an den bayerischen Schulen zu stärken."

Rösler über Schriftdeutsch: "Des isch kastriert"

Piazolo selbst studierte in München, ist aber gebürtiger Stuttgarter – womit wir wieder bei den Plänen des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Rösler wären. Dessen Initiative im dortigen Landtag unterstützen auch Vertreterinnen und Vertreter von CDU, SPD und FDP. Der geplante landesweite Dialekt-Dachverband soll bis Mitte des Jahres gegründet sein – alle Dialekte in Baden-Württemberg sollen gleichberechtigt vertreten sein.

Der 61-jährige Rösler ist übrigens nicht nur bekennender Dialekt-Liebhaber, sondern kann nach eigenem Bekunden sogar mit Schriftdeutsch nichts anfangen. "Des isch kastriert", sagte Rösler zuletzt. Schriftdeutsch sei wie ein Hammer oder Computer: "Das muss man nutzen, weil es manchmal erforderlich ist." Dialekt dagegen sei "ein Gegentrend zur Globalisierung".

Schriftliche Prüfungen: Standarddeutsch "verbindliche Norm"

Am Schriftdeutsch kommen Bayerns Schülerinnen und Schüler aber auch künftig nicht vorbei. "Hochdeutsch als deutsche Standardsprache ist die primäre Bildungs- und Unterrichtssprache in Bayern", macht die Sprecherin des Kultusministeriums deutlich. "Für schriftliche Leistungserhebungen ist das Standarddeutsche nach den Regelungen der Amtlichen Rechtschreibung die verbindliche Norm."

Anders sei das in mündlichen Prüfungen – dort gehe es um die mündliche Ausdrucksfähigkeit, die Beherrschung von Fachsprache und Fachterminologie sowie die korrekte Darstellung von Sachverhalten und Zusammenhängen. Sofern diese Kompetenzen erfüllt seien, gilt demnach: "Wenn Schülerinnen und Schüler in mündlichen Leistungserhebungen Dialekt verwenden, so soll dies ihnen nicht negativ ausgelegt werden."

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