Ein Pkw mit doppeltem Auspuff steht auf einem Parkplatz.
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Das EU-Parlament Europa hat das Aus für Neuzulassungen von Verbrenner-Pkws beschlossen. (Symbolbild)

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EU-Parlament beerdigt den Verbrenner – Kommission mit Lkw-Plan

Europa hat das Aus für Neuzulassungen von Verbrenner-Pkw beschlossen und den Weg für Lkw vorgezeichnet. Von der CDU und aus Bayern kommt viel Kritik. Die Industrie sieht auch ein Problem, aber ein anderes.

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Das Riesenthema bei der Berlin-Wahl hatte vier Reifen und einen Verbrennungsmotor dazwischen. Die CDU hat mit einem Auto-Wahlkampf die Wahl gewonnen. In Straßburg im Europaparlament ging es am Dienstag um die Zukunft dieses Fortbewegungsmittels.

Die Fronten zwischen Rot/Grün und Schwarz verlaufen hier wie in Berlin. Und es wurde emotional. Dabei hatten sich EU-Kommission und Unterhändler des Parlaments bereits letzten Herbst darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die kein Treibhausgas ausstoßen.

Verbrennerautos, die vor diesem Datum gekauft wurden, dürfen weiterhin gefahren und gehandelt werden. Am Dienstag stimmte das Parlament darüber ab. Eine Zustimmung galt als Formsache. Trotzdem stritten die Redner am Pult für EU-Parlamentsverhältnisse leidenschaftlich.

  • Zum Artikel: E-Fuels statt E-Autos: Alternative, Ergänzung oder Irrweg?

Konservative sehen den Niedergang der Autoindustrie

"Eine solche Entscheidung tötet Innovation, sie ist dem Klimaschutz insgesamt nicht dienlich", sagte etwa der belgische Europaabgeordnete Pascal Arimont, der der konservativen EVP-Fraktion angehört. Er sprach auf Deutsch. Die CO2-Bilanz von E-Autos sei eben nicht vorteilhaft, vom Strom bis zur Herstellung, sagte Arimont. Noch dazu mache man sich wegen der Batterieherstellung abhängig von China.

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke, dessen Partei auch zur EVP gehört, sieht 1,4 Millionen Arbeitsplätze in der europäischen Automobilindustrie gefährdet. Der Automobilstandort Deutschland werde mit der "leichtfertigen Zustimmung" untergraben.

Klimakommissar an CDU und CSU: Kein Verantwortlichkeitsurlaub

"Ich kann's nicht oft genug wiederholen", rief Klimakommissar und Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermanns den Parlamentariern zu. "Schauen Sie in die Zukunft der europäischen Automobilindustrie, die liegt nicht im Verbrennungsmotor." Sondern aus Timmermans Sicht in der der E-Mobilität.

Dann wechselte der Sozialdemokrat Timmermans ins Deutsche. Er wolle den Kollegen aus der EVP-Fraktion - und hier wohl besonders denen aus CDU und CSU - noch etwas mitgeben: "Wenn man in der Opposition glaubt, man kann sich einen Verantwortlichkeitsurlaub erlauben, dann ist man auf dem Holzweg." Timmermans beschwörte die Konservativen, zuzustimmen.

Wissing hofft auf Verbrennerrettung durch E-Fuels

Am Ende stimmten sie dagegen und die Mehrheit aus Linken, Grünen und Liberalen dafür. Nun müssen die Mitgliedstaaten noch zustimmen, wieder eine Formalie. Beobachter sagen, dass es das war mit dem Verbrenner in Pkws. Zumal viele Hersteller selbst schon die Weichen Richtung Elektromobilität gestellt haben.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) betonte dagegen am Dienstag wieder die Bedeutung von E-Fuels, synthetischen Kraftstoffen, deren Nutzung klimaneutral wäre. Wissing erklärte: "Sowohl für die Bestandsflotte als auch für neue Fahrzeuge bieten E-Fuels klimaneutrale Mobilität mit Verbrennungsmotoren."

Die Bundesregierung hatte vergangenes Jahr mit der EU-Kommission verhandelt, dass die einen Vorschlag macht, wie E-Fuel-betankte Verbrennerfahrzeuge auch über 2035 hinaus zugelassen werden können. Der Vorschlag steht noch aus. Doch die Hoffnung, dass die bisher unrentablen synthetischen Kraftstoffe den Verbrenner eines Tages retten, ist bei der FDP und in der Union weit verbreitet.

Auch beim Verband der deutschen Automobilindustrie: 280 Millionen Pkws allein in Europa und 1,5 Milliarden weltweit seien unterwegs. Einzige Möglichkeit diese Autos klimanuetral zu kriegen: E-Fuels. "Nur wenn diese Fahrzeuge in Zukunft auch klimaneutral unterwegs sind, können wir die ambitionierten Ziele zur Klimaneutralität erreichen", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am Dienstag.

EU-Kommission: 2050 sollen fast alle Fahrzeuge emissionsfrei sein

Zurück nach Straßburg: Dort ging Klimakommissar Timmermanns am Nachmittag noch einmal vor die Presse, um zu erklären, wie die EU-Kommission auch den Schwerlastverkehr gedenkt klimaneutral zu machen. Die Pläne sehen eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um 90 Prozent bis 2040 im Vergleich zu 2019 vor.

"Im Jahr 2050 müssen fast alle Fahrzeuge auf unseren Straßen emissionsfrei sein", sagte Timmermans. Als Zwischenziele schlägt die Kommission vor, dass sich der CO2-Ausstoß von schweren Nutzfahrzeugen bis 2030 um 45 Prozent und bis 2035 um 65 Prozent verringern soll. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen zu den Vorschlägen noch einen Kompromiss aushandeln.

Aiwanger: Lkw-Pläne schnellstmöglich korrigieren

Für Bayerns Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist weder die Entscheidung des Parlaments zu Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sinnvoll, noch die Vorschläge der Kommission zu den Lkw: Die wären aus Aiwangers Sicht nur erreichbar, "wenn massiv der Umbau auf Wasserstoff-Lkw gefördert würde, Batterie-Lkw werden die nötigen Langstreckenfahrten nicht so bedienen können". Die Bundesregierung wünsche offenbar keinen Wasserstoff-Einsatz. "Dieser Wahnsinn muss schnellstmöglich korrigiert werden, sonst legen wir das Land lahm", erklärte Aiwanger auf Anfrage dem BR.

Auch Lkw-Hersteller setzen auf E-Mobilität

"Nicht wirklich überrascht" ist man von den EU-Vorschlägen dort, wo sie sich wohl auswirken werden: bei "MAN Truck und Bus" in München. Wasserstoff-Lkws hält man dort erst ab etwa 2035 für eine Option. Bei MAN läuft die Umstellung auf E-Mobilität. Der Hersteller will seinen E-Lkw 2024 auf den Markt bringen, sagte ein MAN-Sprecher gegenüber dem BR. Die Batterien dafür kämen aus Nürnberg. Gewicht pro Batteriepack: 650 Kilogramm. Bis zu sechs davon sind für den Schwerlastverkehr nötig. 2030 soll bei MAN die Hälfte der Lkws elektrisch rollen.

Probleme beim Ladenetz

Sorgen macht dem Münchener Truckhersteller etwas anderes: die Ladeinfrastruktur. Alle viereinhalb Stunden kann ein E-Lkw mit einem oberschenkeldicken Ladestecker ans Stromnetz, dann muss der Fahrer eine vorgeschriebene Pause einlegen. 45 Minuten dauert das Laden an einem Megwatt-Ladepunkt. Einzig: Den gibt es bisher nur im Probebetrieb. Die flächendeckende Ladeinfrastruktur für solche Superladepunkte fehlt bislang.

Und was passiert an einem Nadelöhr wie dem Brennerpass, wenn hunderte E-Lkws auf einmal laden müssen? Der Strombedarf dafür wäre enorm. Aber ein stabiles Netz ist die Bedingung für E-Lkws. Wenn die nicht erfüllt sei, sagte der MAN-Sprecher, "klemmen wir die Lebensader der deutschen Industrie ab".

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