Zuchtbulle Mahango
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Zuchtbulle Mahango hat über 25.000 Nachkommen auf der ganzen Welt.

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"Ich will ein Rind von dir": Partnervermittlung für Kühe

Die meisten Kühe werden künstlich besamt. Von welchem Bullen das Sperma kommt und welche Eigenschaften das Kalb haben soll, bestimmen die Landwirte. Manche holen sich dabei Unterstützung von Experten und einem Programm: eine Art "Tinder für Rinder".

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Viel Milch soll eine Kuh geben, feste Klauen und ein straffes Euter soll sie haben und viele Kälber zur Welt bringen - möglichst weibliche Kälber, die dann wieder gute Milchkühe werden. Entscheidend neben der Haltung und der Fütterung ist die Genetik. Damit die stimmt, gibt es eine Anpaarungsberatung im Kuhstall.

Echte "Dates" zwischen Kuh und Bulle sind selten

Heutzutage ist ein sogenannter "Natursprung" - der Bulle springt bei der Kuh auf - bei Rindern selten. Auch weil der Umgang mit Bullen heikel sein kann. Üblicher ist die künstliche Besamung, dank der der Landwirt aus einem Katalog gezielt einen speziellen Stier auswählen und das Sperma bestellen kann. Eine gezielte Zucht trage zur Inzuchtvermeidung und damit zur genetischen Vielfalt bei, erklärt Christoph Maier von der landwirtschaftlichen Erzeugerorganisation LKV.

Suche nach einem Stier, der gute Merkmale vererbt

Maier ist einer von vielen Anpaarungsberatern des LKV in Bayern. Auch Besamungsstationen haben solche Beraterinnen und Berater angestellt. Sie geben den Landwirten Tipps, von welchem Zuchtbullen das Sperma für die Besamung verwendet werden kann, also welcher Stier der ideale Vater für ein Kalb ist.

Schwächen der Kuh soll der Stier ausgleichen

Gerade ist Christoph Maier im Stall von Landwirt Ludwig Fuchs in Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim. Beide begutachten bei den Kühen wichtige Zuchtkriterien wie etwa die Größe, die Muskeln, die Klauen oder das Euter. Gerade mustern sie Kuh Agnes. Christoph Maier trägt all ihre Schwächen in sein Tablet ein, genauer gesagt in das Anpaarungsprogramm "Optibull". Das ist - salopp gesagt – "Tinder für Rinder".

Wünsche der Bauern werden berücksichtigt

Agnes hat etwas zu große Zitzen, deswegen kann es sein, dass der Melkroboter sie nicht erkennt. Agnes' zukünftige Töchter sollen das Problem nicht haben. Deswegen ist das Motto bei der Rinder-Partnervermittlung: Gegensätze ziehen sich an. Gefragt ist also ein Bulle, der kleine Zitzen vererbt. Doch wie weiß man das?

"Es gibt von jedem Bullen eine Art DNA-Abgleich. Da spricht man vom Genotyp“, erklärt Anpaarungsberater Maier. Diese genetische Probe wird aus dem Ohr gestanzt. Im Labor wird das Gewebestückchen untersucht und so ermittelt, welche Merkmale ein Zuchtbulle mit großer Wahrscheinlichkeit vererbt. Manche Bullen vererben zum Beispiel eine hohe Milchleistung oder eine etwas festere Statur – also viel Fleisch.

Höchstpreise auf Bullenauktionen für die besten Stiere

Vom Stier "Sahne" ist zum Beispiel bekannt, dass er unter anderem "gut melkbare Euter" vererbt. Sahne ist einer der Jung-Stars der Besamungsstation Bayern Genetik in Grub im Landkreis Ebersberg. 156.000 Euro hat die Besamungsstation auf einer Auktion für ihn bezahlt, weil er aus einer besonders seltenen Blutlinie kommt. Sein Sperma kann also oft eingesetzt werden, weil er mit relativ wenigen Kühen verwandt ist. Die Vermeidung von Inzucht spielt eine wichtige Rolle beim Anpaaren.

Spitzenbullen haben mehr als 25.000 Nachkommen

Zweimal pro Woche ist bei Bayern Genetik "Absamungstag". Die Bullen bespringen statt einer echten Kuh eine Attrappe, die aussieht wie eine Kuh-Hüfte. Torbogenreflex nennt man das, erklärt Thomas Pfaller, zuständig für die Rinderzucht und den Bulleneinkauf bei der Besamungsstation.

Wie lange ein Bulle im Einsatz ist, hängt von der Nachfrage ab. Nur wenn er an seine Töchter gute Merkmale vererbt, bestellen die Landwirte weiterhin sein Sperma. Der 9-jährige Mahango zum Beispiel zählt zu den absoluten "Spitzenvererbern". Er hat hier aktuell die meisten Töchter: rund 25.000.

Tiefgekühltes Sperma ist Jahrhunderte lang haltbar

Das Sperma, das ein Mitarbeiter in einer künstlichen Scheide auffängt, wird anschließend im Labor untersucht. Je lebendiger und dichter die Spermien, desto stärker kann das Ejakulat verdünnt werden. Aus einem Sprung können zwischen 200 und 800 Portionen entstehen, erklärt Laborleiterin Bärbel Eckert. Eine Portion kostet den Landwirt zwischen sechs und 20 Euro. Das verdünnte Sperma wird in dünne Röhrchen gefüllt, dann langsam heruntergekühlt und schließlich bei minus 196 Grad eingefroren. Dadurch wäre es theoretisch mehrere hundert Jahre lang haltbar. So portioniert geht das Sperma dann an Landwirte in der ganzen Welt - vielleicht auch zu Landwirt Ludwig Fuchs und seiner Kuh Agnes.

Gefragt: genetisch hornlose Bullen

Anpaarungsberater Maier mit seinem Programm "Optibull" und Milchbauer Fuchs haben sich entschieden, Agnes mit dem Sperma des Zuchtbullen Mekka zu besamen. Weil der genetisch hornlos ist, wird Agnes' Kalb auch hornlos sein. Hornlose Rinder sind immer mehr gefragt, um in Laufställen die Verletzungsgefahr und das Unfallrisiko zu senken. Außerdem vererbt Mekka eher kleine Euter. Der Landwirt hofft, dass Agnes ein weibliches Kalb bekommt, das dann später als Milchkuh kürzere Zitzen hat wie Mutter Agnes. Dann wäre die Anpaarung ein gutes "Match" gewesen.

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