Eine Erstwählerin (17) (Archivbild)
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Wählen ab 16: Bundestag senkt Altersgrenze bei Europawahlen

Vielerorts können 16- und 17-Jährige bereits ihre Stimme abgeben – zumindest bei Landtags- und Kommunalwahlen. Zukünftig geht das auch bei Europawahlen. Dafür haben Ampel und Linke am Abend im Bundestag votiert. Union und AfD stimmten dagegen.

Bei der Wahl des Europaparlaments dürfen in Deutschland künftig auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben. Der Bundestag senkte das Mindestalter für die Teilnahme an der Europawahl, mit Stimmen von Ampel und Linken, von 18 auf 16 Jahre ab. Union und AfD votierten dagegen.

Die Neuregelung soll erstmals bei der für Juni 2024 geplanten Wahl zum EU-Parlament angewendet werden. Die Zahl der Wahlberechtigten steigt laut Koalition damit um knapp 2,3 Prozent.

Zuvor wurde um die Frage gerungen, ab welchem Alter Menschen reif genug sind, um politische Entscheidungen zu treffen. Die Antwort darauf fällt ganz unterschiedlich aus. Für die Grünen ist klar, dass Jugendliche schon ab 16 in der Lage seien, sich über Politik zu informieren und auf dieser Grundlage ihre Stimme abzugeben. Und nicht erst ab 18.

Emilia Fester, mit 24 Jahren die derzeit jüngste Abgeordnete im Bundestag, sieht in einer Senkung des Wahlalters eine Chance für mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Schließlich seien Teenager bereits im Alter von 16 und 17 Jahren Teil der Gesellschaft, weshalb sie nach Ansicht von Fester auch die Möglichkeit haben sollten, sich bei Wahlen einzubringen.

Wahlalter 16 schon jetzt in einigen Bundesländern

Schon jetzt gilt in sechs Bundesländern eine entsprechend niedrige Altersgrenze bei Landtagswahlen. Gerade erst hat der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Auch in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ist das so geregelt. Für Kommunalwahlen haben bereits elf Bundesländer die Altersgrenze verringert. In Bayern liegt sie dagegen nach wie vor bei 18 – sowohl für Kommunal- als auch für Landtagswahlen.

Grüne: Jugendliche reif genug für Wahlentscheidung

Bei der Wahl zum EU-Parlament sollen junge Leute nun bundesweit in Zukunft ab 16 die Möglichkeit haben, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen.

Die Grünen-Abgeordnete Fester spricht im BR24-Interview von einem "großartigen […] Schritt für die Jugendpartizipation". Die "Fridays-for-Future"-Bewegung beispielsweise habe gezeigt, dass junge Menschen in der Lage seien, sich ein politisches Urteil zu bilden und ihre Meinung zu äußern.

CSU kritisiert Senkung des Wahlalters

Die Unionsfraktion sieht das anders. Für den CSU-Innenpolitiker Alexander Hoffmann geht es "im Kern um die Frage: Kann ein junger Mensch die Konsequenz seines Handelns überblicken?" Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Main-Spessart erinnert im Gespräch mit BR24 daran, dass viele Rechte und Pflichten erst mit 18 Jahren greifen.

Sollte Wahlalter an Volljährigkeit geknüpft sein?

Als Beispiel nennt Hoffmann die sogenannte Geschäftsfähigkeit: Wer eigenständig ein Konto eröffnen oder größere Kaufverträge abschließen will, muss volljährig sein. Insofern spricht dem CSU-Politiker zufolge viel dafür, auch beim Wahlrecht ein Mindestalter von 18 Jahren anzusetzen. Gegen eine Absenkung des Wahlalters hätten auch Verfassungs- und Staatsrechtler Bedenken, wie sich bei Anhörungen gezeigt habe.

Politikwissenschaftler: Jugendliche an Politik interessiert

Doch es gibt auch andere Stimmen aus der Wissenschaft. Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin erforscht das politische Bewusstsein junger Leute. Seine Befragungen hätten gezeigt, sagt er im BR24-Interview, dass Jugendliche mit 16 oder 17 nicht weniger an Politik interessiert seien als 18- oder 19-Jährige. Denn das Interesse am politischen Geschehen sei sehr stabil und scheine sich schon früher zu entwickeln. Folglich spricht aus Sicht von Faas wenig dagegen, das Wahlalter abzusenken.

Höhere Wahlbeteiligung durch niedrigeres Wahlalter?

Der Politikwissenschaftler sieht vielmehr einen Vorteil darin, Menschen schon mit 16 oder 17 wählen zu lassen. In diesem Alter sei man in bestimmte soziale Zusammenhänge eingebunden, in der Familie oder in der Schule. Und dort könne man die jungen Leute gezielt auf Wahlen vorbereiten – vielleicht sogar besser als in einem späteren Alter. In seinen Augen bietet eine Absenkung des Wahlalters "große Chancen, Jugendliche […] zu mobilisieren und damit auch langfristig die Wahlbeteiligung in Deutschland zu erhöhen".

Darauf setzt wohl auch die Ampel-Koalition. Sie geht davon aus, dass mit dem neuen Mindestalter bei der kommenden Europa-Wahl 1,4 Millionen Menschen mehr ihre Stimme abgeben können. Vorbilder gibt es bereits: In Österreich, Malta und Griechenland liegt das Wahlalter schon jetzt unter 18. Wer sich allerdings selbst zur Wahl stellen und ins EU-Parlament einziehen will, muss volljährig sein. Und das soll auch nach dem heutigen Bundestagsbeschluss so bleiben.

Mit Material von AFP und dpa

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Grafik: In welchen Bundesländern Wählen ab 16 erlaubt ist

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