Der angeklagte Arzt (rechts) und sein Anwalt sitzen in einem Saal des Landgerichts Augsburg
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Der angeklagte Arzt (rechts) und sein Anwalt sitzen in einem Saal des Landgerichts Augsburg

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Hepatitis-Prozess: Krankenschwester ermittelte auf eigene Faust

Ein Narkosearzt am Donauwörther Krankenhaus soll sich Opiate abgezweigt und 51 Menschen mit Hepatitis C angesteckt haben. Das Auffliegen der Drogensucht des Arztes war offenbar keine Überraschung. Eine Pflegerin ermittelte sogar auf eigene Faust.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Der 25. April 2018 im OP-Saal 4 des Donauwörther Krankenhauses: Eine Krankenschwester meldet sich zur Mittagspause ab, kehrt aber dann doch noch einmal kurz in den OP zurück. Dort steht der jetzt vor dem Landgericht Augsburg angeklagte Anästhesist plötzlich vor der Schwester – mit einer Spritze im Arm. Schnell zieht er sie aus der Armbeuge, Blut läuft den Arm des heute 60-Jährigen hinunter. So schildert es die Krankenschwester vor Gericht.

Der Vorwurf: Gefährliche Körperverletzung

Durch das Auffliegen des Arztes kommt Monate später der Hepatitis-Skandal am Donauwörther Krankenhaus ins Rollen, als bei Dutzenden ehemaligen Patienten der Klinik Hepatitis C diagnostiziert wird – genau wie bei dem angeklagten Arzt. Ihm wird nun unter anderem schwere Körperverletzung vorgeworfen. Wie der damalige Narkosearzt schon zugegeben hat, war er medikamentenabhängig, zweigte sich bei seiner Arbeit im Krankenhaus Opiate ab. Dabei soll er 51 Menschen mit Hepatitis angesteckt haben.

Mitarbeitern war aufgefallen, dass mit dem Arzt etwas nicht stimmt

Vor dem Landgericht ist der Arzt angeklagt und nicht die Verantwortlichen des Krankenhauses. Trotzdem stellt sich im Prozess die Frage, ob der drogensüchtige Arzt schneller aus dem Verkehr hätte gezogen werden können. Denn, dass etwas nicht stimmte, war vielen im Krankenhaus aufgefallen.

Stimmungsschwankungen beim Arzt

"Jetzt hab ich ihn erwischt!", das soll die Krankenschwester laut Vernehmungsprotokoll zu ihrer Vorgesetzten gesagt haben, nachdem sie den Narkosearzt mit der Spritze im Arm angetroffen hat. Vor Gericht bestätigt sie, es sei viel "gemunkelt" worden, dass mit dem Narkosearzt etwas nicht stimme. Da seien zum Beispiel die Stimmungsschwankungen gewesen, mal habe der Arzt fröhlich gesungen, dann sei er wieder in sich gekehrt gewesen.

Narkosearzt brauchte mehr Opiate für OPs als andere Ärzte

Noch deutlicher wird die Vorgesetzte, die ebenfalls vor dem Landgericht aussagt. Laut der damaligen Leiterin der Anästhesie-Pflege sei es auffällig gewesen, dass der angeklagte Arzt deutlich mehr Opiate als andere für die OPs gebraucht hat. "Zwei statt einer Ampulle", so die Krankenschwester. Auch sei der Arzt während der OPs immer wieder länger weg gewesen, 20 Minuten. Offiziell, um zur Toilette zu gehen. Laut eigener Aussage habe sie sich deshalb beim Chefarzt gemeldet. Die Antwort: Wenn man nichts beweisen könne, gelte der Arzt als unschuldig, sie solle weiter beobachten.

Pflegerin ermittelt auf eigene Faust

Die leitende Krankenschwester wurde daraufhin sogar selbst aktiv. Vor Gericht erklärte sie, dass auf die aufgezogenen Spritzen mit den Narkosemitteln immer ein Aufkleber mit dem Namen des Mittels geklebt werde – damit klar ist, was in der Spritze ist. Als der angeklagte Anästhesist Dienst hatte, habe sie fünf Mal die Aufkleber immer exakt an eine Markierung auf der Spritze geklebt. Eine Viertelstunde später hätten die Aufkleber aber anders auf der Spritze geklebt, schräg, und nicht mehr im rechten Winkel zur Markierung. Ihr Verdacht: Der Arzt könnte die Spritzen ausgetauscht haben, um sich etwas abzuzweigen und dann selbst einen Aufkleber auf eine neue Spritze geklebt haben. Ein Verdacht, aber kein Beweis.

Arzt entschuldigt sich bei Krankenschwestern

In der Verhandlung entschuldigte sich der Arzt bei den als Zeuginnen geladenen Krankenschwestern. Noch immer steht die Frage im Raum, wie genau der Anästhesist Patienten mit Hepatitis angesteckt haben könnte. Der Arzt selbst wiederholte vor Gericht, dass er es sich nicht erklären könne. Er habe nur die Hypothese, dass er sich beim Hantieren mit Nadeln für die Patienten selbst minimal verletzt haben könnte und das nicht gemerkt hat.

Versicherung hat schon 2,6 Millionen Euro gezahlt

Für die Versicherungskammer Bayern, bei der das Krankenhaus versichert ist, ist der Schadensfall eine kostspielige Angelegenheit. Wie ein Anwalt der Versicherungskammer vor Gericht sagte, habe die Versicherung bisher 2,6 Millionen Euro bezahlt. Ein Großteil davon ist Schmerzensgeld. Zwischen 12.000 und 33.000 Euro hätte jeder Betroffene bekommen. In dem Prozess sind noch mehrere Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wird frühestens im Juli fallen.

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