Demonstranten fordern weitere Aufklärung nach dem Ende des NSU-Prozess 2018
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Demonstranten fordern weitere Aufklärung nach dem Ende des NSU-Prozess 2018

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Grüne fordern weitere NSU-Aufklärung

Die Grünen haben einen umfangreichen Fragenkatalog zum NSU in Bayern an die Staatsregierung gestellt und streben eine weitere parlamentarische Aufklärung an. Derweil wurde bekannt, dass das Innenministerium prüft, NSU-Akten löschen zu lassen.

Vor neun Jahren, im November 2011, hat sich die rechte Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) selbst enttarnt. Seit dem Abtauchen des Kerntrios 1999 wurden zehn Menschen von den Neonazis ermordet, fünf in Bayern, drei davon in Nürnberg. Auch zwei Jahre nach dem NSU-Prozess sind weiterhin viele Fragen offen.

Viele Fragen betreffen NSU in Nürnberg

Die bayerischen Landtags-Grünen wollen nun nicht mehr locker lassen: Es gebe Bereiche im NSU-Komplex, die man politisch aufklären müsse, sagt Cemal Bozoğlu, Fraktionssprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus. Er bringt einen Sonderermittler ins Gespräch - oder einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss.

Wieso zündeten die Terroristen des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ihr erste selbstgebaute Bombe in einer Nürnberger Kneipe? Woher stammte das Material? Wieso begannen sie ihre Mordserie in Nürnberg? Die Grünen im Bayerischen Landtag haben in ihren 72 Anfragen an die Staatsregierung zum NSU-Komplex den Schwerpunkt auf Franken gelegt.

Erster Untersuchungsausschuss vor NSU-Prozess

Die Fraktion hatte ein eigenes Gutachten über die ungelösten Fragen und neueren Erkenntnissen zur Mordserie der Rechtsterroristen um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Auftrag gegeben.

Nun habe man eine Basis für einen neuen Untersuchungsausschuss vorliegen, betont Bozoğlu. Der erste Ausschuss hatte 2012 sieben Monate lang getagt, doch viele Fragen tauchten erst im Zschäpe-Prozess ab 2013 auf. Was fehlende Aufklärung nach sich ziehen könne, habe man beim Mord an Walter Lübcke schmerzvoll erfahren müssen, sagt Bozoğlu. Nicht enttarnte Verbindungen der Szene seien "eine Gefahr für die Zukunft".

Petition fordert zweiten NSU-Untersuchungsausschuss

Seit Jahren fordern Angehörige der Opfer und ihre Anwälte in Bayern eine zweite parlamentarische Untersuchung. Zuletzt starteten sie die Internet-Petition "Kein Schlussstrich", die auch von der Nürnberger Initiative "Schweigen durchbrechen" getragen wird. Rund 2.000 haben bereits unterschrieben, darunter auch viele Nürnberger, Fürther und Erlanger Bürgerinnen und Bürger.

Ein solcher Ausschuss "ist das schärfste Schwert, das wir im Parlament haben", sagt die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan, die den Fragenkatalog zusammen mit Bozoğlu und Fraktionschefin Katharina Schulze eingereicht hat. Die SPD im Landtag ist einem Gremium nicht abgeneigt. Deren Rechtsextremismus-Experte Florian Ritter hält es für denkbar, dass man so Erkenntnisse gewinnt, wie die Opfer ausgewählt worden sind.

Recherchen von BR/NN-Journalisten sind Teil der Fragen

Aufgegriffen wurden auch die Recherchen des gemeinsamen Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten zu den Unterstützer-Gruppen. Eine Reihe von Fragen drehen sich um Mandy S. die Beate Zschäpe im Untergrund ihren Ausweis und ihre Krankenkarte geliehen hatte und einige Zeit in Büchenbach bei Roth lebte. S. hatte im örtlichen Schützenverein das Schießen geübt.

Auch der ehemalige Nürnberger Neonazi-Kader Christian W., der beim Blumenhändler Enver Şimşek einige Wochen vor dessen Ermordung an seinem Stand in Langwasser einen Strauß gekauft hatte, steht im Fokus. Oder mögliche Verbindungen in die Nürnberger Hooligan-Szene, von denen sich manche in der Neonazi-Szene bewegten und mit wichtigen Akteuren im Unterstützer-Umfeld bekannt waren.

Grüne wollen mögliche NSU-Aktenvernichtung stoppen

Derweil treibt die Grünen eine ganz andere Sorge um. Das Innenministerium prüft derzeit, ob aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen Akten aus den Untersuchungsausschüssen in Bayern und im Bundestag vernichtet werden müssen. Im November 2015 war ein Löschmoratorium verhängt worden, Unterlagen durften also nicht geschreddert werden.

Eine Vernichtung will Fraktionschefin Katharina Schulze unbedingt verhindern. Das Unterstützernetzwerk sei bisher nicht einmal ansatzweise aufgeklärt, mahnt sie. Alle wichtigen Unterlagen müssten langfristig gesichert werden.

Innenministerium beschwichtig: Akten werden nicht gelöscht

Das Innenministerium antwortete ihr, alle Unterlagen der bayerischen Polizei und des Landesamtes für Verfassungsschutz, die an Parlamentarier gegeben worden seien, stünden auch weiterhin zur Verfügung. Nicht alle Abgeordnete wollen daran glauben. Einige Aktenteile seien bereits im Reißwolf verschwunden, heißt es bei den Grünen.

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