Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nimmt nach einer Kabinettssitzung an einer Pressekonferenz teil.
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Unterschiedliche Strompreiszonen gefährden laut Ministerpräsident Söder den Industriestandort Deutschland.

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"Großer Fehler": Söder warnt vor Strompreiszonen in Deutschland

Wer soll die Kosten für die Anbindung von Windrädern schultern? Darüber gibt es schon länger Streit zwischen Norden und Süden. Ein Vorstoß der Netzagentur erntet Kritik von Ministerpräsident Söder und der BayernSPD. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der Vorschlag der Bundesnetzagentur, unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland einzuführen, stößt in Bayern auf Widerstand. "Unterschiedliche Strompreiszonen wären ein großer Fehler", sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der "Süddeutschen Zeitung".

Wer solchen Zonen "das Wort redet, legt die Axt an den Industriestandort Deutschland und gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik". Dadurch drohe "eine weitere Abwanderung von Industriebetrieben aus Deutschland und ein wirtschaftlicher Abstieg".

Attacke "auf den Süden"? Bundesnetzagentur will Strompreisreform

Die Bundesnetzagentur hatte sich am Samstag für eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel Windkraft ausgesprochen. In Bayern, aber auch in Ländern wie Baden-Württemberg, wird deutlich weniger Windenergie produziert als in norddeutschen Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Brandenburg. Die Menschen im Norden müssen aber dennoch höhere Strompreise bezahlen.

Im Bundestag liege ein Gesetzentwurf, der die Netzagentur autorisieren würde, faire Netzentgelte einzuführen, sagte der Präsident der Behörde, Klaus Müller, der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Sobald das Gesetz verabschiedet ist, werden wir einen Vorschlag für die Reform machen."

Söder verwies darauf, dass es neben der Windkraft andere erneuerbare Energien gebe, bei denen Bayern sehr gut abschneide. Insgesamt sei Bayern deshalb "die Nummer 1 bei erneuerbaren Energien - und das sowohl bei installierter Leistung als auch Zubau". Unterschiedliche Strompreiszonen wären "eine weitere Attacke der Ampel auf den Süden", sagte Söder, der sich aktuell im Wahlkampf zu den Landtagswahlen im Oktober befindet.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund der Kommentare der Nutzer/innen „les2005“ und „Merkur“ im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.

Bayern ist bei den absoluten Zahlen Spitzenreiter für erneuerbare Energien. Wenn man die Zahlen allerdings in Relation zur Einwohnerzahl und Fläche des Bundeslandes setzt, befindet sich der Freistaat bundesweit nur noch im Mittelfeld. Bei der Windkraft pro Quadratkilometer steht Bayern bundesweit sogar auf dem vorletzten Platz, nur Berlin steht schlechter da. Mehr Informationen zur Lage der erneuerbaren Energien gibt es auch im Video von BR24: Versagt Bayern beim Klimaschutz? 💬

Der CSU-Chef betonte, dass Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsam gegen Strompreiszonen seien, "denn das würde unserem Industrieland schwer schaden".

"Mitschuld" der CSU: Auch BayernSPD gegen Strompreiszonen

Auch die SPD in Bayern lehnt Strompreiszonen ab. Die Vorsitzende Ronja Endres erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter, der kürzlich in "X" umbenannt wurde: CSU und der Energiedialog des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) hätten eine "Mitschuld" daran, "dass die EU Strompreiszonen fordert". Die CSU habe dadurch die Energiewende um Jahre verzögert. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Florian von Brunn stieß ins gleiche Horn: "Schuld an der ganzen Misere sind Markus Söder und die CSU, die über Jahre den Ausbau der Windkraft und der Stromleitungen verhindert haben und damit die Wirtschaft in Bayern massiv gefährden. Aber der Vorschlag von Klaus Müller ist auch keine Lösung."

Nachdem die Länder 2013 dem Bund die Kompetenz für den Bau neuer Stromtrassen übertragen hatten, stellte sich Seehofer 2014 überraschend auf die Seite der Trassengegner. Zahlreiche Bürgerinitiativen wehrten sich gegen deren Bau. Der Freistaat und die Bundesregierung sowie Fachleute und Lobbyisten diskutierten monatelang. Der sogenannte "bayerische Energiedialog" endete ohne klare Entscheidung. Um Seehofer entgegenzukommen, entschied die Bundesregierung 2015, die Leitungen vorrangig als Erdkabel unterirdisch verlegen lassen, anstatt oberirdisch. Zudem sollten bestehende Trassen stärker genutzt werden. Der Widerstand in Bayern gegen Freileitungen mit bis zu 75 Meter hohen Masten war besonders groß. Dies verzögerte den Bau der Trassen. Dieser wird erst in Jahren fertiggestellt sein. Auch die Kosten stiegen dadurch.

"Außer Frage": Niedersachsens Ministerpräsident begrüßt Vorschlag

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte hingegen die Überlegungen des Chefs der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, begrüßt. Derzeit zahlten die Stromkunden im Süden weniger als die im Norden, sagte Weil der Zeitung "Welt". "Es steht für mich außer Frage, dass dies mit Blick auf die notwendige Energiewende nicht so bleiben kann."

Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich inhaltlich nicht zur Anpassung der Strompreise äußern. Die Sprecherin verwies aber darauf, dass der Gesetzentwurf eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshof umsetze. Das Gesetz sei dann Voraussetzung dafür, dass die Netzagentur als unabhängige Regulierungsbehörde zukünftige Anpassungen vornehmen und ein Verfahren für eine Reform vorschlagen könne. Man setze auf den begonnenen Dialog mit den Bundesländern, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Agentur Reuters. "Es ist wichtig, dass sie zusammen an einer fairen Verteilung arbeiten", fügte sie hinzu.

Netzentgelte: Um was geht es bei dem Streit?

Hintergrund des Streits sind die Netzentgelte, eine Art Gebühr für die Nutzung des Leitungs- und Stromversorgungsnetzwerks, die vom örtlichen Stromnetzbetreiber erhoben wird. Durch das Netzentgelt werden der Betrieb und der Ausbau der Netze finanziert. Nach Angaben der Bundesnetzagentur macht diese Gebühr bei Haushaltskunden etwa ein Fünftel des gesamten Strompreises aus. Wie das Vergleichsportal Check24 Ende Juni mitgeteilt hatte, müssen Stromkunden in Bundesländern, die verstärkt erneuerbare Energien ausgebaut haben, vergleichsweise hohe Netznutzungsentgelte bezahlen.

In Regionen mit einem hohen Zubau an Windkraftanlagen sind zusätzliche Investitionen in neue Leitungen und weitere Infrastruktur notwendig, was die Netzentgelte für dort lebende Kunden beeinflusst. Die Kosten für den Anschluss von Windrädern ans Stromnetz sind wegen der Entfernungen zwischen den Anlagen vergleichsweise hoch. In den Küstenregionen ist die Bevölkerungsdichte zudem geringer. So werden die Kosten auf weniger Menschen umgelegt als etwa in städtischen Regionen. Es gibt also faktisch unterschiedliche Strompreiszonen.

Nord-Süd-Thema? Auch Regionen in Süddeutschland betroffen

Die Nord-Ministerpräsidenten haben bereits mehrfach eine Änderung gefordert - auch weil diese Benachteiligung in der Bevölkerung die Akzeptanz für den Bau neuer, dringend benötigter Windräder untergrabe. Nach Angaben von Branchenverbänden stockt derzeit insbesondere in Süddeutschland der Ausbau der Windkraft. Der Bau von Windrädern ist je nach Region häufig umstritten.

"Es liegt auf der Hand, dass wir den Erneuerbaren-Ausbau belohnen sollten. Ich kann den Frust vieler Bürger und Regionen darüber gut verstehen", sagte Klaus Müller. Und weiter sagte der Chef der Bundesnetzagentur: "Ich treffe keinen Energieminister in den Bundesländern, der dieses historisch gewachsene System noch gutheißt." Es seien schließlich auch Regionen in Süddeutschland betroffen, in denen viele Windräder aufgestellt und ans Netz angeschlossen würden. Deshalb sieht der Netzagentur-Präsident darin kein reines Nord-Süd-Thema. Ziel ist es, die Benachteiligung der Regionen mit Windkraft beim Strompreis zu beseitigen.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters.

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