Ein seltener Steinkrebs
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Ein seltener Steinkrebs

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Gibt es im Bayerwald Hoffnung für den seltenen Steinkrebs?

In einem Bach im Bayerischen Wald haben Forscher eine riesige Kolonie der seltenen Steinkrebse entdeckt. Es handelt sich um den deutschlandweit wohl bedeutendsten Lebensraum der Tierart. Das weckt die Hoffnung, die Krebsart erhalten zu können.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Es war ein überraschender Fund: In einem kleinen Gewässer im Bayerischen Wald haben Experten mehr als 700 Steinkrebse in einem 100 Meter langen Abschnitt entdeckt. Die kleinen Tiere sind selten und ganzjährig geschützt. Durch den Fund könnte die Art im Bayerischen Wald vermehrt werden.

Ideale Bedingungen

Bei einem Besuch am Bach werden als Erstes die komplette Ausrüstung und die Gummistiefel gründlich desinfiziert. Martin Graf von der Naturschutzbehörde im Landkreis Regen und Gewässerökologe Samuel Auer wollen nichts riskieren. Der Lebensraum für die Steinkrebse ist enorm wertvoll. Keinesfalls sollen durch den Menschen gefährliche Erreger in das Gewässer getragen werden.

"Beinahe unter jedem Stein sitzt hier ein Krebs", lacht Samuel Auer. Er muss es wissen, denn er hat hier im letzten Jahr wirklich jeden Stein umgedreht und die Tiere gezählt. Mit überraschendem Ergebnis: "Der Lebensraum hier ist ideal, aber eine so dermaßen hohe Dichte von über 700 Individuen pro 100 Meter ist bei dieser kleinen Gewässerbreite ist schon sehr überraschend", freut sich der Gewässerökologe.

Steinkrebse lieben es kalt

Wo genau sich der namenlose und vollkommen unscheinbare Bach durch einen Wirtschaftswald schlängelt, verraten die Forscher nicht. Sie wollen so gut wie jede Beeinträchtigung vermeiden. Denn noch ist der Lebensraum ideal. Ergiebige, saubere Quellen speisen den kaum einen halben Meter breiten und eine Handbreit tiefen Bach. Dessen Ufer ist an vielen Stellen unterspült, im sandigen Bachbett liegen viele Steine. Das bietet den nachtaktiven Steinkrebsen zahlreiche Versteckmöglichkeiten.

Und die hohen Bäume spenden im Sommer Schatten. "Steinkrebse lieben kaltes Wasser", erklärt Samuel Auer. Außerdem seien die Tiere auf sauberes Wasser angewiesen. Vor allem, wenn feiner Sand, Erde oder – noch schlimmer – Gülle oder Kunstdünger ins Wasser geraten, sterben die Steinkrebse. "Die Tiere vertragen im Gegensatz zu ihren größeren Verwandten, den Edelkrebsen, keine organischen Belastungen. Wenn links und rechts der Gewässer Landwirtschaft betrieben wird, ist der Steinkrebs eigentlich nie vorhanden", sagt Samuel Auer.

Einheimische Krebsarten kurz vorm Verschwinden

Wie alle anderen einheimischen Krebsarten sind auch Steinkrebse hochgradig vom Aussterben bedroht. "Wir wollten deswegen wissen, wo in den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau überhaupt noch Krebse leben", erläutert Martin Graf von der Naturschutzbehörde in Regen. Deswegen wurde im vergangenen Jahr in knapp 160 Gewässern gezählt.

Das Ergebnis ist ernüchternd: "Wir haben im Landkreis Regen in nur elf Gewässern Steinkrebse gefunden, den Edelkrebs gar nicht. Diese Art ist in nur vier Bächen im Landkreis Freyung-Grafenau nachgewiesen worden. Die Gesamtsituation ist schlecht bei uns, wir haben nur noch selten Krebse in unseren Gewässern", mahnt der Umweltexperte. Umso wichtiger sei der Nachweis der großen Steinkrebskolonie im Landkreis Regen.

Mensch und Signalkrebs sind die größte Bedrohung

Die Gründe für das drohende Aussterben der einheimischen Krebsarten sind zum einen der Verlust von Lebensräumen, zum anderen die Ausbreitung der nordamerikanischen Signalkrebse. In den vergangenen Jahrzehnten sind unzählige kleine Bäche trockengelegt, verrohrt oder begradigt worden. Außerdem belasten Straße, Forstwege und intensive Landwirtschaft die Wasserqualität. Gelangen beispielsweise auch nur kleine Mengen Insektizide in die Bäche, kann das zum Krebssterben führen.

Zusätzlich droht Gefahr durch die in den 1960er-Jahren eingeschleppten nordamerikanischen Signalkrebse. Diese Art vermehrt sich stärker und ist aggressiver als einheimische Krebse, die so zurückgedrängt werden. Dazu kommt, dass Signalkrebse die sogenannte Krebspest übertragen. Dabei handelt es sich um eine Pilzinfektion. Gegen die sind die Signalkrebse selbst immun, für die einheimischen Arten aber ist die Krebspest binnen weniger Tage tödlich. Auch im Landkreis Regen sind bereits in vier Gewässern Signalkrebse nachgewiesen worden, die ursprünglichen Arten sind verschwunden.

Steinkrebskolonie soll geschützt werden

"Wenn überhaupt, dann können wir die Signalkrebsinvasion nur noch in wenigen Oberläufen oder in diesem Quellbach aufhalten", sorgt sich Martin Graf mit Blick auf die Steinkrebskolonie. Hier könnten die Umweltexperten sogenannte Krebssperren einbauen. Denn Fische leben in dem kleinen Gewässer nicht. Krebssperren halten nämlich nicht nur Krebse, sondern auch Fische auf. Und mit dem Schutz der einen Art soll nicht eine andere gefährdet werden.

"Jede Krebspopulation werden wir vielleicht nicht retten können. Aber wir müssen jetzt etwas unternehmen. Denn in zehn Jahren werden wir vielleicht keine Krebse mehr haben, die wir schützen können", mahnt Martin Graf.

Neue Hoffnung für den Steinkrebs

Die jetzt entdeckte riesige Steinkrebskolonie im Bayerischen Wald gibt den Naturschützern aber neue Hoffnung. Denn von hier aus könnten vielleicht Tiere in andere, passende Gewässer umgesetzt werden. So könnten die Bestände vergrößert werden. Das aber klingt einfacher, als es ist, gibt Samuel Auer zu bedenken: "Zum einen können wir nicht mehr als höchstens zehn Prozent der Population entnehmen, zum anderen sollte das andere Gewässer nicht zu weit weg sein. Idealerweise sollte es dasselbe Einzugsgebiet sein", weiß der Gewässerökologe. Jetzt suchen die Forscher nach passenden Gewässern, damit die Steinkrebse im Bayerischen Wald vielleicht doch eine Zukunft haben.

Im Video: Kleiner Bach begeistert Naturschützer

Ein Krebs am Bachgrund
Bildrechte: Samuel Auer/Büro blattfisch
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Ein Krebs am Bachgrund.

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