In Bayern gibt es immer weniger Landwirte. Wir haben ein Paar besucht, das wieder einen Bauernhof am Ort ansiedeln will - und das ganz klein anfängt.
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In Bayern gibt es immer weniger Landwirte. Wir haben ein Paar besucht, das wieder einen Bauernhof am Ort ansiedeln will.

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Gegen das Höfesterben: Quereinsteiger pachten Hof

Viele landwirtschaftliche Betriebe mussten in den vergangenen Jahren zusperren. Ein junges Paar aus dem Landkreis Rosenheim will sich dem Trend entgegensetzen – obwohl sie keinen Hof zu Hause haben.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Matthias Zimmer kommt aus Höhenmoos – vor knapp drei Jahren hat hier der letzte Landwirt seinen Stall zugesperrt: Sein Nachbar und Freund Sepp Unterseher, in dessen Stall er quasi aufgewachsen ist. Wo früher Kühe standen, ist heute eine Lagerhalle. Der Futtertisch wurde herausgerissen und mit Beton aufgefüllt.

Als damals die letzten Kühe den Stall verlassen haben, war das ein schwerer Tag für Sepp Unterseher. Unter Tränen hat sich der Landwirt damals von seinen Kühen verabschiedet. Der alte Stall mit Anbindehaltung war für ihn nicht mehr tragbar. Ein teurer Um- oder Neubau hätte sich nicht gelohnt. Sepp Unterseher hat keinen Hofnachfolger.

Immer weniger Bauernhöfe

Und auch für Matthias war es ein prägendes Ereignis. Eine Zeitlang habe er sich auf Distanz gehalten und sei dem Hof aus dem Weg gegangen. Zu schmerzhaft war die Erinnerung.

Für ihn sei das immer normal gewesen, dass in ihrer Ortschaft jedes zweite Haus ein Bauernhof war. Aber nach und nach habe einer nach dem anderen aufgehört. Matthias würde sich wünschen, dass ein Hof auch mit zehn oder 15 Tieren erhaltenswert ist.

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland geht kontinuierlich zurück. Zwischen 2010 und 2020 sank die Zahl um 36.100 auf 262.800 Betriebe – das entspricht im Schnitt etwa zehn aufgelassenen Betrieben pro Tag.

Neustart ohne eigenen Hof

Die Entwicklung in Höhenmoos war für Matthias Zimmer Grund genug, zu sagen: So darf es nicht weitergehen. Mit Freundin Hannah Keplinger will er in der Gegend wieder eine kleine Landwirtschaft aufbauen. Und das, obwohl er selber gar keinen Betrieb zu Hause hat und in einer Umzugsfirma arbeitet.

Angefangen haben sie deshalb klein: erst Schafe, dann die erste Kuh und Kälber, später Hühner. Ihre Tiere haben sie in mehreren Ställen rund um Höhenmoos untergestellt, die sie angemietet und provisorisch umgebaut haben. Obwohl so viele Gebäude leer stehen, sei es schwierig gewesen, etwas zu finden. Genauso schwierig, wie Flächen zu pachten. Matthias erklärt, dass viele natürlich lieber sicher verpachten als an jemanden wie ihn, der damit als Hobby startet und von dem man nicht weiß, ob er nächstes Jahr vielleicht schon wieder aufhört.

Doch das Paar konnte sich durchsetzen und zeigte Willenskraft. Mittlerweile bewirtschaften sie sechs Hektar rund um Höhenmoos – vor allem mit alten Maschinen. Ihren rostigen Heuschwader wollte der Vorbesitzer eigentlich an einen Sammler geben. "Der war sehr überrascht, als ich gesagt hab, dass wir wieder damit arbeiten wollen."

Anfrage über Ebay

Zwei Jahre lang träumte das Paar von einem eigenen Hof. Hat Tierärzte, Besamer und Nachbarn gefragt, ob sie jemanden kennen und Anzeigen im Internet geschaltet. Kurz vor Weihnachten 2023 ging es dann ganz schnell. In Ebay erhalten Sie einen Tipp: Ein Hof zur Pacht wäre frei. Nicht in Höhenmoos, aber nur 15 Minuten weiter weg in der Nähe von Aschau. Jetzt ziehen sie schon mit ihren Tieren ein.

Der Hof liegt etwas abgelegen in einem Tal ohne direkte Nachbarn. Das alte weiße Bauernhaus von 1830 mit den grünen Fensterläden liegt am Fuße eines hohen Berges, am Rand des Grundstücks verläuft ein Bach. Direkt neben dem Haus ist eine große Weide, ein weitere auf der anderen Straßenseite. Platz genug, damit die Tiere immer draußen sein können, wenn sie wollen. Matthias und Hannah waren sofort verliebt. Auch wenn Matthias am Anfang Bedenken hatte. Eigentlich wollte er nie von Höhenmoos weg. Woanders habe er sich nie zu Hause gefühlt.

Umbauarbeiten für die Tiere

Doch die beiden ergreifen die Chance. 1.950 Euro monatlich zahlen sie für Hof, Haus und Felder. Da der Hof nicht gekauft, sondern nur gepachtet ist, vertrauen sie auf ihre Vermieterin. Ihr Eindruck: Sie suche jemanden, der das alte Haus und den Hof schätzt und sich langfristig darum kümmert.

Den alten Pferdestall haben sie bereits umgebaut, damit sich Kuh, Stier und Kälber wohlfühlen. Zu tun ist noch genug. Teilweise fehlen noch die Stalltüren und die Weide direkt am Haus muss auch noch besser abgesteckt und gesichert werden. Kater Igidius und die Hühner gewöhnen sich schon ein und auch ihre trächtige Kuh Bella haben sie zum Glück noch rechtzeitig hergefahren, denn Kälbchen Rosi hat sich früher auf den Weg gemacht als geplant.

Für Matthias ein emotionaler Moment. Es sei etwas ganz anderes, bei einem anderen Betrieb mitzuhelfen, als wenn das erste eigene Kalb auf dem eigenen Hof zur Welt kommt.

Start als Nebenerwerbslandwirtschaft

Für den Betrieb können sich die beiden in Zukunft ein paar Mutterkühe vorstellen. Alles nach und nach. Sie wollen in diesem Jahr noch weitere Kurse aus dem Bildungsprogramm Landwirt abschließen und dann überlegen, in welche Richtung sie gehen wollen. Das Bildungsprogramm Landwirt ermöglicht auch Quereinsteigern den Einstieg in die Landwirtschaft.

"Wir sind noch weit davon entfernt, dass es sich lohnt", sagt Matthias. Ihm sei klar, dass so schnell kein Vollerwerbslandwirt aus ihm werde, das sei auch nicht sein Anspruch. Fürs Erste wolle er ganz normal weiterhin in die Arbeit gehen.

Schwieriger Umzug mit den Schafen

Nun fehlen aber noch die Schafe. Die stehen aktuell noch auf einer Weide in Höhenmoos. Eigentlich werden sie mit dem Hänger regelmäßig von Weide zu Weide gefahren, das heißt aber noch lange nicht, dass es immer klappt. Matthias hofft, dass alles gut geht. Gemeinsam locken sie die Schafe in den Hänger. Doch eins springt in letzter Sekunde wieder raus. Also erneut ein Versuch. Matthias läuft eine große Runde, er voraus, die Schafe hinterher. Doch die Tiere wollen nicht mit.

Durchhaltevermögen mussten sie auch in den vergangenen Jahren beweisen. Der Weg zu ihrem eigenen Hof war holprig. Viel Geduld mit den Behörden war nötig. An den verschiedenen Anträgen wäre Matthias fast verzweifelt, sagt er. Denn ganz neu anfangen, das kommt eher selten vor. Eine Mitarbeiterin des Landwirtschaftsamtes erzählte sogar am Telefon, dass sie in den vergangenen fünf Jahren keine einzige Betriebsnummer neu zugeteilt habe. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Hannah und Matthias haben nun offiziell eine Nebenerwerbslandwirtschaft.

Endlich zu Hause

Nach einer längeren Pause starten die beiden einen letzten Versuch, um die Schafe einzuladen. Der Bock steigt als Letzter ein, dann ist die Klappe endlich zu. Angekommen in Aschau dürfen die Schafe direkt auf die Weide. Auch den alten Heuschwader haben sie in einem Schuppen untergestellt.

Mit jeder Maschine und jedem Tier kommen die beiden mehr in ihrem neuen Zuhause ein. Matthias sagt, es fühlt sich an wie endlich ankommen. Er habe nie erwartet, dass es so schnell geht, aber ihr Hof in Aschau, das sei für ihn mittlerweile "dahoam".

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