Ein Blick in das Hafenlohrtal, das nun Kandidat für das Naturwunder 2023 ist.
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Ein Blick in das Hafenlohrtal, das nun Kandidat für das Naturwunder 2023 ist.

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Fast zerstört, jetzt Naturwunder-Kandidat: Das Hafenlohrtal

Vor 45 Jahren wäre das Hafenlohrtal im Spessart fast einem Trinkwasserspeicher zum Opfer gefallen. Jetzt steht es als einziger bayerischer Kandidat zur Wahl als Naturwunder des Jahres. Eine weitere Episode der bewegten Geschichte dieses Landstrichs.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Alljährlich ruft die Heinz-Sielmann-Stiftung, die sich für Naturschutz und Naturerleben einsetzt, zur Wahl eines Naturwunders auf. Als Jury kommt dabei die Öffentlichkeit zum Zuge. Auf der Website der Stiftung kommt man unter "Naturwunder des Jahres 2023" ins virtuelle Wahllokal und kann dort seinen Favoriten unterstützen – noch bis 12. November.

Dieses Mal stehen bundesweit acht Landschaften zur Auswahl, die sich gut durchwandern lassen. Einziger bayerischer Kandidat: das Hafenlohrtal im unterfränkischen Spessart. Ob es sich mit dem Titel "Naturwunder" schmücken darf, entscheidet sich bis Ende dieser Woche. Doch dass das Tal überhaupt als potenzielles Naturwunder in Frage kommt: Allein das könnte man bereits als Wunder bezeichnen.

Wasserspeicher war geplant

Seinen Namen hat das Tal vom Flüsschen Hafenlohr. Auf rund 20 Kilometern Länge schlängelt es sich von Rothenbuch im Hochspessart aus talwärts bis hinunter zum Main. Über 1.800 seltene Tier- und Pflanzenarten lassen sich hier nachweisen.

Bis heute mäandert die Hafenlohr in ihrem angestammten Bett dahin - keine Selbstverständlichkeit. Denn vor 45 Jahren plante die bayerische Staatsregierung, das Tal in einen riesigen Trinkwasserspeicher zu verwandeln. Auf einer Länge von 15 Kilometern – so das Konzept - wäre das Tal in einem bis zu 60 Meter tiefen Stausee versunken.

Schönauer: Mensch nimmt sich zu wichtig

Sebastian Schönauer, damals Lehrer und Zweiter Bürgermeister von Rothenbuch, wurde zur Leitfigur des Widerstands. Bis heute führt er die Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal an, die das Staudammprojekt nach jahrzehntelangem Kampf schließlich verhindern konnte.

"Der Mensch meint immer, er sei der wichtigste. Nein, wir sind auch nur ein kleiner Baustein. Und wenn die Bausteine immer weniger werden, dann hat der Mensch auch keine Chance mehr", sagt Schönauer heute mit Blick auf den Artenreichtum im Tal.

Früher harte Arbeit, heute Wanderromantik

Das Hafenlohrtal war seit jeher spärlich besiedelt. Die wenigen Bewohner mähten Gras für ihr Vieh oder flößten Baumstämme für die Kohlegewinnung zu Tal. Dazu stauten sie das Wasser der Hafenlohr in einem Driftkanal auf und ließen es dann etappenweise ab, um die Welle zum Transport oder für den Antrieb von Getreidemühlen zu nutzen. Alles in allem war das ein mühsames Geschäft.

Heute kommen Wanderer und Radler ins Tal, um die Natur zu genießen. Aber auch die urige Gastlichkeit, die bereits Kurt Tucholsky zu schätzen wusste. Der Schriftsteller kam 1927 mit Freunden ins Hafenlohrtal und schrieb darüber: "Dies ist eine alte Landschaft. Die gibt es gar nicht mehr; hier ist die Zeit stehen geblieben. Wenn Landschaft Musik macht: Dies ist ein Streichquartett."

Kein Handyempfang, teils kein Strom

"Ja, natürlich abstimmen für das Hafenlohrtal", ermuntert Ruth Radl, promovierte Biologin und Mitglied im Landesvorstand des Bund Naturschutz, aktuell alle Freundinnen und Freunde dieser Landschaft. Das Wunderbare aus ihrer Sicht beschreibt sie so: "Es gibt keine Ortschaften, es gibt keinen Handyempfang, manchmal gibt es keinen Strom. Allein das ist schon besonders. Und auch die Geschichte dieses Tals ist besonders."

Damit das Tal und seine Landschaft besonders bleibt, legen sich auch vierbeinige Landschaftspfleger wie Schafe und Wasserbüffel mächtig ins Zeug.

Schlussspurt für die Abstimmung zum Naturwunder 2023

Sebastian Schönauer schielt auf sein Smartphone und schmunzelt: Auch wenn er hier keine Nachrichten empfangen kann, so hat er doch bereits ungezählte Reaktionen auf seine Aufrufe zur Abstimmung bekommen. Durch seine zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen im Umweltschutz verfügt Schönauer über ein riesiges Netzwerk bis nach Brüssel. "Die schreiben dann zum Beispiel: Alles klar, Wastl, schon erledigt!"

Schönauer bekräftigt: "Jetzt ist der Schlussspurt angesagt: Wir könnten gewinnen. Wobei, übers Gewinnen möchte ich nicht streiten. Es reicht schon, wenn wir nach vorne kommen, wenn wir auch weiterhin bekannt sind und für die Sache der Erhaltung von Natur und Kulturlandschaften werben zu können."

Zum Video: Unter unserem Himmel – Das Hafenlohrtal im Spessart

Hafenlohrtal: An der Hafenlohr in der Lichtenau steht noch ein weiterer Gasthof, der „Hohe Knuck“.
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Das Hafenlohrtal im Spessart

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