Geothermie-Projekt im Münchner Stadtteil Freiham (Archivbild)
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Geothermie-Projekt im Münchner Stadtteil Freiham (Archivbild)

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Erdwärme in Bayern: Hotspots, Risiken und Chancen

Geothermie nutzt rund um die Uhr Wärme aus der Tiefe. Umweltfreundlich - aber im Aufbau auch teuer. Die Erschließung birgt für Gemeinden ein finanzielles Risiko. Gerade in Bayern lohnt sich Erdwärme meist aber doch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der Freistaat hat aufgrund seiner geologischen Bedingungen ein hohes Potenzial für die Nutzung von Geothermie. Insbesondere im südlichen Teil Bayerns gibt es bereits geothermische Hotspots, die sich für die Gewinnung von Erdwärme eignen. In der Region um München und Rosenheim gibt es beispielsweise bereits mehrere Geothermieanlagen, die erfolgreich betrieben werden.

Erdwärme ist dabei eine zuverlässige und auch emissionsarme Energiequelle, die insbesondere in Gebieten mit einem hohen Wärmebedarf wie im Flächenstaat Bayern ein großes Potenzial hat. Es gibt jedoch auch Herausforderungen bei der Nutzung von Geothermie, insbesondere im Hinblick auf die Erschließung geeigneter Standorte. Das gilt vor allem für die Finanzierung von Geothermieprojekten.

Konzentration im Süden Bayerns

In Bayern wird die Geothermie derzeit vor allem für die Wärmeversorgung von Wohn- und Gewerbegebieten genutzt. Vor allem in und um die Landeshauptstadt München, aber auch in den oberbayerischen Gemeinden Holzkirchen, Pullach, Waldkraiburg oder Traunreut wurde bereits erfolgreich gebohrt. Derzeit entsteht in Gelting bei Geretsried das bisher wohl größte Projekt Bayerns.

Michael Drews, Professor für Geothermische Energiesysteme der TU München, sieht noch mehr vielversprechende Standorte im Freistaat: "Hier gibt’s ja durchaus Flecken auf der Landkarte, wo wir noch keine Geothermie-Projekte haben. Und da würde es sich schon lohnen den Untergrund erstmal weiter zu untersuchen, um festzustellen, ob man dort auch Geothermie betreiben kann."

Tiefe Geothermie: So geht's

Während man mit oberflächennaher Geothermie zumindest Ein- oder Mehrfamilienhäuser beheizen kann, liefert die tiefe Geothermie so viel Energie für die Kraftwerke, das ganze Stadtviertel mit Wärme versorgt werden können. Hier wird in der Regel zwischen zwei- und viertausend Meter tief gebohrt.

In Bayern wird bislang nur die sogenannte "hydrothermale Geothermie" betrieben. Dabei werden zwei Löcher gebohrt: Aus dem einen holt man heißes Thermalwasser aus der Erde, entzieht ihm die Wärme und leitet es dann durch die andere Bohrung wieder hinein. Mit Hilfe von Fernwärmeleitungen kommt die Wärme so in den umliegenden Vierteln an.

Geothermie in Bayern: bisher 26 von 31 Probebohrungen erfolgreich

In Deutschland gibt es insgesamt 42 Geothermie-Kraftwerke, davon stehen 25 in Bayern. Durch den Süden Bayerns zieht sich das sogenannte "Molassebecken" - grob gesagt von Schwaben bis Niederbayern. Nur wenige Regionen in Deutschland sind durch die Gesteinsschichten so gut für die Geothermie geeignet. Das "Reservoir" ist hier durchlässig genug und das Thermalwasser teils über 120 Grad heiß, wenn es nach oben kommt. Von 31 Bohrversuchen war man in Südbayern bis jetzt 26 Mal erfolgreich.

Ist in Nordbayern das heiße Wasser bislang ausschließlich für Thermalbäder genutzt worden, sieht Wolfgang Bauer, Leiter der Forschungsgruppe Tiefe Geothermie, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg noch mehr Möglichkeiten für Erdwärme: "Sie kann's nicht überall - aber zum Beispiel in dem Gebiet Schweinfurt-Bamberg-Coburg kann sie die Wärmeversorgung wahrscheinlich komplett darstellen."

Hemmschuh 1: hohe Erschließungskosten

Viele Kommunen wagen auch deshalb keine Probebohrungen, weil das finanzielle Risiko trotz aller geologischen Voraussetzungen sehr hoch ist. Private Investoren finden sich wegen der niedrigen Renditen kaum. Jede Bohrung kostet um die zehn Millionen Euro, für die Kraftwerkstechnik kann sich die Summe schnell verdreifachen und jeder Meter Fernwärmeleitung kostet dann mindestens tausend Euro, um die Wärme schließlich auch in der Region zu verteilen.

Hemmschuh 2: die Bürokratie

Auch wenn die Bundesregierung bereits Ende 2022, in einem Eckpunktepapier beschlossen hat, den Ausbau der Geothermie in Deutschland stärker zu fördern, ist es noch ein weiter Weg bis zur Erschließung möglicher Potentiale. Und das liege nicht nur am Geld, sondern – wie so oft – auch an der Bürokratie, sagt André Deinhardt, Geschäftsführer beim Bundesverband Geothermie. "Hier bedarf es ganz dringend eines Geothermie-Erschließungsgesetzes, was ähnlich wie bei Windenergie alle möglichen Gesetze, die zu beschleunigen sind, bündelt. Dazu zählen das Bundesberggesetz, aber auch das Bundesbaugesetz und eine Reihe von weiteren Gesetzen, die in einem Genehmigungsverfahren relevant sind. Vorschläge liegen auf dem Tisch."

Langfristig lohnt es sich

Pionier einer kleinen Gemeinde, die schon vor knapp 20 Jahren begonnen hat, die Wärmeversorgung auf Geothermie umzustellen, ist Erwin Knapek. Er hat als Bürgermeister von Unterhaching den Schritt gewagt und den Wechsel zur Erdwärme nicht bereut: "Es ist technisch alles machbar und sie ist unabhängig von jeglicher Witterung, von jeglicher Jahres- und Tageszeit. Also immer vorhanden, 24 Stunden am Tag und ich verstehe nicht, warum man da nicht ohne Weiteres reingeht. Ich kann es nur aus wirtschaftlichen Gründen verstehen: Man erzielt natürlich jetzt nicht sofort hohe Renditen mit der Geothermie." Langfristig - und das zeigt sich auch am Beispiel Unterhaching - lohnt es sich aber auf jeden Fall.

Angst vor Erdbeben - berechtigt?

In Puchheim, im Landkreis Fürstenfeldbruck, haben sich 2018 über 70 Prozent der Bürger gegen ein Geothermieprojekt entschieden. Das Votum dürfte auch deshalb so deutlich ausgefallen sein, weil zuvor über mögliche Erdbeben in Poing, im Osten Münchens spekuliert worden war, angeblich ausgelöst durch Geothermie.

Ein direkter Zusammenhang konnte allerdings nie hergestellt werden. Tatsächlich können zwar Mikroerdbeben entstehen, ausgelöst durch den Druck, mit dem das Wasser wieder zurück in die Erde gepumpt wird, aber die wenigsten dürften diese überhaupt spüren. Außerdem gibt es jedes Jahr mehrere natürlichen Erdbeben in Bayern. Die LMU München betreibt zudem ein sensibles Sensornetz, um die Erdstöße rund um die bayerischen Geothermiekraftwerke zu überwachen.

Neue Technik, neue Hoffnung

Nicht alle Bohrungen sind bisher erfolgreich. Mauerstetten im Ostallgäu hat derzeit ein tiefes Bohrloch, aber kein nutzbares Thermalwasser. Vor über zehn Jahren erlebte auch Gelting im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen bei der Erschließung eine echte Pleite: zwei Bohrungen, aber kein heißes Wasser, das sprudelte. Was blieb, war ein tausende Meter tiefes Bohrloch, das Millionen kostete. Mit neuer Technik aus Kanada soll aber jetzt, in der Nähe von Geretsried, doch noch die größte Anlage für Geothermie in Bayern entstehen. In 4.500 Metern Tiefe wird ein spezielles Wassergemisch durch Röhrensysteme in der Tiefe geschickt. Bis zu 120 Grad heiß kommt es dann wieder an die Erdoberfläche zurück.

Petrothermale Geothermie - eine Art "Hot-Stone-Verfahren".

Per Fernwärme könnten dann bis zu 200.000 Haushalte in der Region Geretsried und Wolfratshausen mit Wärme versorgt werden. Das kanadische Energieunternehmen "Eavor", das die Technik entwickelt hat, rechnet mit bis zu 300 Millionen Euro Baukosten. Etwa ein Drittel übernimmt ein Technikfonds der Europäischen Kommission. Bis zum Herbst 2024 soll die erste, zwei Jahre später dann auch die zweite Anlage samt Kraftwerk in Betrieb gehen.

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