Benutzte Einweg-Kaffeebecher liegen in einem Mülleimer.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Mehrwegangebotspflicht: Gesetz mit Lücken

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Getränke und Speisen to go: Wie gefragt ist Mehrweg?

Seit einem Jahr gilt für Gastronomie und Handel die Mehrweg-Angebotspflicht. Ist der Verpackungsmüll dadurch weniger geworden? Das BR-Politikmagazin Kontrovers hat alle bayerischen Städte und Landkreise befragt.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

237 Kilogramm Verpackungsmüll fällt in Deutschland jedes Jahr pro Kopf an. Die gesetzliche Verpflichtung zu Mehrwegangeboten in Handel und Gastronomie sollte die Müllberge reduzieren. Doch die sogenannte Mehrweg-Angebotspflicht hat keine Verbesserung gebracht, wie eine exklusive, bayernweite Umfrage des BR-Politikmagazins Kontrovers zeigt. Nur vier der 96 Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern haben angegeben, dass sich der Verpackungsmüll durch die Mehrwegangebotspflicht verringert hat. Doch warum wird der Verpackungsmüll nicht weniger? Wird das Gesetz nicht umgesetzt?

Testkäufe in München: Einweg statt Mehrweg

Schon vor einem Jahr hat der BR Stichproben gemacht. Mehrweg gab es damals nirgends. Dafür einen bunten Mix aus Plastik, Pappe und Aluminium. Dabei müssen seit 1. Januar 2023 Gastronomiebetriebe Mehrwegbecher anbieten und für Speisen entsprechende wiederverwendbar Behälter. Allerdings: Während die Mehrweg-Angebotspflicht bei To-go-Getränken immer gilt, muss bei Speisen Mehrweg nur dann angeboten werden, wenn die Einwegverpackung aus Plastik ist. Karton oder sogar das umweltschädliche Aluminium sind erlaubt. So sieht es das entsprechende Bundesgesetz vor.

Das Ergebnis einer erneuten Stichprobe von Kontrovers jetzt, ein Jahr später: wieder gibt es oft – trotz der Bitte um Mehrweg – nur Einweg.

Gesetzeslücke: Pappe und Alu statt Plastik

Charlotte Lachmann von rehab republic, einem von der Stadt München geförderten Verein, der Gastronomen, Händler und auch Verbraucher in Sachen Nachhaltigkeit berät, sieht sich die Verpackungen aus der Stichprobe an. Sie kann nicht verstehen, warum der Gesetzgeber Mehrweg nur bei Einwegverpackungen aus Plastik vorschreibt. Diese Regelung führe dazu, dass viele Betriebe ausweichen und von Plastik einfach auf Pappe oder Aluminium umsteigen. Aus Umweltsicht sei das kein Fortschritt. Sie fordert deshalb eine Änderung im Gesetz.

Im Bundesumweltministerium in Berlin kennt man das Problem. Es gibt seit Juni 2023 sogar einen Gesetzesentwurf, in dem die Mehrweg-Angebotspflicht auf andere Materialien ausgeweitet werden soll. Doch seitdem ist es still. Schon über ein halbes Jahre lang. Auf Anfrage des BR-Politikmagazin Kontrovers erklärt das Umweltministerium, dass sich der Gesetzentwurf derzeit in der Ressortabstimmung befinde und man sich zu Zwischenständen aus internen Beratungen der Bundesregierung üblicherweise nicht äußere.

Kaum Kontrollen wegen Personalproblemen

Doch selbst wenn es irgendwann eine Änderung gibt, ein Problem bleibt: Die Kommunen können die Einhaltung der Mehrweg-Angebotspflicht kaum kontrollieren, wie die Kontrovers-Umfrage zeigt. Rund ein Drittel der Landkreise und kreisfreien Städte haben 2023 die Einhaltung der Mehrweg-Angebotspflicht gar nicht kontrolliert. Und die meisten anderen nur stichprobenartig. Als Begründung nennen die Kommunen vor allem Personalprobleme.

Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt es auch für die Gastronomen, wie Oliver Wendel vom Münchner Augustiner am Platzl erklärt. Er habe Mehrwegbehälter, aber die machten im täglichen Gebrauch Ärger, weil sie für seine Spülmaschine zu leicht seien. Durch den starken Wasserdruck in Hochleistungsspülmaschinen wird das Mehrweggeschirr durcheinandergewirbelt.

Und es gibt noch ein Problem: Kaum ein Gast frage nach Mehrweg.

Gastronom: "Nur 25 Mehrwert-Ausleihen im ganzen Jahr"

Diese Erfahrung macht auch Matthias Seliger vom Restaurant L'Osteria, in Amberg. Die Mehrwegbehälter liegen bei ihm wie Blei im Regal, erzählt der Gastronom. Er spüle alle regelmäßig durch, damit sie nicht verstauben, aber er habe im gesamten Jahr 2023 nur 25 Ausleihen gehabt.

Doch warum wollen die Kunden kein Mehrweg? In einer nicht-repräsentativen BR-Umfrage erklären mehrere der spontan befragten Verbraucher, dass vor allem die Rückgabe das Hauptproblem sei.

Das zeigt auch eine weitere Stichprobe. Das Kontrovers-Team hat in verschiedenen Bäckereien Kaffee to go gekauft und gegen Pfand tatsächlich überall Mehrwegbecher bekommen. Allerdings: Zurückgeben kann man die Becher nur in den Filialen des jeweiligen Unternehmens. Diese sogenannten Insellösungen machen es für Verbraucher kompliziert.

Rückgabe am Pfandflaschenautomat

Ein möglicher Lösungsansatz wären einheitliche Pfandbehälter, die man im teilnehmenden Handel zurückgeben kann, wie es heute zum Beispiel schon bei Rewe, Hit und einigen Tankstellen und Bäckereien möglich ist. Roland Große von der Firma Sykell, die dieses Rückgabesystem betreibt, erklärt: "Es ist ein ganz einfaches System. Sie entleihen den Behälter gegen Pfand und geben ihn wie eine Mehrweg-Bierflasche am Pfandautomaten wieder zurück. Man muss es dem Kunden einfach machen. Sonst funktioniert es nicht."

Bilanz nach einem Jahr: Es muss bei Verbrauchern, Wirtschaft und Politik noch viel passieren, damit Mehrweg ein Erfolg und der Müll weniger wird.

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