Die Atomkraftwerke (AKW) Isar 1 (r.) und Isar 2 mit dem Kühlturm in der Mitte.
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Die Atomkraftwerke (AKW) Isar 1 (r.) und Isar 2 mit dem Kühlturm in der Mitte.

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"Drei bis fünf Jahre": Söder für Verlängerung der Atomkraft

Bayerns Ministerpräsident Söder ist dafür, einige Kernkraftwerke in Deutschland drei bis fünf Jahre länger laufen zu lassen. Das sagte der CSU-Politiker nach einer Sitzung des Kabinetts. Damit soll die Abhängigkeit von russischem Gas geringer werden.

Um die Energiesicherheit angesichts des Kriegs in der Ukraine zu gewährleisten, sollten die Kernkraftwerke in Deutschland laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drei bis fünf Jahre länger am Netz bleiben. Das sagte er nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München. Entscheiden müsste eine solche Laufzeitverlängerung allerdings der Bund, nicht Bayern.

Konkret sprach Söder davon, auf diese Art Versorgungssicherheit und Klimaschutz zu verbinden. Zwar sei er anders als früher kein Anhänger der Kernenergie und sehe deren Herausforderungen - eine Verlängerung sei aber besser, als die Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. Denn auch damit mache man sich abhängig, etwa von Kohle-Lieferanten.

Habeck: Kurzfristig keine AKW-Verlängerung

Damit positioniert sich Bayerns Ministerpräsident in der seit Tagen laufenden Debatte, wie Deutschland künftig weniger abhängig von aus Russland importiertem Gas werden kann. Am Sonntag hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der ARD erklärt, sein Ministerium habe eine Verlängerung der Laufzeiten geprüft, sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sich diese kurzfristig nicht umsetzen ließe. Am Mittwochmorgen schloss Habeck im Deutschlandfunk eine Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken dagegen nicht aus.

Söder: Verlängerung von Isar 2 möglich

Laut Söder wäre eine Verlängerung des bayerischen Atomkraft-Meilers Isar 2 nach seinen neuesten Informationen möglich. Eigentlich soll die Anlage im niederbayerischen Essenbach Ende 2022 als eines der letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Deutschland solle aber keine neuen Kernkraftwerke bauen, betonte der CSU-Politiker.

  • Zum Artikel "Mögliche Isar 2-Laufzeitverlängerung: Reaktionen aus Landshut"

Bayerns Ministerpräsident plädierte dafür, angesichts der aktuellen Lage "keine ideologischen Debatte" über die Kernenergie zu führen. Stattdessen müsse man übereinander legen, was für einen kurzen und begrenzten Zeitraum helfe. "Wir bräuchten in den nächsten Wochen eine Entscheidung." Richtig sei auch, die Gasspeicher in Deutschland "über internationale Märkte" zu füllen.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach mit Blick auf die Atomkraftwerke von "großen Fragen, die aber überwiegend im Bund entschieden werden". Zunächst müsse man schauen, ob eine Verlängerung technisch möglich sei – dann müsse man erst rechtlich bewerten und schließlich politisch entscheiden. "Mit der Kernenergie könnte man die Gasspeicher schonen", sagte Aiwanger.

Bund Naturschutz: Söders Vorstoß "geschichtsvergessen"

Der Vorsitzende des Bunds Naturschutz (BN) in Bayern, Richard Mergner, kritisierte Söders Vorstoß als "geschichtsvergessen und verantwortungslos". Atomkraft sei gefährlich, zu langsam für den Klimaschutz und zu teuer, betonte Mergner. "Wer sie jetzt aus ihrem Grab holen möchte, setzt auf die völlig falschen Prioritäten." Auch Isar 2 müsse wie vorgesehen am Ende des Jahres vom Netz gehen, forderte er. Nötig sei vielmehr ein Ausbau der erneuerbaren Energien.

BN-Energiereferent Michael Remy warnte vor unkalkulierbaren Risiken der Atomkraft für nachfolgende Generationen. Laufzeitverlängerungen seien sicherheitstechnisch und organisatorisch nicht sinnvoll. "Denn es fehlen Brennstäbe und Personal." Zudem hätten Atomkraftwerke einen bis zu sechsmal höheren Treibhausgasausstoß als erneuerbare Energien "und sind ihnen auch hier klar unterlegen".

SPD-Landeschef von Brunn gegen AKW-Verlängerung

Der bayerische SPD-Vorsitzende Florian von Brunn sprach sich klar gegen Söders Forderung aus, einige Atomkraftwerke in Deutschland länger laufen zu lassen. "Wir als SPD haben eine klare Haltung: Wir wollen raus aus der Atomkraft und keine Verlängerung der Restlaufzeiten", sagte der SPD-Politiker bei BR24live. Um die Energieversorgung sicherzustellen, sprach sich von Brunn erneut für eine Abschaffung der 10-H-Regel aus. Seiner Meinung nach könnten so noch in diesem Jahr 1.000 neue Windräder im Freistaat gebaut werden.

Den Ukraine-Kurs der Staatsregierung unterstützt der SPD-Politiker dagegen. Er betonte, dass man den Menschen in der Ukraine und denen, die sich auf der Flucht befinden, helfen müsse. Gleichzeitig forderte von Brunn, dass die Sanktionen eingehalten werden. Er erwarte, dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) deutlich mache, dass bayerische Firmen keine Geschäfte mehr mit Russland machen sollten.

Grünen-Fraktionschef: "Scheindebatte" auf Basis von "Unkenntnis"

Auch die Landtags-Grünen äußerten sich skeptisch über eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerken. "Wichtig ist jetzt bei aller Dramatik der aktuellen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren", teilte Fraktionschef Ludwig Hartmann mit. "Die drei in Deutschland noch laufenden AKWs können Ausfälle bei Gas nicht ansatzweise decken." Außerdem seien Sicherheitsanforderungen über 2022 hinaus nicht gegeben: "Hier würden Nachrüstungen an den Kraftwerken und neue Zwischenlager nötig." Hartmanns Fazit: "Deshalb ist eine Laufzeitverlängerung für hochgefährliche Atomkraftwerke eine Scheindebatte auf Basis sachlicher Unkenntnis."

Staatsregierung setzt Partnerschaften mit Russland aus

Unterdessen verurteilte Söder den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erneut scharf. Bayern stehe an der Seite der Ukraine und helfe in der Not, sagte er.

Die Staatsregierung hat laut dem Ministerpräsidenten zudem alle staatlich mit Russland verbundenen Organisationen angewiesen, die entsprechenden Partnerschaften zu überprüfen und auszusetzen. Konkret geht es etwa um Verbindungen zwischen Hochschulen, Städten oder Firmen. Es gehe jetzt um den Erhalt der liberalen Demokratien, betonte Söder mit Blick auf die russische Invasion. Laut dem Kabinettsbericht ist die Zusammenarbeit der Staatsregierung "mit der russischen Seite, unter anderem mit der Stadt Moskau" gegenwärtig ausgesetzt.

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