Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) gibt im Landtag ihre erste Regierungserklärung ab.
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Die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) gibt im Landtag ihre erste Regierungserklärung ab.

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Digitalministerin: "Wir sind keine Follower, wir sind Leader"

Mehr und schnellere Digitalisierung für den Freistaat - Ministerin Gerlach hat heute ihren Plan mit 200 Maßnahmen im Landtag vorgelegt. Die Opposition zeigte sich unzufrieden und sprach von einer "Auflistung von Schlagwörtern und bereits Bekanntem".

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"Schluss mit der Zettelwirtschaft" forderte die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) heute zu Beginn ihrer ersten Regierungserklärung im Landtag. Diesem Anspruch, der sich auf das Arbeiten in bayerischen Behörden bezog, wurde sie selbst gerecht: Ihr Manuskript hatte sie in ihrem Tablet dabei, nicht ausgedruckt auf Papier.

Knapp 45 Minuten nahm sich Gerlach Zeit für ihre Vision von einem digitalisierten Freistaat, sie präsentierte eine "vollumfängliche Digitalstrategie unter Federführung meines Hauses", so die Ministerin. Vergangenes Jahr, bei der Einschulung ihres Sohnes, habe sie für sich die Prognose abgegeben, dass die Hälfte der Klasse einmal in Berufen arbeiten werde, "die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Die Zukunft wartet nicht auf uns, wir müssen die Zukunft jetzt gestalten", sagte Gerlach.

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"Das nächste ChatGPT kommt aus Bayern"

Gelingen soll das mit Hilfe von rund 200 Einzelmaßnahmen und Ideen die Gerlach in ihrem "Digitalplan Bayern" vorgelegt hat. Im Haushalt 2023 sind dafür knapp 500 Millionen Euro vorgesehen, gut 100 Stellen sollen in unterschiedlichen Bereichen geschaffen werden. "Wir in Bayern sind nicht Follower, wir sind Leader", sagte Gerlach und forderte selbstbewusst: "Ich will, dass das nächste Chat GTP aus Bayern kommt, dass wir die Macher sind, nicht nur die Nutzer."

Gerlach möchte bei der Digitalisierung alle Menschen ansprechen und mitnehmen - auch diejenigen, die nicht mit Smartphone und Laptop groß geworden sind. Helfen sollen beispielsweise Anlaufstellen in zunächst 30 Kommunen, in denen Bürger alle Fragen rund um Smartphone und Internet stellen können. Von der Online-Überweisung bis hin zum Arzttermin per Internet. Daneben kündigte Gerlach zahlreiche Fortbildungsangebote an: für Kindergärten, Schulen, Wirtschaft und Handwerk.

"Gang aufs Amt so einfach wie Online-Shopping"

Mehrfach betonte Gerlach, ihr Ziel sei es, eine der modernsten Verwaltungen überhaupt zu schaffen. Als Beispiel nannte sie das "Once-Only-Prinzip": Bürger müssten ihre Daten nur einmal mitteilen, die Behörden könnten dann vernetzt mit diesen Daten arbeiten. "Schluss mit der Zettelwirtschaft", forderte Gerlach. Neue Verfahren müssten konsequent digital gedacht werden. "Der Gang aufs Amt soll genauso einfach und nutzerzentriert werden wie Online-Shopping", so die CSU-Politikerin.

Grüne: "Das ist keine Digitalstrategie"

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen, kündigte an, Judith Gerlach nach der Regierungserklärung "in die Realität in Bayern zurückzuholen". Denn in Bayern sei es üblich, sich Formulare einer Behörde auszudrucken, zu unterschreiben und per Post zurückzuschicken. Schuld an diesem Digitalisierungsstand seien halbherzige politische Entscheidungen. Eine davon sei das Digitalministerium. "Klein, wenig Geld, wenig Macht, wenig Kompetenzen", so Schulze. Bayern brauche eine Digitalstrategie, keine Auflistung teils schon bekannter Maßnahmen.

SPD: "Kein Umgang mit dem Parlament"

Alle Vertreter der Oppositionsfraktionen zeigten sich verärgert darüber, dass ihnen der "Digitalplan Bayern" nicht vorab ausgehändigt oder gemailt worden war. Volkmar Halbleib (SPD) sagte: "Das ist kein Umgang mit dem Parlament. Das ist nicht mal der CSU würdig. Bis jetzt liegt uns keine Zeile vor. Da stehen Sie in der Digitalisierung in Bayern - herzlichen Glückwunsch." Helmut Kaltenhauser (FDP) kam zu dem Schluss: "Wer so etwas macht, hat etwas zu verbergen oder will die Auseinandersetzung vermeiden."

AfD: "Wir sehen nur noch die Rücklichter"

Die AfD kritisierte, dass in Gerlachs Papier nur "Sachen stehen, die wir schon kennen". Laut Gerd Mannes haben andere Länder Bayern und Deutschland längst abgehängt. "Bei der KI sehen wir nur noch die Rücklichter". Täglich erlebe er im Zug, sagte Mannes, dass es kein WLAN gibt, dass die Telefonie nicht funktioniert. Auch seien die europäischen Nachbarn bei der digitalen Verwaltung deutlich weiter.

Gerald Pittner von den Freien Wählern verteidigte Gerlachs Digital-Plan. Natürlich sei Bayern nicht immer vorne in allen Rankings dabei. Aber während die Staatsregierung nach vorne schaue, sehe die Opposition immer nur das Schlechte. Auch er fahre mit dem Zug, wohne am Land ohne Glasfaseranschluss, aber das sei nicht das Problem der Digitalministerin, so Pittner. Dem Grünen-Digitalexperten Benjamin Adjei musste Pittner jedoch eine Antwort schuldig bleiben. Der wollte wissen, wie viele Maßnahmen im Plan tatsächlich neu seien. Pittners Antwort: "Ich habe sie nicht durchgezählt."

SPD: "Ankündigungsshow des Ministerpräsidenten"

Volkmar Halbleib (SPD) sah eine Parallele zwischen dem Digitalplan und anderen Plänen, die Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Vergangenheit verkündet hatte: Es handle sich um eine "Ankündigungsshow", wenn man nach ein paar Jahren hinschaue, gebe es nur wenige Ergebnisse. Helmut Kaltenhauser von der FDP zeigte sich ebenfalls unzufrieden. "Ich hab mir mehr erwartet - naja, erwartet vielleicht nicht - gehofft hab ich, dass die Digitalisierung einen Schritt weiter nach vorne macht."

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