Der Fackelmarsch beim Pfingstkongress des Coburger Convents durch die Stadt (Archiv)
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Der Fackelmarsch beim Pfingstkongress des Coburger Convents durch die Stadt (Archiv).

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Coburger Convent: "Fahndungsplakate" gegen kritische Presse?

Beim Coburger Convent (CC) sollten Plakate mit Fotos von kritischen Journalisten verteilt werden. Das zeigt ein Mailverkehr des CC, der BR24 vorliegt. Auch ein Stadtrat sollte offenbar "politisch kaputt gemacht" werden. Der Verband widerspricht.

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Am Wochenende werden wie jedes Jahr die Mitglieder von rund 100 Studentenverbindungen, Landsmannschaften und Turnerschaften aus Deutschland und Österreich in Coburg zusammenkommen – insgesamt sind es tausende Verbindungsstudenten und sogenannte Alte Herren.

Denn der Coburger Convent (CC), die Dachorganisation der deutschsprachigen studentischen Landsmannschaften und Turnerschaften, feiert seinen Pfingstkongress, samt Fackelmarsch durch die Stadt. Organisiert wird das Event vom Verband Alter Herren im Coburger Convent (AHCC). Die Stadt unterstützt die Veranstaltung, indem sie Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, etwa in Schulen.

E-Mails belegen: Journalistin und Stadtrat im Visier

Doch nun sorgen interne E-Mails aus der Führungsspitze des AHCC für Aufregung. Die "Antifa Freiburg" hat große Teile des mutmaßlich internen E-Mail-Verkehrs des CC der vergangenen Jahre ausgewertet. Diese liegen dem Rechercheteam des Bayerischen Rundfunks und der Nürnberger Nachrichten (NN) vor. Aus dem Schriftverkehr geht hervor, dass Mitglieder der Alten Herren im CC in diesem Jahr zwei Personen in den Fokus genommen haben sollen. Nämlich eine freie Journalistin und einen Journalisten, der zugleich auch Stadtrat in Erlangen ist und publizistisch für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus arbeitet. Beide haben sich zuvor kritisch mit dem Coburger Convent auseinandergesetzt.

Fotos von kritischen Journalisten als Plakate geplant

Anfang Mai schrieb den E-Mails zufolge ein ranghoher Vertreter des AHCC an einen hochkarätigen CC-Verteiler, dass das Coburger Tageblatt nun eine als "Journalistin getarnte Aktivistin beauftragt habe, im Umfeld des CC zu recherchieren." Auch Dominik Sauerer, ehrenamtlicher Stadtrat der Erlanger Grünen, ist ins Visier geraten. Er soll beim umstrittenen Fackelmarsch des CC im vergangenen Jahr den Anweisungen eines ranghohen AHCC-Mitglieds nicht Folge geleistet und den Fackelmarsch gestört haben – so steht es in der Nachricht.

Laut den E-Mails wolle der Chef der CC-Veranstaltung nun Plakate mit "Fotos der beiden" veröffentlichen, um die eigenen Verbindungsstudenten zu warnen. Der Journalistin solle zuvor über die Adresse des Coburger Tageblatts der Zugang zum CC-Pfingstkongress untersagt werden, so die Überlegung des Mannes in einer weiteren E-Mail. Der Absender der E-Mail äußerte zudem den Verdacht, dass "als Journalisten getarnte Aktivisten Konflikte schüren."

Coburger Convent widerspricht Darstellung

Damit konfrontiert sagt Martin Vaupel, Pressesprecher des AHCC, dass ihm derartige Vorgänge "nicht bekannt" seien. "Namens des Vorstands des AHCC e.V. und der Präsidierenden kann ich Ihnen mitteilen, dass während der Nutzung der Coburger Schulen durch die Mitglieder des Coburger Convents nicht beabsichtig ist, derartige Plakate aufzuhängen", so Vaupel. "Dass wir offen für alle sind, können Sie schon daran ermessen, dass wir wie jedes Jahr jeden zum unserem Kongress willkommen heißen, der sich vorher bei mir anmeldet und zwar ohne Ansehen der Person und unabhängig für wen er schreibt und was denkt – solange er angibt, sachlich berichten zu wollen", ergänzt der CC-Pressesprecher. Eine solche Aktion müsste zudem durch die Stadt genehmigt werden, meint Vaupel. "Eine solche Anfrage hat es nie gegeben und sie wäre auch nach Rücksprache mit dem Pressesprecher der Stadt natürlich nicht genehmigungsfähig."

Anders bewertet das Dominik Sauerer, der offenbar ins Visier genommen wurde: "Diese Aktion ist für mich klar ein Angriff auf die Pressefreiheit und eine Diffamierung von einzelnen Personen, die als 'Feinde' markiert werden sollen". Er kenne diese Vorgehensweise "eigentlich nur aus der extremen Rechten", die Demokraten mit "der Veröffentlichung privater Daten gewissermaßen als vogelfrei erklären" würden.

Der studierte Historiker erinnert sich auch an den in der E-Mail thematisierten Vorfall beim Fackelmarsch im vergangenen Jahr während des Coburger Convents. Demnach habe ihn der CC-Kongressbeauftragte während er filmte "bedrängt, beleidigt und körperlich angegangen", obwohl Sauerer ihm seinen Presseausweis gezeigt habe, schildert der Erlanger den Vorfall. In einer internen E-Mail des CC ist zudem die Zeugenvernehmung von Sauerer bei der Kriminalpolizei Coburg als Anhang angefügt. Die angeblichen Planungen der "Fahndungsplakate kommen direkt aus dem Vorstand des CC-Altherrenverbands", hält Sauerer fest. Der Redaktionsleiter des Coburger Tageblatts, der die betroffene freie Journalistin beauftragte hatte, wollte sich auf BR/NN-Anfrage nicht zum Sachverhalt äußern.

Journalistenverband ist wegen Steckbriefen "in großer Sorge"

Der Bayerische Journalisten Verband (BJV) zeigte sich auf Anfrage entsetzt über die angeblich geplanten Vorgänge in Coburg. "Wir beobachten mit großer Sorge, dass kritische Journalistinnen und Journalisten immer wieder von den kritisierten Gruppen öffentlich auf Steckbriefen gekennzeichnet werden", schreibt BJV-Sprecher Benedikt Frank. Diese Aufrufe würden allerdings meist online in Chatgruppen von "Querdenkern oder Rechtsradikalen" verbreitet.

Ziel solcher "Fahndungsplakate ist zunächst, die Reporterinnen und Reporter in der eigenen Szene bekannt zu machen und so verdeckte Recherchen zu erschweren. Die Macher würden dann immer wieder unterstellen, es handele sich "nicht um richtige Journalisten, sondern um politische Gegner." Derlei Aufrufe würden Journalisten zur Zielscheibe machen, so der BJV-Sprecher. In extremen Fällen kommt es sogar zu expliziten Gewaltaufrufen. Einige Journalisten entschlössen sich, zum Selbstschutz nicht mehr über bestimmte Themen zu berichten, berichtet Frank und ergänzt: "Wer solche Mittel wählt, hat offenbar ein Problem mit der Pressefreiheit."

Stadt Coburg distanziert sich von Plakaten

Auch die Stadt Coburg äußerte sich deutlich. "Das Aufhängen von 'Fahndungsplakaten' jedweder Art wäre unserer Meinung nach ein absolut inakzeptabler, gegebenenfalls sogar justiziabler Akt, der sofortige und klare Konsequenzen auch in Bezug auf künftige Unterbringungen nach sich ziehen würde", so Louay Yassin, Sprecher der Stadt Coburg auf BR/NN-Anfrage.

In den mutmaßlichen E-Mails des Coburger Convents wurde überlegt, die Plakate auch in Schulen aufzuhängen. Im vergangenen Jahr wurden dem CC nicht nur Turnhallen der Coburger Schulen zur Verfügung gestellt, sondern auch Klassenzimmer. "Das wollten die Schulen aber nicht mehr", so Yassin. Aus dem CC-internen E-Mailverkehr geht auch hervor, warum in der Stadt schon länger darüber nachgedacht wird. Ein offizielles Schreiben der Stadt an den CC spricht von "mutwilliger Beschädigung an und in den städtischen Liegenschaften".

Wollte der CC einen Stadtrat "politisch kaputt machen"?

In den angeblich internen CC-Mails findet sich noch ein weiterer Aspekt, der eine fragwürdige Vorgehensweise aufzeigt. Den Nachrichten zufolge habe der Chef der Pfingstveranstaltung des Coburger Convents bereits im Herbst des vergangenen Jahres einen Coburger Stadtrat der Grünen ins Visier genommen. Hintergrund war demnach, dass sich auch der Coburger Stadtrat kritisch über den CC äußerte. Der Schriftverkehr, der dem BR/NN-Rechercheteam zugespielt wurde, legt nahe, dass im CC-Führungsstab überlegt worden sei, einen "seriösen Pressefritzen" zu beauftragen, der dem Coburger Grünen-Stadtrat unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ("Deckmantel für die TAZ zu arbeiten") durch gezielte Nachfragen hätte "ausrutschen lassen" sollen. Das Ziel sei demnach, den Stadtrat "politisch kaputt zu machen".

Dritte bestätigen Authentizität des CC-Mailverkehrs

Damit konfrontiert heißt es von Martin Vaupel, dem Pressesprecher des Coburger Convents: "Mir, bzw. auch dem Vorstand ist davon nichts bekannt und so kann ich nur davon ausgehen, dass es sich bei dem Ihnen vorliegenden 'CC-Schriftverkehr' um eine Fälschung handelt". Der Organisation des CC seien "derartigen Praktiken völlig fremd und sie wurden noch nicht einmal diskutiert", erklärt der CC-Pressesprecher. Sollte sich der Inhalt jedoch bewahrheiten, "werde ich dafür Sorge tragen, dass diejenige Person zur Rede gestellt wird und in Zukunft nicht mehr für den CC tätig sein wird", so Vaupel.

Dominik Sauerer ist sich hingegen sicher, dass die E-Mails nicht gefälscht sind: "Das zeigt nicht nur die schiere Masse an internen, teils amtlichen Dokumenten, auf die keiner außerhalb des CC Zugang hat." In dem laut Vaupel mutmaßlich gefälschten CC-Schriftverkehr finden sich in der Tat auch E-Mails von weiteren Dritten, die dem BR/NN-Rechercheteam den Schriftverkehr mit dem Coburger Convent und damit die Authentizität bestätigten.

E-Mails enthüllen "Hitlergruß am Herrenklo"

Erst kürzlich sorgte derselbe E-Mail-Verkehr des Coburger Convents für Schlagzeilen. Neben dem BR/NN-Rechercheteam ist auch der Süddeutschen Zeitung (SZ) der CC-Schriftverkehr von der Antifa Freiburg zur Verfügung gestellt worden. Die Zeitung zeigte auf, dass der CC die Ermittlungen zu einem strafbaren Vorfall beim Pfingstkongress 2018 blockiert habe. Demnach soll ein CC-Mitglied, das Richter an einem Amtsgericht ist, auf der Herrentoilette eines Lokals in Coburg "Heil Hitler" gerufen haben. Ein anderes CC-Mitglied zeigte den Vorfall an. Aus dem E-Mail-Verkehr des CC ging dann hervor, so die SZ, dass der Name des Rufers dem Coburger Convent bekannt gewesen sei. Diese aber gaben den Namen nicht an die Staatsanwaltschaft weiter – das Ermittlungsverfahren wurde schließlich eingestellt. Der Vorfall wurde vom CC laut SZ nicht bestritten.

Warnung vor investigativen Journalisten

Das BR/NN-Rechercheteam berichtete zudem im März über eine Pro-Patria-Suite in Erlangen. Zwei Studentenverbindungen haben sich dabei ein Fechtduell geliefert, zwei Teilnehmer wurden bei der Mensur unter verschärften Bedingungen teils schwer verletzt. Innerhalb der Burschenschafter-Szene wurde danach heftig kritisiert, dass der Vorfall nach außen dringen konnte.

Weil eine beteiligte Studentenverbindung zum Coburger Convent gehört, wird nun auch in den mutmaßlichen CC-Mails vor investigativen Journalisten gewarnt. So heißt es wörtlich: "Es ist also in Coburg damit zu rechnen, dass investigative Journalisten versuchen werden, an Informationen zu kommen." Kongressteilnehmer sollten daher auf Stellungnahmen gegenüber "unbekannten Dritten verzichten". Im Schreiben heißt es ebenfalls: "Zudem wurde deutlich, dass auch die Antifa Freiburg (..) im Besitz von internen Schreiben" sei.

Nach BR/NN-Informationen suchen die Verantwortlichen bereits seit Monaten intern nach der undichten Stelle. Selbst einzelne Bundesbrüder werden demnach verdächtigt. Vermutlich wird es auf dem Coburger Convent am kommenden Wochenende zu vielen Diskussionen kommen.

Fackelmarsch beim Coburger Convent
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Fackelmarsch beim Coburger Convent

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