Polizisten kontrollieren Radfahrer
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Legale Rauschmittel: High am Lenker.

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Cannabis im Straßenverkehr: High am Fahrrad-Lenker?

Alkohol ist eine häufige Ursache für Fahrradunfälle. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert daher, die Promillegrenze für Fahrradfahrer zu senken. Doch nun könnte die Cannabis-Legalisierung für neue Gefahren im Straßenverkehr sorgen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Matthias Pötsch und Ernst Dvoracek sind auf E-Bikes in der Münchner Innenstadt unterwegs und überwachen den Radverkehr. Handys am Lenker und Falschfahrer gehören für die beiden Polizisten der Fahrradstreife zum Alltag. Doch dieser Alltag könnte sich bald ändern. Denn seit die Bundesregierung den Konsum von Cannabis legalisiert hat, stehen die Beamten vor einer neuen Herausforderung. In Zukunft müssen sie wohl verstärkt auf Anzeichen von Drogenkonsum bei Radfahrern achten. "Das können gerötete Augen sein, das kann verwaschene Sprache sein, das kann verzögerte Reaktion sein", erklärt Polizeihauptkommissar Pötsch im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.

Keine Strafen für Fahrradfahren unter Cannabis-Einfluss

Doch auch wenn die Polizei feststellt, dass ein Radler unter Cannabiseinfluss steht, hat das zunächst keine Konsequenzen. Denn bislang gibt es keinen Grenzwert, der das Fahrradfahren unter Einfluss der legalen Droge verbietet oder gar strafbar macht. Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft ein Versäumnis.

"Wenn jeder KFZ-Führer sofort eine Ordnungswidrigkeit mit 500 Euro bekommt, betrifft das den Fahrradfahrer nicht. Der darf bekifft fahren", sagt Stefan Pfeiffer, Vorsitzender der Fachkommission Verkehrssicherheit. "Das hat gestandene Polizisten und Experten echt erschrocken und schockiert." Eine Ausnahme gibt es: Wenn ein Radfahrer nicht in der Lage ist, das Fahrrad – aus welchen Gründen auch immer – sicher zu führen, kann dieser auch bestraft werden.

FDP-Politikerin Lütke appelliert: auf keinen Fall "berauscht" am Straßenverkehr teilnehmen

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Kristine Lütke spricht sich im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers dennoch nicht für eine strengere Drogenpolitik gegenüber Fahrradfahrern aus. "Ich finde, die aktive Teilnahme am Straßenverkehr – sowohl beim Führen eines Kraftfahrzeuges oder auch eines anderen Fahrzeugs – ist natürlich immer schwer risikobehaftet. Daher sollte man auf keinen Fall berauscht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen", appelliert Lütke.

Dennoch: "Autofahren ist ja schon auch was anderes als mit dem Rad unterwegs zu sein." Es sei allerdings Aufgabe des Verkehrsausschusses, praktikable und umsetzbare Lösungen für einen sicheren Straßenverkehr zu finden.

Im Video: Kristine Lütke, Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, im Kontrovers-Interview

Kristine Lütke, FDP sucht- und drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion im Kontrovers-Interview
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Kristine Lütke, FDP

Polizeigewerkschaft fordert auch Absenkung der Promillegrenze für Alkohol am Lenker

Schon lange vor der Cannabis-Legalisierung beschäftigt sich die Polizei mit dem Einfluss von Rauschmitteln bei Fahrradfahrern. Seit 2015 ist die Zahl der Fahrradunfälle in Bayern laut Polizei um 34 Prozent gestiegen, ein häufiger Unfallgrund ist Alkohol am Lenker. Bis zu 1,6 Promille im Blut ist beim Fahrradfahren erlaubt, sofern der Radfahrer nicht auffällig wird oder einen Unfall baut.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert diesen für sie zu großzügigen Promillewert und fordert, die Grenze für Fahrradfahrer zur absoluten Fahrtüchtigkeit auf 1,1 zu senken. Das Bayerische Innenministerium sieht auf Kontrovers-Anfrage keinen Änderungsbedarf.

Lütke über Cannabis-Grenzwert beim Autofahren: "Ich persönlich hätte mir einen minimal höheren Grenzwert vorstellen können"

Während die Deutsche Polizeigewerkschaft strengere Regeln bei Cannabis und Alkohol im Straßenverkehr fordert, versucht die Bundesregierung derzeit noch, eine Lösung für Cannabis am Steuer zu finden. Der zulässige Wert für Fahrer von Kraftfahrzeugen soll, so die Empfehlung einer wissenschaftlichen Expertengruppe von FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing, auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum festgelegt werden. "Ich persönlich hätte mir einen minimal höheren Grenzwert vorstellen können", sagt FDP-Politikerin Kristine Lütke.

Derzeit gilt ein vorläufiger Wert von 1,0 Nanogramm, den das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat. Laut der drogenpolitischen Sprecherin habe dieser Wert aber keine wissenschaftliche Aussagekraft darüber, ob sich eine Person aktuell im Rauschzustand befindet. Vielmehr entsprächen 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum einem Alkoholwert von 0,2 Promille.

Experte der Grenzwertkommission des Verkehrsministeriums spricht von "Dilemma"

Dabei lässt sich der Cannabis-Grenzwert laut Experten nicht einfach analog zum Alkoholwert im Blut bestimmen. "Ein gelegentlicher Konsument ist gerade einmal sechs oder sieben Stunden oberhalb von einem Nanogramm pro Milliliter. Ein gewohnheitsmäßiger Konsument aber ist auch noch über diesem Grenzwert, wenn er mal zwei, drei Tage nicht konsumiert", erklärt Professor Frank Mußhoff. Der Toxikologe sitzt seit vielen Jahren in der Grenzwertkommission des Verkehrsministeriums.

Er sagt: Auch bei einem regelmäßigen Konsumenten sei nach ein paar Tagen keine verkehrsrelevante Wirkung mehr anzunehmen. "Und das ist das Dilemma, das wir zurzeit haben."

Dieser Artikel ist erstmals am 10.04.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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