Ein Joint (Symbolbild zur teilweisen Cannabis-Legalisierung).
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Nachdem Cannabis teilweise legalisiert wurde, sind noch etliche Fragen offen (Symbolbild).

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Teil-Legalisierung von Cannabis - Einige Fragen noch offen

Kurz nach der Cannabis-Legalisierung stellen sich noch viele Fragen: Darf man auf einem Volksfest kiffen? Was kosten Verstöße? Warum sind die Regeln im Straßenverkehr so hart? Gibt es Cannabis im Baumarkt? Die (bisherigen) Antworten im Überblick.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Die Befürworter der Cannabis-Legalisierung hatten sich auf diesen Ostermontag wie auf Weihnachten gefreut. Um Mitternacht wurde die erste große Kiffer-Party in Berlin am Brandenburger Tor gefeiert und am Nachmittag hieß es dann auch bei einem "Kiff-in" vor der Münchner Parteizentrale der CSU "O-kifft is!"

Seit 1. April sind Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene in Deutschland legal. Wer mindestens 18 Jahre alt ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm dabei haben. Es geht explizit um den Eigengebrauch, weitergeben oder verkaufen darf man Cannabis nicht. Zu Hause darf man sich außerdem drei Pflanzen halten. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen außerdem gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden, zum Beispiel durch abschließbare Schränke und Räume.

Sind 50 Gramm Cannabis viel oder wenig?

Aber wieviel sind 50 Gramm Cannabis? Aus einem Gramm Cannabis können etwa drei Joints gedreht werden - 50 Gramm wären also 150 Joints. Aus Sicht der Legalisierungsgegner ist das viel zu viel. 50 Gramm pro Monat, die Menge, die die künftigen Anbauvereine an ihre Mitglieder abgeben dürfen, nennt die Bundesärztekammer eine "relevante" Menge, "die einem Hoch-Risiko-Konsum entspricht und zu cannabisbezogenen Störungen führt". Das Bundesgesundheitsministerium argumentiert dagegen, es müsse auch legales Cannabis in größerer Menge da sein, wenn man den illegalen Schwarzmarkt ausstechen wolle.

Wo ist Cannabis-Konsum verboten?

Cannabis darf überall konsumiert werden, wo es nicht verboten ist. Verboten ist es aber an relativ vielen Orten: auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch in Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon - in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Fußgängerzonen sind für Cannabis-Konsum zwischen 7.00 und 20.00 Uhr ebenfalls tabu. Außerdem ist der Konsum verboten "in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben". Damit dürfen Joints auch nicht an Bushaltestellen mit Kindern angesteckt werden oder vor Kinos und Theatern, wenn Kinder da sind, ja, nicht einmal im eigenen Garten wenn sich dort minderjährige Kinder befinden. In Raucherkneipen dürfen dagegen Inhaber entscheiden, ob sie Cannabis-Konsum bis zu den gesetzlichen Grenzen erlauben oder nicht.

Wie teuer sind Verstöße?

Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder und sogar Gefängnisstrafen. Wer etwa an verbotenen Orten kifft oder die Gramm-Vorgaben zum Besitz leicht überschreitet, muss mit einem Bußgeld rechnen. Mit bis zu 30.000 Euro Bußgeld können die Verstöße ziemlich teuer werden. Wenn die Polizei mehr als 30 Gramm in den Taschen findet, mehr als 60 Gramm zu Hause oder mehr als drei Pflanzen in der Wohnung, greift das Strafrecht: Es droht im schlimmsten Fall Gefängnis, besonders für die Weitergabe der Droge an Kinder und Jugendliche.

Wer überwacht die Einhaltung der Regeln?

Wie die Einhaltung der neuen Regeln überwacht werden soll, dazu fordert aktuell der Deutsche Städte- und Gemeindebund dringend Klarheit. Hauptgeschäftsführer André Berghegger erklärte in Berlin, den Städten und Gemeinden sei unklar, wie sie die Abstandsregeln und die vielen Vorgaben ab dem 1. Juli kontrollieren sollen. Schon jetzt fehlte vielerorts das Personal für die notwendigen Aufgaben, sagte Berghegger.

Unauffällig und ruhig - so beschreiben die Polizeipräsidien in Bayern den Start der Cannabis-Legalisierung. Nirgendwo in Bayern fielen bislang gravierende Verstöße gegen die neuen Regeln auf. "Das wird sich erst einmal alles einspielen müssen", erklärte etwa ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord.

Ist Kiffen auf Volksfesten erlaubt?

Auch auf Schwabens größtem Volksfest, dem Augsburger Plärrer, gab es laut Polizei zunächst keine Einsätze im Zusammenhang mit dem neuen Cannabis-Gesetz. Die niederbayerische Stadt Pfarrkirchen hat den Cannabis-Konsum auf dem Rottaler Volksfest per Allgemeinverfügung verboten. Das Fest läuft noch bis zum Sonntag. Auch auf dem Frühlingsfest in Weiden Ende des Monats wird das Kiffen nicht erlaubt sein. Die Stadt Regensburg dagegen spricht für die Maidult kein prinzipielles Verbot aus; aber eine Sprecherin bittet darum, auf den Konsum zu verzichten, da die Dult ein Familienfest sei. Außerdem ist laut Cannabisgesetz das Kiffen in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verboten. Die Regensburger Maidult beginnt am 9. Mai.

Warum wurde Cannabis verboten?

Der Konsum von Cannabis war in Deutschland nicht immer verpönt. Das machte die Historikerin Helena Barop diese Woche im Interview mit der Sendung radioWelt deutlich. Demzufolge wollten nach dem Ersten Weltkrieg vor allem die USA dafür sorgen, dass Opium und auch andere Drogen reguliert werden sollen. In Deutschand trafen solche Regulierungswünsche zunächst auf Skepsis: Doch 1919, nach dem verlorenen Krieg, hätten die Alliierten ihre Opium-Konventionen einfach "hinten drangehängt an den Versailler Vertrag und damit Deutschland dazu gezwungen, diese Drogengesetze auch einzuführen, als Deutschland überhaupt kein Drogenproblem hatte, jedenfalls kein selbst wahrgenommenes. Und es gab vor allem für Cannabis überhaupt keine Veranlassung", so die Historikerin.

Im 19. und 20. Jahrhundert sei Cannabis in Deutschland zunächst einfach ein Medikament gewesen, das - wie auch seit 2016 wieder - in der Apotheke erhältlich war. In den 1930er Jahren habe dann eine Kampagne aus den USA ihre Spuren hinterlassen, wo behauptet worden sei, "dass Cannabis aggressiv mache und wahnsinnig und die Leute im Prinzip dazu bringe, aus dem Fenster zu springen, was komplett an jeder Realität vorbei ist, aber eben politisch in dem Moment bestimmten Leuten nützte. Und genauso funktioniert ja heute die Cannabis-Politik häufig immer noch bei konservativen Politikern, dass sie eben Angst nutzen, um damit politisches Kapital zu gewinnen", so die Historikerin.

Bleibt die Cannabis-Freigabe bestehen?

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, erklärte derweil, im Falle eines Wahlsieges der Union bei der Bundestagswahl 2025 wolle er die Cannabis-Legalisierung wieder aufheben. Kritiker bemängeln außerdem, Cannabis, mit dem Erwachsene nun unterwegs seien, könne gar nicht aus legalen Quellen stammen. "Vor allem die ersten Monate werden zu einem Booster für den Schwarzmarkt", warnte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Denn auch die Cannabis-Clubs dürfen erst seit 1. April die Pflanzen züchten und unter strengen Bedingungen an ihre Mitglieder abgeben. Bis die Pflanzen erntereif blühen, dauert es etliche Wochen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versuchte, die Bedenken zu zerstreuen. Es spiele keine Rolle, wann eine Pflanze aufgewachsen sei, vielmehr gelte nun für jede Pflanze: "Hier ist sie, sie ist jetzt legal, und der Konsum ist auch legal."

Haben Baumärkte bald Cannabis im Sortiment?

Trotzdem wollten die meisten deutschen Baumärkte vorerst weder Cannabis-Saatgut noch Cannabis-Pflanzen in ihr Sortiment aufnehmen. Die Ketten Obi, Toom und Hornbach erklärten übereinstimmend, die Teil-Legalisierung habe keine Auswirkungen auf ihr Sortiment. Bauhaus will den Verkauf noch prüfen: "Dabei geht es vor allem neben rechtlichen und moralischen Aspekten auch um Themen wie begrenzte Abgabemengen von Saatgut oder aber die Einstufung von Cannabispflanzen als im Handel frei und legal verkäufliche Kulturpflanze", hieß es vom Unternehmen.

Wer geht nun nach Cannabis-Funden straffrei aus?

In Düsseldorf profitierte derweil schon ein Angeklagter von den neuen Regeln. Der 37-Jährige musste sich am Amtsgericht am Dienstag wegen illegalen Besitzes von Heroin und Cannabis verantworten. Nach alter Rechtslage hatte der Mann eine nicht geringe Menge Drogen besessen, was als Verbrechen gilt. Nach dem neuen Recht, das seit Montag gilt, so Richterin Britta Brost, liege die Menge knapp unter dieser Grenze. Damit sei der Drogenbesitz nur noch ein Vergehen, was Geld- und Bewährungsstrafen ermögliche. Über seinen Verteidiger gestand der 37-Jährige die Vorwürfe. Er wurde am Dienstag zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und muss als Bewährungsauflage bis Ende Juli eine Drogenentzugstherapie antreten. Der bereits Vorbestrafte war vor zehn Monaten am Düsseldorfer Hauptbahnhof mit knapp fünf Gramm Heroin und 1,6 Gramm Cannabis erwischt worden.

Auch in Unterfranken profitierten zwei Straftäter von den neuen Regeln: Wie der Schweinfurter Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert sagte, wurden in zwei Fällen bereits erfolgte Ladungen zum Strafantritt angehalten. In einem weiteren Fall wird von der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abgesehen.

Welche Grenzwerte gelten in Zukunft im Straßenverkehr?

Umstritten bleibt allerdings, wie stark Cannabis auf das Nervensystem wirkt und welche Schlüsse daraus gezogen werden müssen. So wurde an den Cannabis-Regeln für den Straßenverkehr momentan noch nichts geändert: Bei wem der Cannabis-Wirkstoff THC nachgewiesen wird, auch wenn der Konsum Tage zurückliegt, der begeht eine Ordnungswidrigkeit. In der Rechtsprechung hat sich dafür der niedrige Wert von 1 Nanogramm THC je Milliliter Blut etabliert. Ab diesem Wert drohen Geldbußen, Punkte und Fahrverbot. Nach dem Vorbild der 0,5-Promille-Marke für Alkohol soll aber auch ein Toleranz-Grenzwert für THC kommen. Eine Expertenkommission schlug 3,5 Nanogramm vor. Nun ist der Bundestag am Zug, ein Gesetz dafür zu beschließen, was aber noch dauern dürfte.

Professor Dominic Irnich von der Schmerzambulanz der LMU München sagte in der Abendschau des BR Fernsehens: "Beim Cannabis sieht man keinen Zusammenhang zwischen der Konzentration im Blut und den Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem mit Konzentrationsfähigkeit, Reaktionszeiten und Ähnlichem."

Wie wirkt Cannabis auf das Nervensystem?

Noch genauer erläutert die schwierige Beziehung von THC-Wirkstoff im Blut und der Wirkung auf das Gehirn der Rechtsmediziner Professor Benno Hartung von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Er hat erforscht, wie sich Cannabis und Alkoholkonsum sowie Psychopharmaka auf die Fahrsicherheit im Straßenverkehr auswirken. Er machte in der BR-Sendung radioWelt deutlich, da könne es keine statischen Grenzwerte geben wie etwa beim Alkohol.

Der Einfluss des Cannabis-Konsums auf die Fahrtüchtigkeit hänge "ganz wesentlich" davon ab, wie stark der Konsument in der vergangenen Zeit die Droge konsumiert habe. Die relevantesten Einschränkungen habe man aber "in der akuten Phase, also in den ersten zwei bis drei Stunden". Tests in einem Fahrsimulator hätten ergeben, dass den Probanden "unmittelbar nach dem Rauchen des Joints wirklich eine signifikante, sehr auffällige Zunahme von Fahrfehlern" unterlaufen sei. Die habe sich dann nach drei Stunden wieder normalisiert und sei nach sechs Stunden wieder geringfügig angestiegen.

Kann man Cannabis und Alkohol-Konsum vergleichen?

Bei Alkohol könne man recht gut vorhersagen, welche Konzentration im Blut zu welchen Ausfallerscheinungen führe. Beim Wirkstoff THC aus Cannabis sei dies aber ganz anders. Bei Alkohol hätten viele ihre persönlichen Erfahrungswerte: "Ein Bier geht noch, aber zwei sind dann schon zu viel", sagen sich viele. Entsprechendes könne man aber nicht bei Joints sagen. Der aktuelle Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sei "wirklich ein sehr strenger Grenzwert", erklärte Hartung: "Da werden tatsächlich auch Leute sanktioniert, die nicht unter einem verkehrsrelevanten Einfluss stehen. Aber das grundsätzliche Problem ist natürlich, an wem wollen wir die Grenzwert Findung ausrichten?"

Trägt Bayern Lockerungen im Straßenverkehr mit?

Wer mit einem zu hohen THC-Wert im Blut im Verkehr unterwegs ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wenn nichts passiert und man keine Ausfallerscheinungen zeigt, dann ist so ein Ausfall mit 500 Euro sanktioniert, zwei Punkten in Flensburg und einem Monat Fahrverbot - oft kommt auch noch die gefürchtete medizinisch-psychologische Untersuchung hinzu. Wer dabei auch noch einen Unfall verursacht und dabei irgendeine THC-Konzentration im Blut hat, der bewege sich sogar im Bereich des Strafrechts, betont der Rechtsmediziner Hartung. Dafür sei nicht einmal ein Grenzwert festgelegt: "Also das kann auch unter 3,5, ja sogar unter einem Nanogramm sein."

Gegen eine mögliche Erhöhung der Cannabis-Grenzwerte im Verkehr hat schon mal Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seinen Widerstand angekündigt: "Wir werden uns dafür einsetzen, dass die bisherige Regelungslage zum THC-Grenzwert nicht durch eine Gesetzesänderung aufgeweicht wird", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" [externer Link, womöglich Bezahlinhalt]. Eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes von solcher Tragweite müsse dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden, so Herrmann.

Gibt es Kontrollen an Grenzen?

Bayerns Nachbarland Österreich schlug in die gleiche Kerbe und kündigte an, es gebe von nun an "Schwerpunktaktionen im grenznahen Raum". Im Fokus stünde die Einfuhr von Drogen, kontrolliert werde aber auch, ob berauschte Fahrer am Steuer säßen. Auch in Tschechien bleibt der Konsum von Cannabis zunächst weiter illegal. Gleichwohl wird der Besitz geringer Mengen für den Eigenverbrauch dort bereits seit Jahren meist nur als Ordnungswidrigkeit geahndet. Zudem wurde vor einem Jahr in Tschechien die Freigabe von Cannabis bis 2025 beschlossen, das Gesetz könnte sogar noch dieses Jahr in Kraft treten.

Mit Informationen von dpa

Im Video: quer vom 04. Apri .2024

quer vom 04.04.2024
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quer vom 04.04.2024

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