Es wird immer trockener, trotzdem weiß niemand genau, wie viel Wasser für die Landwirtschaft entnommen wird.
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Es wird immer trockener, trotzdem weiß niemand genau, wie viel Wasser für die Landwirtschaft entnommen wird.

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Wasser wird knapp - und die Behörden sind ahnungslos

Kaum Kontrollen und eine teilweise analoge Verwaltung: So handhaben die Behörden in Unterfranken die mehr als 2.000 Wasserentnahme-Rechte. Das hat eine gemeinsame Recherche von BR und Main-Post ergeben. BR24 erklärt, was seitdem passiert ist.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Unterfranken gilt als trockenste Region Bayerns, das bekommt auch der Main zu spüren. So stieg die Main-Temperatur in den vergangenen Wochen stetig und liegt jetzt bereits bei fast 25 Grad. Zwar greift der Alarmplan Main Gewässerökologie (AMÖ) mit einer Vorwarnung erst, wenn der Main 25 Grad an drei Folgetagen überschreitet – dennoch sei die Lage kritisch, sagt Joachim Alka, Vorsitzender des Fischereiverbands Unterfranken. "Der Pegel sinkt gewaltig", warnt er. Und je weniger Wasser der Main führt, desto mehr steigt die Wassertemperatur.

Gleichzeitig steigen die Ansprüche: Umso heißer und trockener das Klima wird, desto mehr muss Gemüse und Wein gegossen werden. Und so pumpen Industrie, Landwirte und Vereine weiterhin Wasser ab. Völlig legal, sofern sie eine Erlaubnis haben. Ob sich diejenigen mit einer solchen Genehmigung allerdings an die erlaubte Entnahmemenge gehalten haben, konnten uns die Behörden nicht sagen. Das hat eine gemeinsame Recherche des BR und der Main-Post ergeben, die Missstände bei der Kontrolle und Verwaltung von mehr als 2.000 Wasserentnahme-Rechten in Unterfranken zeigt.

Hilfe aus dem Süden: Main-Donau-Überleitung kommt an ihre Grenzen

Experten fordern, dass es einen detaillierten Überblick braucht, wer wo wieviel Wasser entnimmt. Nicht nur aus dem Grundwasser, auch aus dem Main. Denn dass Nordbayern zunehmend mit Trockenheit zu kämpfen haben wird, sei schon lange klar, betont Theodor Strobl im Gespräch mit BR und Main-Post. Er ist emeritierter Professor für Wasserwirtschaft an der TU München. Der Süden verfüge über drei Mal so viel Wasser wie der Norden Bayerns. Seit den 1970ern wird deshalb Wasser aus der Donau in den Main geleitet. "Die Überleitung stößt heute an ihre Grenzen." Die übergeleiteten Wassermengen sind immer weiter gestiegen. Eigentlich sollte die Überleitung dafür sorgen, die Gewässergüte des Mains zu gewährleisten. Der gleichzeitig fehlende Überblick über die Entnahmen mache eine zeitgemäße Wasserwirtschaft schwer.

Fischereiverband Unterfranken: Mainpegel ungewöhnlich niedrig

Der Fischereiverband Unterfranken schlägt Alarm: Niedrigwasser im Main, in der Saale oder auch der Sinn laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt. "Man sieht schon jetzt, dass viele ihre Pumpen in den Main hängen, um Wasser abzupumpen", sagt Joachim Alka. "In Schweinfurt ist der Pegel auf gerade mal 155 Zentimetern und der Durchfluss beträgt nur noch ein Zehntel dessen, was normalerweise fließen müsste."

Er fordert, dass auch kleine Flüsse in den Alarmplan berücksichtigt werden, etwa die Saale oder die Wern. Außerdem müsse ein Umdenken stattfinden: Wasser dürfe nur noch im Winter entnommen werden, wenn genug Wasser im Fluss ist. 2022 wurde die Vorwarnstufe des AMÖ für den Main zwischen Würzburg und Kahl am Main ab Ende Juni immer wieder ausgerufen, um ein Umkippen des Flusses zu verhindern.

Anträge im Bayerischen Landtag nach Recherche

Im Bayerischen Landtag wurde seit der Veröffentlichung viel diskutiert. Die SPD- und Grünen-Fraktionen haben mehrere Anträge in den Umweltausschüssen Ende Mai und Mitte Juni gestellt. Alle Anträge wurden von der CSU und den Freien Wählern abgelehnt. SPD und Grüne hatten etwa gefordert, Auskunft über Vollzugslücken und den Umgang mit Wasserressourcen in Unterfranken zu geben, und eine Studie in Auftrag zu geben, die die Auswirkungen von Wasserentnahmen und Klimaüberhitzung untersucht. In den vergangenen Monaten hatten die Grünen die Staatsregierung beim Thema Wasser schon mehrfach zum Handeln aufgefordert. Zum Beispiel formulierten sie im April Eckpunkte für ein Wassersicherungsgesetz. Teil dessen ist zum Beispiel ein sogenanntes "Wasserentnahme-Kataster", also ein zentrales Register, in dem erfasst wird, wer wo wie viel Wasser aus dem Boden pumpt.

Forderung nach Digitalisierung und zentraler Erfassung

Besonders im Fokus steht seit einer mutmaßlich manipulierten Wasseruhr eines Landwirts die sogenannte Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft in dem Fall. Für die Region, in der auf rund 1.000 Hektar vor allem Gemüse angebaut wird, hat das Landratsamt ein Pilotprojekt angekündigt unter Federführung der Regierung von Unterfranken: Die Grundwasser-Brunnen sollen mit digitalen Wasserzählern ausgestattet werden, die die abgepumpte Wassermenge direkt erfassen. So könne die genehmigte und die entnommene Menge besser kontrolliert werden. Das Würzburger Landratsamt orientiert sich damit an einem Projekt im Landkreis Diepholz in Niedersachsen, in dem 30 digitale Zähler installiert wurden. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sagte kürzlich, dass er die Einführung digitaler Wasserzähler plane.

Dieser Artikel ist erstmals am 19. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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