Eine junge Frau steht in ihrer Wohnung an einem Fenster.
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Der Bezirk versorgt Menschen mit Behinderung, Pflegebedarf und psychischen Erkrankungen. Am 8. Oktober ist Bezirkstagswahl.

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Bezirkstagswahl: Hilfe für Tausende Menschen in Oberfranken

Im Schatten der Landtagswahl geht es am Sonntag in Bayern auch um ein Gremium, das Tausenden Kranken, Behinderten und Pflegebedürftigen in Oberfranken Hilfe verspricht. Ein neuer Bezirkstag wird gewählt, und er steht vor großen Herausforderungen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Am 8. Oktober wird in Bayern nicht nur der nächste Landtag gewählt. An diesem Tag entscheiden die Wählerinnen und Wählern auch über die Zusammensetzung eines Gremiums, von dem der Vorsitzende sagt: "Wenn es uns nicht gäbe, bekämen das sehr viele Menschen bitter zu spüren." Denn der Bezirkstag Oberfranken ist vor allem für soziale Fragen zuständig. Neben seinem Präsidenten Henry Schramm (CSU) stehen viele bekannte Gesichter zur Wahl.

Sozialparlamente werden die Bezirkstage auch genannt – wegen ihrer vor allem sozialen Aufgaben. So sind sie in erster Linie zuständig für die Versorgung von Menschen mit Behinderung, Pflegebedarf und psychischen Erkrankungen. Etwa 450 Millionen Euro hat der Bezirk Oberfranken im vergangenen Jahr ausgegeben – rund 420 Millionen davon für soziale Leistungen. Unter anderem haben 17.000 behinderte und pflegebedürftige Menschen in Oberfranken Hilfe erhalten, damit, wie Bezirkstagspräsident Schramm sagt, "ihr Leben zumindest ein klein wenig lebenswerter wird".

Die Bezirke sind dazu Träger von Bezirkskliniken, vor allem von solchen mit psychiatrischen und neurologischen Behandlungsschwerpunkten. Solche betreibt der Bezirk Oberfranken zum Beispiel in Bayreuth, Rehau und in Kutzenberg. Aber auch Fachkliniken für Suchtkranke, wie in Hochstadt, gehören zum Repertoire, genauso wie Tageskliniken für Erwachsene und Jugendliche, Wohn- und Pflegeheime für Ältere und Förderzentren für Behinderte.

Der Bezirk nimmt somit Aufgaben wahr, die über die Zuständigkeit und das Leistungsvermögen der Landkreise und kreisfreien Städte übersteigen. Dabei geht es vor allem um Dinge, die überörtlich relevant sind und um gesetzlich vorgeschriebene Sozialleistungen.

Eine halbe Milliarde für die Kliniken

Nach dem Motto "Wo Medizin gelingen soll, muss auch der Rahmen stimmen" hat der Bezirk in der zurückliegenden Legislaturperiode ein Bauprogramm in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro auf den Weg gebracht. Zahlreiche Kliniken werden in den nächsten Jahren Stück für Stück erneuert. In Kutzenberg im Landkreis Lichtenfels entsteht gleich ein kompletter Klinikneubau. Mit vermutlich rund 140 Millionen Euro ist es das größte Bauprojekt des Bezirks Oberfranken in der jüngeren Geschichte.

Deutschlandweit einzigartig ist dort im vergangenen Jahr zudem eine Station für uneinsichtige und behandlungsunwillige Tuberkulose-Patienten eröffnet worden – Pflege hinter Gittern und auf richterlichen Beschluss sozusagen. Und in Bayreuth wurden 55 Millionen in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie investiert, die seit der Corona-Pandemie einen regen Zulauf erfährt. Unter anderem auch deswegen, weil während der Lockdowns in manchen Familien Dinge passiert seien, die man sich vorher kaum vorstellen konnte, sagt Schramm.

Das Geld für die vielen Projekte kommt von Umlagen, die die Kreise und kreisfreien Städte zahlen. Und auch der Freistaat finanziert die Bezirke im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs mit. Gestritten werde in dem Gremium übrigens selten, sagt der Präsident. In neun von zehn Fällen seien sich die Mitglieder über die Bedeutung der Projekte einig, so Schramm.

Kultur und Umwelt machen einen Bruchteil des Haushalts aus

Auch wenn rund 94 Prozent des Geldes in soziale Aufgaben fließt, der Bezirk ist noch weitere Dinge zuständig. Für die Kultur- und Heimatpflege zum Beispiel. So betreibt der Bezirk auch die internationale Musikbegegnungsstätte Haus Marteau in Lichtenberg, die in der vergangenen Legislaturperiode saniert und mit einem einzigartigen Konzertstollen ausgestattet wurde. So einzigartig, dass der Stollen sogar für den renommierten Preis des Deutschen Architekturmuseums nominiert wurde. Rund fünf Millionen hat der Bezirk dort investiert, um einen Leuchtturm im ansonsten kulturell eher weniger auffälligen Lichtenberg zu installieren. Verglichen mit den sozialen Ausgaben des Bezirks aber kaum der Rede Wert, findet der Präsident. Tatsächlich fließen nur etwa drei Prozent des Haushalts in die Bereiche Kultur und Umweltbildung – ein drittes Aufgabenfeld des Bezirks.

Aber zurück zum Kern: Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren sieht Bezirkstagspräsident Schramm in der seit Jahren steigenden Nachfrage nach Behinderten- und Pflegeeinrichtungen, die mit immer weniger Personal bewältigt werden müsse. Wenngleich Schramm die Zunahme an Pflegebedürftigen nicht nur negativ sieht. Dass die Leute älter werden, sei schließlich zunächst einmal etwas Gutes. Nur steige damit in vielen Fällen eben auch der Pflegegrad. Hinzu kämen immer mehr Menschen, die die Nachrichtenflut und ständige Erreichbarkeit über digitale Medien nicht mehr verarbeiten könnten und psychologische Hilfe benötigen.

Auseinandersetzen mit diesen Problemen muss sich in den nächsten Jahren das Gremium, das die Bürger am 8. Oktober wählen. Der seit 2018 amtierende Präsident Schramm (CSU) tritt als Direktkandidat wieder zur Wahl an. Ebenso seine Stellvertreter, der Bayreuther Stadtrat und Jurist Stefan Specht (CSU) und die Kulmbacher Stadträtin der Grünen, Dagmar Keis-Lechner. Nicht mehr zur Wahl steht hingegen ein weiterer Stellvertreter Schramms, der Pottensteiner Bürgermeister Stefan Frühbeißer von den Freien Wählern. Er versucht sein Glück als Direktkandidat für den Bayerischen Landtag.

Die Direktkandidaten in den acht Stimmkreisen

  • Im Stimmbezirk Bamberg-Land wollen unterdessen Landrat Johann Kalb (CSU) und Florian Köhler von der AfD ihre Sitze im Bezirkstag verteidigen. Weiter stehen als Direktkandidaten zur Wahl: Jonas Merzbacher (SPD), Sarah Eisenberger (Grüne), Joseph Thomann (FW), Sven Bachmann (FDP), Joseph Höpfner (Linke) und Carol Zirkel (ÖDP).
  • Aus dem Stimmbezirk Bamberg-Stadt will Hallstadts Erster Bürgermeister Thomas Söder (CSU) wieder in den Bezirkstag einziehen. Als weitere Direktkandidaten treten an: Carsten Joneitis (SPD), Wolfgang Grader (Grüne), Thilo Wagner (FW), Delbert Alexander (AfD), Ulrich Krackhardt (FDP), Stephan Kettner (Linke) Thomas Görlich (ÖDP) und Hans-Günter Brünker (Volt).
  • Im Stimmkreis Bayreuth tritt Stefan Specht (CSU) an, um seinen Platz im Bezirkstag zu verteidigen. Die weiteren Bewerber um das Direktmandat sind: Andreas Zippel (SPD), Susanne Bauer (Grüne), Landrat Florian Wiedemann (FW), Mario Schulze (AfD), Christian Weber (FDP), Max Tetzner (Linke), Nadine Schön (ÖDP) und Andrea Wiedel (Die Basis).
  • In Coburg will Landrat Sebastian Straubel (CSU) wieder in den Bezirkstag einziehen. Um das Direktmandat bewerben sich dort außerdem: Tobias Ehrlicher (SPD), Kevin Klüglein (Grüne), Rainer Möbus (FW), Thomas Grams (AfD), Michael Zimmermann (FDP), Herbert Müller (Linke) und Dagmar Murmann-Patzek (ÖDP).
  • Aus dem Stimmkreis Forchheim wieder in den Bezirkstag wollen Ulrich Schürr (CSU) und Manfred Hümmer (FW). Um das Direktmandat werben aber auch: Gerlinde Kraus (SPD), Inge Pütz-Nobis (Grüne), Oliver Hammrich (AfD), Robin Stamos (FDP), Julia-Kristin Brucksch (Linke) und Bastiaan Mourick (ÖDP).
  • In Hof bewirbt sich der frühere Oberbürgermeister, Harald Fichtner (CSU), erneut um einen Sitz im Bezirkstag. Seine Konkurrenten um das Direktmandat ist unter anderem seine Nachfolgerin auf dem Chefsessel im Hofer Rathaus, die Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD). Direktkandidaten außerdem: Claudia Schmidt (Grüne), Frank Stumpf, (FW), Detlef Scharf (AfD), Peter Senf (FDP), Thomas Herrmann (Linke), Roland Müller (ÖDP) und Kathi Deschan (Die Basis).
  • Wieder aus dem Stimmkreis Kronach-Lichtenfels in das Gremium einziehen wollen der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner (CSU) und Mathias Söllner von den Grünen. Auch um das Direktmandat kämpfen dort: Lichtenfels' Erster Bürgermeister, Andreas Hügerich (SPD), Stefan Wicklein (FW), Sebastian Görtler (AfD), Salah Maani (FDP), Detlef Knoblach (Linke) und Thomas Müller (ÖDP).
  • Und aus dem Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach wollen Bezirkstagspräsident Henry Schramm (CSU), Dagmar Keis-Lechner (Grüne) und Thomas Nagel (FDP) ihre Sitze verteidigen. Um das Direktmandat bewerben sich aber außerdem: Schramms Nachfolger als Oberbürgermeister von Kulmbach, Ingo Lehmann (SPD), Theresa Will (FW), Christian Engel (AfD), Oswald Greim (Linke) und Kristina Kern (ÖDP).

Viele weitere Bürgermeister und Landräte auf den Listen

Für die Bezirkswahl stellen sich viele Menschen zur Verfügung, die schon auf anderen kommunalen Ebenen aktiv sind – etwa als Bürgermeister, Landrat oder Stadtrat. In Oberfranken finden sich vor allem auf den Listen der CSU, SPD und Freien Wähler jede Menge weiterer bekannter Amtsträger, so zum Beispiel die Landräte aus Kulmbach, Wunsiedel und Hof: Klaus Peter Söllner (FW), Peter Berek und Oliver Bär (beide CSU).

Eine Fünf-Prozent-Hürde, wie bei der Landtagswahl, gibt es bei der Wahl des Bezirkstags übrigens nicht. Somit können auch Parteien mit einem geringeren Stimmanteil in den Bezirkstag einziehen. Zugelassen zur Wahl in Oberfranken sind insgesamt zehn Listen, darunter auch jene von "Volt", "Die Basis" und ÖDP.

2018 bis 2023: Mehr Mitglieder als üblich im Bezirkstag

Allerdings: Wie überall in Bayern dominierte auch im Bezirkstag von Oberfranken in der vergangenen Legislaturperiode die CSU. In Oberfranken stellten die Christsozialen acht der insgesamt 21 Räte. Je drei weitere Sitze wurden von SPD, Grünen und Freien Wählern besetzt, zwei weitere von der AfD und je einer von Linke und FDP. Dabei ist es eher ungewöhnlich, dass es bei der vergangenen Wahl 21 Kandidaten in das Gremium geschafft haben. Normalerweise besteht der Bezirkstag in Oberfranken nur aus 16 Mitgliedern. Acht davon werden in den acht Stimmbezirken direkt gewählt, weitere acht kommen über die Listen hinzu. Wenn eine Partei allerdings mehr Direktmandate erreicht, als ihr über die Verteilung der Zweitstimmen zustehen, dann kann es sogenannte Überhangmandate und folglich auch Ausgleichsmandate geben.

Wer Bezirkstagspräsident wird, entscheiden übrigens nicht die Wähler. Stattdessen wählen die Mitglieder des Bezirkstags in ihrer ersten, der sogenannten konstituierenden Sitzung, ihren Vorsitzenden selbst. Erst ein Mal in der Geschichte des oberfränkischen Bezirkstags war das Amt des Präsidenten aber nicht in der Hand der CSU: Von 1954 bis 1962 stand der Oberbürgermeister von Bayreuth, Hans Rollwagen, und damit ein Sozialdemokrat dem Gremium vor.

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