In dieser Bäckerei kann Fahme Abdullah mit der Asyl-Bezahlkarte nicht zahlen.
Bildrechte: BR/ Peter Allgaier

In dieser Bäckerei kann Fahme Abdullah mit der Asyl-Bezahlkarte nicht zahlen.

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Viele Geschäfte akzeptieren Bezahlkarte für Geflüchtete nicht

In vier bayerischen Kommunen läuft das Pilotprojekt der Asyl-Bezahlkarte. Geflüchtete sollen mit ihr einkaufen. Doch ein Praxistest zeigt: Es hakt noch. In manchen Läden kann nur bar gezahlt werden. Auch der Handelsverband kritisiert die Bezahlkarte.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Fahme Abdullah kam vor drei Jahren als Geflüchteter aus dem Irak. Er lebt im schwäbischen Landkreis Günzburg, einer der bayerischen Pilotkommunen für die Asyl-Bezahlkarte. 50 Euro hat er jetzt noch im Monat bar zur Verfügung, alles andere soll über die neue Debitkarte abgewickelt werden. Evelyn Söll vom Helferkreis Burgau und Dileen Saeed als Übersetzerin begleiten Fahme Abdullah auf einer Tour durch Burgau. Gemeinsam wollen sie herausfinden, wie gut es mit dem Einkaufen klappt.

Händler scheuen Gebühren

Im Supermarkt funktioniert alles reibungslos und auch in einer Buch- und Schreibwarenhandlung kann Fahme Abdullah ohne Probleme zahlen. Doch der Einkauf in der Bäckerei läuft nur mit Münzen oder Scheinen. Denn hier fehlt schlicht ein entsprechendes Gerät: "Eine Kartenzahlung bedeutet Verwaltungsaufwand und kostet natürlich auch. Dieses Geld würden wir lieber unseren Mitarbeitern geben", erklärt Vera Zinner. Die Bäckerei, deren Waren teils zu den besten im Landkreis gekürt wurden, will mit der Zeit gehen und die Kartenzahlung nun doch einführen.

Kritik an der Bezahlkarte

Ulrich Binnebößl von Handelsverband HDE plädiert für ein Förderprogramm, das den Umstieg erleichtern könnte, gerade auch im Hinblick auf Sozialkaufhäuser oder Tafeln. Speziell bei der Umsetzung der Bezahlkarte für Asylbewerber sieht er noch ein weiteres Problem. "Die Debitkarten der amerikanischen Marken zeichnen sich durch hohe Kosten aus, die im Vergleich zur deutschen Girocard bis zu viermal höher sind. 0,8 bis 1,5 Prozent des Umsatzes und das ist schon recht teuer", kritisiert Ulrich Binnebößl vom Handelsverband HDE. Er hätte sich statt des "Mastercard"-Systems die Girocard gewünscht. "Dieses System ist in Deutschland auch verbreiteter", so Binnebößl.

"Mastercard nicht teurer als andere Lösungen"

Die Firma Paycenter in Freising hat die Bezahlkarte für Bayern umgesetzt. Geschäftsführer Peter Schönweitz weist den Vorwurf zurück, Kartenzahlung sei zu kostspielig. Lesegeräte gebe es schon für hundert Euro und ohne monatliche Gebühr. Er verteidigt außerdem das Mastercard-System. "Wenn bei der Girocard eine Lastschrift zurückkommt, weil sie nicht akzeptiert wird, werden gleich einige Euro fällig. Ich meinen Augen gibt es im Dauerbetrieb keinen Unterschied von den Kosten."

Schönweitz verweist auf eine Besonderheit, die auch der Staatsregierung wichtig war, damit das Geld in Bayern bleibt: Die Karte kann regional auf Zahlungen eingeschränkt werden, die nur aus einem bestimmten Postleitzahlgebiet kommen.

Nur Bares ist Wahres

Fahme Abdullah ist in Burgau inzwischen in einem Gebrauchtwarenladen angekommen. Er hat ein schwarzes T-Shirt entdeckt, das ihm gefällt. Doch hier kann er mit seiner Karte nicht zahlen, nur Bargeld wird akzeptiert. Auch bei einem Friseur bekommt er nur dann einen neuen Haarschnitt, wenn er einen Teil seiner 50 Euro in bar ausgibt.

Dass diese Grenze doch vielleicht noch angehoben wird, sieht Sandro Kirchner, Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, derzeit nicht. "Ziel ist ja gerade, sich zu überlegen. Wo setzt man das Bargeld ein? Diese 50 Euro sind dort zu nutzen, wo die Bezahlmöglichkeiten noch nicht gegeben sind", sagt Kirchner.

Innenministerium: Kein Geld für Schleuserbanden

Er verweist auf die Vorteile der Karte, etwa die Entlastung der Verwaltung. Denn bislang mussten Behörden Bargeld beschaffen und dann an die Asylbewerber verteilen. Das falle nun weg.

Vor allem auch die Überweisung größerer Summen ins Ausland, etwa an Schleuserbanden, will die Staatsregierung mit der Bezahlkarte vermeiden. Eine staatliche Förderung, die noch mehr Geschäfte zum Umstieg bewegen könnte, lehnt Kirchner ab und vertraut auf Angebot und Nachfrage. "Die bargeldlose Zahlung ist auf dem Vormarsch und die Infrastruktur kann und wird auch von allein entstehen."

Gemischtes Fazit

Noch läuft die Bezahlkarte als Pilotprojekt, bayernweit soll sie im Sommer eingeführt werden. Evelyn Söll zieht am Ende des Rundgangs durch Burgau ein gemischtes Fazit. "Ich bin froh, dass es in einigen Geschäften gut geklappt hat. Aber ich finde es schwierig, wenn Geflüchtete bloßgestellt werden, weil die Karte nicht akzeptiert wird."

Fahme Abdullah hofft, dass die Politik vielleicht doch noch umsteuert und bis zur offiziellen Einführung die Bargeldgrenze anhebt. "100 Euro bar wären schon schön. Zumindest so lange man in vielen Geschäften nicht mit der Karte einkaufen kann."

Sachleistungen statt Geldleistungen

In den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Günzburg und Traunstein sowie in der Stadt Straubing läuft derzeit die Pilotphase für die Asyl-Bezahlkarte. Sie ist für alle Menschen in Bayern vorgesehen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Ziel der Karte ist es laut Staatsregierung, Geldleistungen weitgehend durch Sachleistungen zu ersetzen. Insgesamt sollen rund 70.000 Asylbewerber ab 14 Jahren eine solche Karte in Bayern bekommen.

Dieser Artikel ist erstmals am 3. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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