Kabinettssitzung in der Staatskanzlei
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Kabinettssitzung in der Staatskanzlei

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Bezahlkarte für Asylbewerber: Bayern will Vorreiter sein

Bargeldzahlungen für Asylbewerber sollen in Bayern schnell weitgehend durch Sachleistungen ersetzt werden: Das Kabinett beschloss die Einführung einer bayernweiten Bezahlkarte. Der Freistaat will dabei Vorreiter sein - ist es aber nicht ganz.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

In seiner ersten Sitzung hat das neue bayerische Kabinett die "unverzügliche" Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber auf den Weg gebracht. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte in München, ein entsprechendes bayerisches Konzept sei erarbeitet worden und werde nun umgesetzt. Im Frühjahr 2024 solle die Karte dann tatsächlich in der Praxis zur Anwendung kommen.

Durch die Karte werde es nicht mehr möglich sein, Überweisungen zu tätigen. Auch Online-Einkäufe sollen ausgeschlossen sein, genauso wie bestimmte Händler. Auch eine geografische Beschränkung sei geplant, erläuterte der CSU-Politiker. Das Konzept sieht Herrmann zufolge vor, dass sämtliche Leistungen, die über das Asylbewerberleistungsgesetz bezogen werden, über die Bezahlkarte abgedeckt werden.

"Bayern nimmt Vorreiterrolle ein"

Bund und Länder hatten sich Anfang November auf die "Einführung von bundeseinheitlichen Mindeststandards für eine Bezahlkarte" geeinigt. Eine Arbeitsgruppe soll bis Ende Januar 2024 ein Konzept für ein bundesweites Geldkarten-Modell erarbeiten. Die Staatsregierung geht nun jetzt schon einen eigenen Weg. Die Staatskanzlei teilte mit: "Bayern nimmt damit eine bundesweite Vorreiterrolle ein."

Herrmann sprach von einem "wichtigen Schritt". Da der Bund keine bundesweite Karte einführe, sei es Sache der Länder. "Von daher müssen wir es tun, wollen es aber natürlich auch aus eigenem Antrieb tun." Es werde möglicherweise Bundesländer geben, die sich dem bayerischen Vorbild anschließen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb später in den sozialen Netzwerken: "Wir machen Tempo bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber. Andere Länder können sich daran gerne mit anschließen."

Hamburg will Anfang Januar Bezahlkarte einführen

Der Hamburger Senatssprecher Marcel Schweitzer verweist aber darauf, dass der Senat der Hansestadt die Einführung einer solchen Karte schon seit 2022 prüfe. Im Gegensatz zu Bayern habe Hamburg "bereits die erforderliche europaweite Ausschreibung abgeschlossen", teilte er BR24 mit. "Wir prüfen und bewerten die eingereichten Angebote gegenwärtig." Der operative Start sei zum 2. Januar 2024 geplant, "so dass die ersten Karten ab Januar 2024 ausgegeben werden können". Ziel der Karte sei, die bezirklichen Zahlstellen zu entlasten "und Barauszahlungen von Sozialleistungen an verschiedene Empfängerinnen und Empfänger zu ersetzen".

Laut der Hamburger Ausschreibung soll es sowohl virtuelle als auch Kunststoffkarten geben. Im Gegensatz zum bayerischen Modell ist zumindest im Ausschreibungstext auch von einer Bargeldabhebung sowie Zahlungen im Internet in die Rede. Das bedeutet laut Senat aber nicht, dass diese Funktionen auch verfügbar sein werden: Sollten sich alle Länder darauf verständigen, die Funktionen der Bargeldabhebung und der Internetzahlung abzuschalten, werde dies auch in Hamburg so sein.

Staatsregierung will "Pull-Effekt" reduzieren

Die bayerische Bezahlkarte soll der Staatskanzlei zufolge in allen Ankerzentren sowie in den Asylunterkünften der Anschlussunterbringung eingeführt werden, "soweit dies nach den bundesrechtlichen Vorgaben möglich ist und Leistungen nicht bereits als Sachleistungen erbracht werden". Mit der Bezahlkarte könnten die Leistungsberechtigten ähnlich wie mit einer EC-Karte in Geschäften bezahlen.

Dahinter steht das politische Ziel, möglichst keinen Anreiz für die Zuwanderung nach Deutschland zu geben: Die Karte solle zu einer Reduzierung des "Pull-Effekts in Richtung Deutschland oder Bayern" führen, betonte Herrmann.

Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht "dringenden Handlungsbedarf". Es gelte, "die anziehenden Effekte einer Bargeldauszahlung zu reduzieren". Es müsse ausgeschlossen werden, dass "immer mehr Bargeld in die Heimatländer für Schlepper und Sonstiges überwiesen wird".

Video: Erdinger Landrat Bayerstorfer zur Bezahlkarte

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Grüne: Söder prescht "für den Show-Effekt vor"

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze kritisierte den Alleingang Bayerns: "Vergangene Woche haben Bund und Länder gemeinsam Beschlüsse auf den Weg gebracht, um die Rahmenbedingungen einer Bezahlkarte zu prüfen und festzulegen. Jetzt prescht Markus Söder wieder für den Show-Effekt vor."

Es müsse doch um eine tragfähige Lösung gehen. Bisher habe die Karte zum Beispiel in Erding und Zirndorf nicht funktioniert, weil lokale Händler sie nicht als Zahlungsmittel akzeptiert hätten. "Vor diesem Hintergrund Bayerns Behörden nun im Hauruck-Verfahren diesen enormen Verwaltungsaufwand aufzuladen, ist schlicht unverantwortlich", beklagte Schulze. Es brauche vielmehr eine flächendeckende, gemeinsame Lösung der Länder.

Der Landrat von Miltenberg, Jens Marco Scherf (Grüne), forderte, eine Bezahlkarte müsse einfach umsetzbar sein, damit diese den Aufwand der Bargeldauszahlungen deutlich reduziere. "Von der bayerischen Staatsregierung erhoffen wir uns eine unkompliziert umzusetzende Lösung, die den Verwaltungsaufwand möglichst kleinhält." Ergänzend dazu solle der Freistaat Bayern seine staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen erweitern, "damit nur Flüchtende mit einer Aufenthaltsperspektive bzw. abgeschlossenem Verfahren in die Obhut der Kommunen übergeben werden".

AfD: "Handeln bedeutet abschieben"

Der AfD-Abgeordnete Ingo Hahn betonte bei BR24live, die AfD fordere schon seit Jahren Sach- statt Geldleistungen. Es sei aber nur ein ganz kleiner Baustein. Die Bezahlkarte sei wie "Sand in die Augen der Bürger", es werde der Eindruck erweckt, dass etwas getan werde. Doch: "Es wird sich überhaupt nichts tun mit dieser Geldkarte, weil wir ganz andere Pull-Faktoren, also Anziehungsfaktoren haben." Als Beispiele nannte er Krankenversicherung, Bürgergeld, "warme Unterkünfte, tolle Wohnungen" für Asylbewerber.

Hahns Forderung: Jeder abgelehnte Asylbewerber müsse abgeschoben werden. "Handeln bedeutet abschieben", sagte er AfD-Politiker. Und da die EU-Außengrenzen nicht geschützt seien und "alle nach Deutschland, nach Bayern kommen" wollten, müssten die deutschen Grenzen geschützt werden.

SPD: Ein "ganz kleines Puzzle-Teil"

Florian von Brunn von der SPD hält andere Stellschrauben für wichtiger als die Einführung einer Bezahlkarte, die nur ein "ganz kleines Puzzleteil" sei. "Migrationsabkommen mit anderen Ländern spielen eine zentrale Rolle. Das ist ein viel besserer Hebel in diesem Fall", sagte von Brunn bei BR24live.

Außerdem werde an einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik gearbeitet. "Da soll zum Beispiel dafür gesorgt werden, dass die Verteilung in der Europäischen Union besser ist, dass sie gerechter ist, dass Deutschland nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen muss." Die Menschen kämen nicht wegen Geldleistungen in die Bundesrepublik, sondern eher weil Deutschland ein Rechtsstaat und wirtschaftlich stark sei.

Verpflichtende Sprachtests für Kinder

Darüber hinaus beschloss der Ministerrat, dass flächendeckende Sprachtests vor der Einschulung eingeführt werden sollen. Die zuständigen Ressorts - das Sozial-, das Kultus- und das Gesundheitsministerium - seien beauftragt worden, ein Konzept zu entwickeln, erläuterte Herrmann.

Bei mangelnden Sprachkenntnissen solle es ein verpflichtendes Vorschuljahr oder Sprachkurse geben. Dank dieser Förderung solle das Kind in der Lage sein, dem Unterricht zu folgen. Dies solle nicht mehr "von der Willkür der Eltern abhängen". Wer die Kinder unterrichten soll, ist noch unklar.

Das BR24live zur Kabinettsitzung zum Nachschauen:

ARCHIV - 06.09.2023, Brandenburg, Eisenhüttenstadt: Ein Wegweiser mit der Abkürzung «EAE» und «Asyl» zur Erstaufnahme-Einrichtungen (EAE) des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. (Illustration zu dpa: "Gemeindebund zweifelt an schnellerem Asylverfahren und Bezahlkarte") Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Migration - Erstaufnahme-Einrichtungen (EAE)

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