ARCHIV - 06.09.2023, Brandenburg, Eisenhüttenstadt: Ein Wegweiser mit der Abkürzung «EAE» und «Asyl» zur Erstaufnahme-Einrichtungen (EAE) des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. (Illustration zu dpa: "Gemeindebund zweifelt an schnellerem Asylverfahren und Bezahlkarte") Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Migration - Erstaufnahme-Einrichtungen (EAE)

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BR24live: Kabinett berät zu Bezahlkarten für Asylbewerber

Das bayerische Kabinett berät heute über die Einführung von Bezahlkarten für Asylbewerber - statt Bargeld. Der Freistaat will damit bundesweit Vorreiter sein. BR24live berichtet ab 12 Uhr über die Pressekonferenz zur Kabinettssitzung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Statt mit Bargeld sollen Flüchtlinge, die im Asylverfahren oder geduldet sind, künftig in Bayern mit einer Geldkarte einkaufen. Zwar könnten Asylbewerber laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auch weiterhin "einen kleinen Anteil Bargeld" erhalten. Der Großteil der Leistungen soll aber über Geldkarten ausgezahlt werden. CSU und Freie Wähler haben die Umstellung auf ein Bezahlkartensystem auch in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten.

BR24live überträgt die Pressekonferenz zur Kabinettssitzung mit Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ab 12 Uhr - samt Reaktionen aus der Opposition.

Geldkarte statt Bargeld: Kein Anreiz für Migration

Florian Streibl, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, nennt das "sinnvoll und geboten". Das Geld des Steuerzahlers werde dadurch für das verwendet, für das es gedacht sei, nämlich für den Lebensunterhalt der Asylbewerber. "Und es werden keine weiteren Pull-Faktoren, also Anreize für Zuwanderung, gesetzt." Hinter dieser Aussage steht die Annahme, dass Asylbewerber wegen der Bargeldzahlungen nach Deutschland kommen und dann Teile davon an Verwandte in ihren Heimatländern schicken. Details will die Staatsregierung an diesem Dienstag bekannt geben.

Söder: "Zur Sondersache deklarieren", um Zeit zu sparen

Der Freistaat plant die Einführung der Bezahlkarte zum Frühjahr 2024. Laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird die Zeit aber knapp: "Die Vergabevorschriften führen dazu, dass die Zeitpläne nie einhaltbar wären." Deshalb müsse man die Einführung der Bezahlkarten zu einer "Sondersache deklarieren, damit es schneller geht".

Nicht nur in Bayern, sondern bundesweit wird an einem Bezahlkartensystem gearbeitet. Bund und Länder hatten beim Migrationsgipfel Anfang November die "Einführung von bundeseinheitlichen Mindeststandards für die Bezahlkarte" vereinbart. Eine Arbeitsgruppe soll bis Ende Januar 2024 ein Geldkarten-Modell erarbeiten.

So lange will Bayern aber nicht warten. Jedoch: Wenn Bayern vorprescht und ein eigenes System erarbeitet, muss das womöglich später in ein bundesweit einheitliches System integriert werden. Söder hält es daher durchaus für wichtig, das "im Verbund der Länder" anzugehen. "Wir haben jetzt mehrere Länder, die das gemeinsam mit uns machen wollen. Das werden wir in den nächsten Tagen abschichten und überlegen, was der richtige Weg ist."

Firma PayCenter bietet sich für Modellprojekte an

Ein Blick zur Firma PayCenter aus Freising zeigt, wie es gehen könnte. Das Unternehmen hat eine Bezahlkarte entwickelt, die schon bald in Pilotprojekten eingesetzt werden soll. Im Internet wirbt PayCenter damit, dass es die "Mastercard auf Guthabenbasis" sowohl als Plastikkarte als auch als App gibt. Außerdem könnten die staatlichen Verwaltungsstellen das Einsatzgebiet auf eine Postleitzahl begrenzen.

Auch eine Beschränkung auf einzelne Händler, Branchen oder gar auf bestimmte Waren und Dienstleistungen (ÖPNV) sei möglich. Und Bargeldabhebungen könnten begrenzt werden, "z. B. einmal pro Monat bis zu 50 Euro".

"Nur Homöopathie": Teile der Opposition üben Kritik

Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD, sagt auf Nachfrage von BR24: "Irreguläre Migration wollen wir verhindern. Dazu kann die Karte einen Beitrag leisten – aber wenn wir ehrlich sind: Das ist eher homöopathisch." Andere Maßnahmen wie Migrationsabkommen mit Herkunftsländern seien wichtiger.

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, verweist darauf, dass viele Kommunen und Landkreise durch die Einführung der Bezahlkarten einen höheren Verwaltungs- und Bürokratieaufwand befürchten. Das sei in der jetzigen Phase der Überforderung schwierig.

Katrin Ebner-Steiner hingegen, Fraktionschefin der AfD, sieht sich bestätigt. Die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen sei eine alte Forderung ihrer Partei. "Die AfD wirkt", schließt sie daraus, dass Bayern nun eine Bezahlkarte einführen will. Deutschland dürfe nicht weiter als Sozialparadies für "illegale Migranten" wahrgenommen werden.

Wissenschaftler sehen Bezahlkarte skeptisch

Migrationsforscher bezweifeln jedoch, dass wegen der Bezahlkarte weniger Menschen nach Deutschland kommen. Was Deutschland eher attraktiv mache, sei der funktionierende Rechtsstaat. Rechtswissenschaftler Frederik von Harbou, der Professor an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena ist, sieht zudem verfassungsrechtliche Probleme – und zwar, wenn bestimmte Waren oder Dienstleistungen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das heißt: Wenn bestimmte Warengruppen gesperrt werden oder wenn man mit der Karte nicht überall bezahlen kann. Als Beispiel nennt der Migrationsforscher eine öffentliche Toilette, bei der man in der Regel nur bar bezahlen könne. Außerdem verweist von Harbou auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, dass die Menschenwürde nicht migrationspolitisch zu relativieren sei. Das heißt: Sie darf nicht infrage gestellt werden, um Abschreckungseffekte zu erzielen", sagt der Rechtswissenschaftler.

Kabinett befasst sich auch mit Sprachtests für Migrantenkinder

Neben den Bezahlkarten soll es im Kabinett auch um die geplante Einführung von verpflichtenden Sprachtests für Kindergartenkinder gehen. Solche Tests soll es vor dem letzten Kindergartenjahr geben, um bei allen Kindern ausreichende Deutschkenntnisse sicherzustellen. Das haben CSU und Freie Wähler in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Kinder "mit festgestellten sprachlichen Defiziten" sollen demnach verpflichtend einen Deutsch-Sprachkurs besuchen müssen.

Bezahlkarte statt Bargeld für Asylbewerber
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Bezahlkarte statt Bargeld für Asylbewerber (Symbolbild)

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