Das Pflegeheim am Rand der Ortschaft Seeg.
Bildrechte: BR/Michael Frick

Am Montag beginnt der Prozess rund um den mutmaßlichen Abrechnungsbetrug beim Betrieb des Seeger Pflegeheims.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Betrug und Untreue? Prozess gegen Seeger Bürgermeister beginnt

Es war Anfang des Jahres ein Paukenschlag, als die Polizei den Seeger Bürgermeister und früheren Leiter des örtlichen Pflegeheims festgenommen hat. Der Vorwurf: Betrug und Untreue in Millionenhöhe. Am Montag beginnt der Prozess. Die Hintergründe.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Die Nachricht verbreitete sich Mitte Januar 2023 bundesweit wie ein Lauffeuer. Nach Razzien im Rathaus, im Umfeld des Pflegeheims und in privaten Räumen hatte die Polizei den Bürgermeister der Ostallgäuer Gemeinde Seeg verhaftet. Seitdem sitzen der vorläufig suspendierte Bürgermeister Markus Berktold (CSU) und der frühere Verwaltungsleiter des Seniorenheims sowie eines Pflegedienstes wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Am Montag beginnt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth der Prozess gegen sie.

Coronahilfen unrechtmäßig abgerechnet

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg wirft den beiden Männern gewerbsmäßigen Betrug vor. Sie sollen rund 2,1 Millionen Euro unrechtmäßig über den sogenannten Pflegerettungsschirm abgerechnet haben. Teilweise sollen sie dafür nachträglich Scheinrechnungen ausgestellt haben. Der Rettungsschirm war eingerichtet worden, um Corona-bedingte Mehrkosten für Pflegeeinrichtungen abzufedern.

Bürgermeister soll viel Geld veruntreut haben

Außerdem wirft die Staatsanwaltschaft dem Bürgermeister Untreue in Millionenhöhe vor: Beim Caritas-Stiftungsverein in Seeg und der Betreibergesellschaft der Senioren-Einrichtung soll der Bürgermeister insgesamt rund zwei Millionen Euro veruntreut haben. Als sogenannter Liquidator hätte Berktold den Verein Caritas-Stiftung Seeg abwickeln sollen. In diesem Rahmen soll er laut Staatsanwaltschaft insgesamt 825.000 Euro unter anderem auf sein Privatkonto überwiesen und dem Verein zustehende Pachtforderungen von über 500.000 Euro nicht geltend gemacht haben. Dem Verein gehört das Pflegeheim.

Pflegedienstleiter soll private Schulden getilgt haben

Der angeklagte Pflegedienstleiter soll über die anderen Betrugsvorwürfe hinaus zusammen mit seiner Frau weitere 270.000 Euro unrechtmäßig aus dem Pflegerettungsschirm für einen von ihnen 2022 neu gegründeten Pflegedienst geltend gemacht haben. Laut einer Gerichtssprecherin nutzten die beiden die Coronahilfen, um private Schulden zu tilgen. Ein Verfahren gegen die mitangeklagte Ehefrau wurde aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.

Ermittlungen dauern monatelang

Ausgangspunkt für die polizeilichen Ermittlungen war eine Strafanzeige eines ehemaligen Heimmitarbeiters. In deren Folge ermittelten Mitarbeiter der Kemptener Kriminalpolizei und der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) mit Sitz in Nürnberg über Monate: Dabei werteten sie über 100 Zeugenbefragungen und Akten mit hunderten Seiten und digitale Daten mit mehr als 1,12 Terabyte aus. Außerdem wurden 56 Konten der Angeschuldigten und der Unternehmen durchleuchtet.

Undurchsichtiges Firmengeflecht geschaffen

Rund um das Seeger Seniorenheim hatte Bürgermeister Berktold 2020 ein Firmengeflecht aus verschiedenen Gesellschaften geschaffen. Das Heim wurde von einem stationären Pflegeheim in zwei ambulant betreute Wohngruppen umgewandelt. Deren Betrieb und die Pflege übernahmen Berktolds Gesellschaften. Dort ist er jeweils Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter. Die Generalstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass Berktold die Unternehmen gründete, um sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen. Die erschlichenen Coronahilfen soll der Bürgermeister genutzt haben, um die Unternehmen mit frischem Kapital zu versorgen und Finanzlöcher zu stopfen.

Menschen in Seeg beschäftigt das Thema

Die Razzia im Rathaus, die Festnahme des Bürgermeisters, die schweren Vorwürfe gegen den Rathauschef, monatelange Ungewissheit und jetzt der Prozessbeginn: Die Menschen in der 3.000 Einwohner-Gemeinde Seeg bewegt das Thema nach wie vor. Sie wollen endlich Gewissheit und wieder Ruhe im Dorf. Das haben sie dem BR bei Gesprächen vor Ort gesagt.

Urteil soll im Januar fallen

Für den Prozess sind bis Mitte Januar 2024 elf Verhandlungstage angesetzt. Die Verhandlung gegen die Angeklagten aus dem Allgäu findet am Landgericht Nürnberg-Fürth statt, weil die Nürnberger Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer Zentralstelle bayernweit für Betrugsfälle im Gesundheitswesen zuständig ist. Das angeklagte Ehepaar zeigte sich laut Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Vorwürfe geständig. Das Verfahren gegen die Ehefrau wurde jedoch abgetrennt. Gegen sie wird gesondert verhandelt.

Der Bürgermeister habe sich bislang nicht zum Tatvorwurf geäußert. Auch sein Anwalt wollte vor Beginn der Hauptverhandlung keine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten abgeben. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!