Die winterlichen Verhältnisse sind in der ersten Osterwoche drei Wanderern im Landkreis Garmisch-Partenkirchen zum Verhängnis geworden.
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Die winterlichen Verhältnisse sind in der ersten Osterwoche drei Wanderern im Landkreis Garmisch-Partenkirchen zum Verhängnis geworden.

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Trauriger Rekord: Bereits 19 Tote bei Bergunfällen

Die Wandersaison hat eigentlich noch nicht begonnen. Die sonnigen Tage haben aber schon viele in die Berge gelockt. Dabei herrscht in den Höhen vielerorts noch Winter. Für 19 Menschen endete das in diesem Jahr bereits tödlich. Ein trauriger Rekord.

Sie hatten einen schönen Osterurlaub in den Bergen geplant. Das Ehepaar aus Sachsen-Anhalt mietete sich eine Ferienwohnung bei Garmisch-Patenkirchen und wollte von dort aus Wandertouren unternehmen. Am 13. April verließen die 55-Jährige Frau und ihr fünf Jahre älterer Mann gemeinsam ihr Domizil, um von Grainau aus in Richtung Osterfelderkopf zu wandern. Zwischen Höllentalangerhütte und Hupfleitenjoch war alles noch komplett verschneit. Offenbar wollten sie durch den Schnee, weiter in Richtung Gipfel stapfen. Dabei rutschten sie vermutlich ab, konnten sich nicht halten und stürzten ab. Ihre Verletzungen waren tödlich.

Erst Tage später wurden sie gefunden

Erst am Karsamstag meldete die Vermieterin der Ferienwohnung das Paar als vermisst, bei der Polizei Garmisch-Partenkirchen. Mit Hilfe eines Hubschraubers wurden sie schließlich gefunden: Zwei leblose Körper unterhalb des Weges. Polizei-Bergführer Lorenz Kellner, der die beiden geborgen hat, vermutet, dass das verschneite Gelände ihnen zum Verhängnis geworden war.

Der Weg sei im Sommer gut begehbar, nicht aber bei diesen Verhältnissen. Kellner, der Mitglied bei der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei ist, vermutet, dass die beiden an derselben Stelle auf dem glatten Schneefeld ausgerutscht und abgestürzt sein müssen. "Weil die Lagepunkte der beiden Leichname untereinander war, sie lagen nicht beieinander, sondern in der Höhe versetzt."

Polizei kann Wege nicht einfach absperren

Laut Kellner trugen die beiden leichte Turnschuhe ohne jegliche Kantenfestigkeit. Mit denen sei es nicht möglich, im steilen. eisigen Gelände sichere Tritte zu setzen. Dass man einfach präventiv sämtliche gefährlichen Wege sperre, sei nicht so einfach, erklärt Polizei-Bergführer Kellner. "Das ist nicht machbar." Berge müssten Kellner zufolge immer ein Teil der freien Natur bleiben. "Das bedingt auch, dass man sich eigenverantwortlich darin bewegt und auch Entscheidungen zu treffen hat."

Vor allem das Frühjahr und der Herbst seien für Wanderer besonders kritisch, weil die Witterung dann unberechenbar ist. Zudem seien nördlich und schattseitig gelegene Hänge gefährlicher, als jene mit südlicher Ausrichtung. "Da werden die Bedingungen schlagartig anders, da sind Wege vereist und verschneit und die Abrutschgefahr steigt um ein Vielfaches."

DAV: Nicht einfach drauflosgehen

Auch Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein betont, dass man in den Bergen immer eigenverantwortlich unterwegs sei. "Man muss wissen, was man tut." Konkret bedeute dies zunächst eine gute Tourenplanung. Man sollte wissen, wie das Wetter im Tal und am Berg ist und wie die Verhältnisse dort sind. "Ob und wo Schnee liegt, demensprechend die richtige Tour raussuchen und im Gelände die Augen offenhalten." Auch die Ausrüstung ist essentiell: Gut profilierte Schuhe, die im Zweifel auch für Schnee geeignet sind, Kartenmaterial und Orientierungshelfer wie Kompass.

Die Karten des Alpenvereins enthalten zudem Schongebiete, die man vor allem im Winter und Frühjahr nicht betreten sollte, sagt Bucher. "Weil die Tiere in einem Übergang sind und erst langsam aus dem Winterschlaf aufwachen." Auch entsprechende Apps sind Bucher zufolge sinnvoll, schützen aber nicht davor, selber "das Hirn einzuschalten."

Einfach drauflosgehen – das sollte man in keinem Fall tun, sagt Bucher. "Aus dem Fenster schauen und sagen: Heute ist gutes Wetter, jetzt gehe ich mal." Denn auch wenn es im Tal bereits frühlingshaft ist, herrschen beispielsweise auf der Alpspitze noch winterliche Bedingungen.

Polizei-Bergführer: Grödel oder Steigeisen tragen

Auch die alpine Einsatzgruppe der Polizei rät allen Bergwanderern zu einer sehr gründlichen Routenwahl. Oberhalb von 1.500 Höhenmetern liegt bis weit ins Jahr und vor allem jetzt im Frühling auf den Nordseiten noch fast überall viel Schnee.

Die Markierungen der Wege sind nicht erkennbar und beim Passieren von Schneefeldern und vereisten Wegen besteht im exponierten Gelände Absturzgefahr. Neben dem Tragen von Bergschuhen mit gutem Profil werden auf allen Wanderungen im hochalpinen Bereich Grödel oder sogar Steigeisen empfohlen. Auch sogenannte Trail-Runningschuhe geben auf Schnee und Eis keinen ausreichenden Halt, warnt etwa der Polizei-Bergführer Lorenz Kellner aus Bad Tölz.

Viele Unfälle wegen winterlichen Verhältnissen

Insgesamt kamen seit Jahresbeginn zwischen Berchtesgaden und Zugspitze 19 Menschen bei Bergunfällen ums Leben, etwa halb so viele wie sonst in einem gesamten Jahr. Neben dem verunglückten Ehepaar war am vergangenen Donnerstag ein Bergwanderer in Mittenwald tödlich abgestürzt. Er war bei winterlichen Verhältnissen unterwegs zur westlichen Karwendelspitze und oberhalb der Mittenwalder Hütte auf Schnee und Eis abgestürzt. Der 27-Jährige galt als bergerfahren.

Am Ostersonntag hat ein 38-Jähriger aus Mittelfranken einen Absturz über 120 Meter hingegen überlebt. Er rutschte beim Aufstieg auf den Hochkalter aus und stürzte über steiles Gelände ab. Er blieb an einem großen Felsblock liegen.

Zahlreiche Bergrettungen über Osterfeiertage

Am Karfreitag stürzte eine Jägerin aus Baden-Württemberg im Lattengebirge im Berchtesgadener Land 30 Meter über einen regennassen felsigen Hang ab und verletzte sich dabei schwer. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus gebracht.

Am Ostersonntag und Ostermontag mussten die Bergretter erneut dreimal im Lattengebirge und am Hochstaufen erschöpfte und verstiegene Bergsteiger retten. Etwa eine Dreiergruppe, die sich am Predigtstuhl im Schnee verstiegen hatten. Die Wanderer aus Unterfranken waren aufgrund des für sie unerwarteten Altschnees derart erschöpft, dass sie nicht weitergehen konnten.

Am Ostermontag retteten die Bergwachten ein Ehepaar aus dem Landkreis Rosenheim aus der steilen Nordostflanke des Hochschlegls. Sie waren den Schneespuren eines Wanderers gefolgt, der dort bereits wenige Tage zuvor gerettet werden musste. Sie konnten an dem immer steiler werdenden Hang nicht mehr auf- oder absteigen.

Am selben Tag musste die Bergwacht zu einem Pärchen aus dem Landkreis Rosenheim ausrücken, das in der Nordwand des Hochstaufens im Absturzgelände festsaß. Die jungen Bergsteiger wollten eigentlich den noch immer verschneiten Pidinger Klettersteig gehen, waren aber vom Klettersteig abgekommen und frei durch die Nordwand aufgestiegen bis sie nicht mehr auf- und abklettern konnten.

Polizei und Bergwacht warnen seit Wochen vor Wanderungen und Bergtouren in höher gelegenen Regionen. Durch die anhaltend kalten Temperaturen sind viele Wege ohne Winterausrüstung nicht begehbar.

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