Tafel hilft Ukraine-Flüchtlingen: "Wir werden überrannt"
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Ukraine-Flüchtlinge vor der Augsburger Tafel

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Tafel hilft Ukraine-Flüchtlingen: "Wir werden überrannt"

Lebensmittel, Seife oder Duschgel: Hunderte Ukraine-Flüchtlinge haben sich bei einer Sonderaktion der Tafel Augsburg mit dem Nötigsten eindecken können. Noch funktioniert die Versorgung. Doch der Zustrom nach Bayern ist groß.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Am frühen Vormittag sieht man an Ampeln im Augsburger Stadtteil Oberhausen immer mehr Menschengruppen. Darunter viele Frauen, einige schieben Kinderwägen vor sich her, andere halten Kleinkinder an der Hand. Sie alle strömen zum Standort der Tafel Augsburg e.V., wo im Rahmen einer Sonderaktion Lebensmittel an ukrainische Flüchtlinge ausgegeben werden.

Vor der Ausgabestelle, die in einem dreigeschossigen Bau untergebracht ist, läuft Klaus Matthiessen hin und her, führt Gespräche, koordiniert Mitarbeiter. Er leitet die Augsburger Tafel und betrachtet etwas ungläubig den Andrang: "Wahnsinn, wir werden überrannt!" Schnell staut sich eine lange Schlange die Straße entlang.

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Essen, Trinken, Hygiene-Artikel für Ukraine-Flüchtlinge

Eine junge Frau steht mit ihrer Mutter an. Sie sind Zeugen Jehovas und sind bei Glaubensgenossen in Augsburg untergekommen. So wie die beiden leben die meisten der anstehenden Flüchtlinge bereits in privaten Unterkünften. Anders als im Ankerzentrum, wo eine Großküche die Menschen versorgt, müssen sie sich nun selbst versorgen. Und das heißt zuallererst: Essen, Trinken und Hygiene-Artikel besorgen.

Rund drei Tonnen an Lebensmitteln wurden bei der eintägigen Aktion an die Ukrainerinnen und Ukrainer verteilt. "Für die Menschen geht es nun darum, den Alltag zu meistern", sagt Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber, die ebenfalls vor Ort ist. "Und auch wenn die Stadtverwaltung wirklich am Anschlag arbeitet, das schaffen wir nur dank der Strukturen der Ehrenamtlichen", so die CSU-Politikerin weiter.

Momentan helfen den Tafeln Geldspenden am meisten

Die Augsburger Tafel hat wie Waren, die an die Flüchtlinge verteilt wurden, strikt von den Lebensmitteln getrennt, die sonst an Bedürftige verteilt werden. "Unsere sonstige Kundschaft soll natürlich nicht darunter leiden", so Augsburgs Tafel-Leiter Matthiessen.

Wegen der vielen Ukraine-Flüchtlinge haben die Tafeln vorübergehend den Grundsatz aufgehoben, wonach sie nur Lebensmittel vor dem Wegwerfen retten um sie dann an Bedürftige zu verteilen. "Wir können nun auch Lebensmittel zukaufen", erklärt Matthiessen. Deshalb könne man in der aktuellen Situation am besten mit Geldspenden helfen.

Registrierung hinkt hinterher

Matthiessen und Weber loben im selben Atemzug die große Spendenbereitschaft der Augsburgerinnen und Augsburger. Und sind die Menschen einmal registriert, bekommen sie auch Zugang zu Sozialleistungen. Das würde die Versorgungslage verbessern. Doch die Registrierung kann mit dem Andrang nicht Schritt halten, beklagt Weber.

Der Grund: Die Registrierung beinhaltet Fingerabdrücke und biometrische Aufnahmen. Und die Technik dafür stünde der Stadt nicht zur Verfügung, so Weber. Nur in der Ankereinrichtung sei die Registrierung möglich, die von der Regierung von Schwaben betrieben wird. Um die Situation für die Menschen zu entspannen, würden vom städtischen Amt für soziale Leistungen auch ohne abgeschlossene Registrierung Sozialleistungen gewährt. Die Betroffenen werden dann anhand ihrer Pässe vorläufig registriert.

"Wir lange wird der Krieg noch dauern?"

Noch ist die Spendenbereitschaft hoch. Und noch finden die Flüchtlinge relativ schnell Wohnraum. Über die App "Integreat" konnten binnen Wochenfrist rund 100 Wohnungen vermittelt werden. Zudem mietet die Stadt wie schon nach 2015 wieder dezentrale Unterkünfte an, in denen die Geflüchteten endlich wieder Privatsphäre haben. Angesichts der traumatischen Erlebnisse ein wichtiger Punkt, wie die Oberbürgermeisterin betont.

"Sorgen macht mir schon, wie lange dieser Krieg noch dauert und wie viele Menschen noch zu uns kommen werden", sagt Oberbürgermeisterin Weber. Bundesweit seien bislang rund 232.400 Flüchtlinge festgestellt worden, teilte das Bundesinnenministerium mit. Die Zahl wird von der Bundespolizei ermittelt, die derzeit verstärkte Kontrollen auch in Zügen durchführt.

Bislang rund 74.000 Flüchtlinge in Bayern

In Bayern sind laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bislang rund 74.000 Flüchtlinge angekommen. Die bayerische Staatsregierung forderte vom Bund erneut eine bessere Koordination bei der Verteilung und dem Transport von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands.

Immer wieder würden Busse im Freistaat angekündigt, die dann nicht ankämen. Allein am Wochenende seien das 10 bis 20 Busse gewesen. "Da stehen die Helfer bereit, um die Menschen in Empfang zu nehmen, und es kommt keiner", so Herrmann. Das führe dann zu einer zunehmenden Frustration. Inzwischen habe der Bund mitgeteilt, dass künftig in jedem Bus eine Person mitgeschickt werde, die den Kontakt zu den Helfern vor Ort halten solle.

Doch egal ob in Augsburg, Bayern oder ganz Deutschland: Die tatsächliche Zahl der Geflüchteten dürfte höher sein, da es an der deutsch-polnischen Grenze keine regulären Kontrollen gibt und sich Menschen mit ukrainischem Pass zunächst für 90 Tage frei in der EU bewegen können. In Augsburg rechnet man jedenfalls mit weiter steigenden Zahlen.

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