Bayerns Landwirtschaftsminitsterin Michaela Kaniber (m), rechts von ihr Hermann Greif vom BBV, links Bauernpräsident Günther Felßner, alle mit Ähre in einem Weizenfeld in Baldham
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Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Hermann Greif vom BBV (links) und Bauernpräsident Günther Felßner (rechts) begutachten die Ernte.

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Bayerns Bauern erwarten 2023 eine unterdurchschnittliche Ernte

Wechselhaftes Wetter mit viel Regen im Frühjahr und anschließend langer Trockenheit macht den Bauern zu schaffen. Auf der traditionellen Erntefahrt mit Bauernpräsident Felßner und Landwirtschaftsministerin Kaniber wurden die Sorgen deutlich.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

So gemischt wie das Wetter sind auch die Ernteaussichten der bayerischen Bauern in diesem Jahr. Sie erwarten eine unterdurchschnittliche Ernte bei Sommergerste, Mais und Kartoffeln. Sichtbar wurde das auf der traditionellen Erntefahrt, die dieses Jahr nach Baldham im Landkreis Ebersberg geführt hat. Zwischen Baldham und Vaterstetten haben die Gastgeber ihre Felder: Matthias Hackl, der einen Biobetrieb im zweiten Umstellungsjahr betreibt, und Markus Großmann-Neuhäusler, der nebenan Teile seines konventionellen Ackerbaubetriebs hat. Auf ihren Äckern sind die Auswirkungen der Trockenheit der letzten Wochen sichtbar.

Weizen schwer getroffen - leichter Ertragsrückgang im Durchschnitt

Während die Ähren des Weizenfeldes von der Ferne im Wind wogen, sehen alle sehr schnell, dass der Weizen aus der Nähe nicht mehr so prachtvoll aussieht. Die Ähren haben leere Hülsen, sie sind zum Teil hell: Trockenheit und ein örtlicher Hagelschlag haben ihre Spuren hinterlassen. Markus Großmann berichtet, der vordere Teil des großen Feldes habe kaum etwas abbekommen. Aber an der Stelle, wo die Gruppe steht, könnte die Einbuße bei 40 bis 50 Prozent liegen, verglichen mit einem optimalen Wachstumsverlauf.

Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Günther Felßner erinnert an das Frühjahr, als immer genug Wasser verfügbar war. Das habe aber auch dazu geführt, dass keine tiefen Wurzeln ausgebildet worden seien. "Und jetzt fehlt dieser Tiefgang und das Wasser von oben, sodass in der Bildungsphase des Getreides die Körner kleiner werden, die Qualitäten vielleicht auch nicht ausgebildet werden. Dann kann dieser Weizen nicht mehr als Backweizen verkauft werden, sondern nur noch als Futterweizen."

Warten auf den Regen zur rechten Zeit

Die Wetterereignisse sind punktuell, und so sind auch die Einbußen ganz unterschiedlich - je nach Region, ja je nach einzelnem Feld. Insgesamt schätzt das Landwirtschaftsministerium, dass die Ernte - von regionalen Ausreißern abgesehen - bei etwa fünf Prozent unter dem Zehnjahresschnitt und etwa drei Prozent hinter dem vergangenen Jahr zurückbleibt. Günther Felßner spricht von fünf trockenen Jahren in Serie, die die Bauern treffen. "Wir spüren, dass der Klimawandel keine Theorie ist in unserer täglichen Praxis."

Der Pflanzenbauexperte des Bauernverbandes, "Getreidepräsident" Hermann Greif - er ist wie Felßner aus Franken - sagte, heute gehe er "auf den Balkon, wenn es regnet", um das Ereignis zu feiern. Der Norden Bayerns ist noch wesentlich trockener als der Süden. Jedenfalls könnte auch ein später Regen in den nächsten Wochen noch bei der Reifung helfen.

Getreidepreise fallen - Energie- und Düngerkosten sind hoch

Trotz der erwartbar geringeren Ernte fielen die Getreidepreise, so Felßner. Die gestiegenen Lebensmittelpreise, die der Handel verlange, kämen nicht bei den Landwirten an, die bei hoher Inflation erhöhte Kosten für Düngemittel, Treibstoff und Futter finanzieren müssten. Die Bauern sorgten nicht nur für Ernährung; ihre Flächen dienten auch der Energieversorgung, der CO2-Speicherung und der Artenvielfalt. BBV- Präsident Felßner nennt das zusätzliche Ernten, die die Bauern einbringen müssten.

Bayerns Landwirtschaftsministerin mit BBV gegen Flächenstilllegung

Scharfe Kritik gab es an der Agrarpolitik aus Brüssel und Berlin. EU-Vorgaben zur Stilllegung von Flächen seien kontraproduktiv. "Wo ist denn der Vorteil, wenn man Fläche stilllegt?", sagte Landwirtschaftsmisterin Kaniber auf die Frage von BR24. "Die Weltbevölkerung wächst jeden Tag."

China und Russland kauften weltweit Flächen auf. "Andere große Länder produzieren und produzieren - und sichern sich damit natürlich auch ein strategisches Ziel. Was uns bei der Energie passiert ist, dass wir abhängig geworden sind, darf uns bei den Lebensmitteln auf keinen Fall passieren. Die Ernährungssouveränität Europas hat oberstes Gebot." Die Landwirtschaftsministerin verwies auf den hohen Anteil bayerischer Bauern, die Maßnahmen für Artenschutz brächten und entsprechend gefördert würden. Dies sei sinnvoller als die Pläne, die in Berlin oder Brüssel verfolgt werden.

Hiesige Tierwohlstandards müssten auch anderswo gelten

Für einen Vorrang der Nahrungsmittelproduktion warb auch BBV-Präsident Felßner. "Dass wir hier in Bayern weniger produzieren, ist der falsche Weg." Das bedeute nur mehr Importe - aus Ländern, in denen niedrigere Standards gelten etwa beim Tierwohl. "Das hilft den Tieren nicht, der Umwelt nicht, dem Klimaschutz nicht." Das sei eine "unehrliche Politik".

Bayerns Bauern arbeiteten nach höchsten Umweltstandards, unterstrich Kaniber. Tierwohlprogramme müssten auch finanziell ausreichend ausgestaltet sein, sagte sie in Richtung Berlin. Das Programm, das derzeit auf dem Tisch liege, sei da ein "Armutszeugnis". Es handle sich nicht um ein Umbauprogramm bei der Nutztierhaltung, sondern um ein Abbauprogramm. Bayern unterstütze die Bauern hier über den Umbau von Ställen hinaus bei den Folgekosten.

Ökoziel von 30 Prozent - Kaniber setzt auf Freiwilligkeit

Zum Öko-Landbau sagte Kaniber, die Zahl der Ökobetriebe habe sich im Freistaat binnen zehn Jahren verdoppelt. Man wolle 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030 erreichen. Bayern nehme hier 110 Millionen Euro jährlich in die Hand. Dennoch hält Kaniber an der Freiwilligkeit bei der Umstellung auf Öko-Landwirtschaft fest. In den eigenen Kantinen des Freistaats werde der Bioanteil erhöht.

Hagel macht Bauern immer wieder zu schaffen

Auf dem Maisfeld von Ökobauer Matthias Hackl im Vaterstettener Ortsteil Baldham sind die Blätter vom Hagel zerfetzt. Zwischen den Maispflanzen sprießt Unkraut, das sonst im Schatten der Blätter klein geblieben wäre. Nebenan, auf dem abgeernteten Wintergerste-Feld, ist der Boden zwischen Stoppeln mit Körnern bedeckt, die der Hagel heruntergeschlagen hat. 75 Prozent der Körner sind vernichtet.

Die Karotten, die Bauer Großmann hochhält, taugen nur noch als Industriekarotten, für Konserven und als Zusatz im Futter für Milchkühe. Die Experten wüssten nämlich, dass das "gut für die Fruchtbarkeit ist". Hier verweist Ministerin Kaniber auf die Förderung des Freistaats von Mehrgefahrenversicherungen. Dadurch könnten Einkommensverluste gemindert werden, die "insbesondere aufgrund extremer Wetterereignisse, verursacht durch den Klimawandel, auftreten". So wird es auf der Seite des Landwirtschaftsministeriums beworben.

Kritik von den Grünen an CSU-Landwirtschaftspolitik

Vertreter von Oppositionsparteien waren bei der heutigen Erntepressefahrt nicht dabei. Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, reagierte trotzdem. Die Klimakrise schlage erbarmungslos zu. "Unsere Bauern können ein Lied davon singen. Der Juni 2023 war der zehnte zu heiße Juni in Folge."

Die Ernteaussichten seien – je nach Region – auch in diesem Jahr wieder mau, so Hartmann. "Wir müssen jetzt gegensteuern, unser Klima schützen, und alles dafür tun, mehr Wasser in der Fläche zu halten." Für den Schutz und die Sicherung unseres Wassers machten sich die Grünen seit Anfang der 1990er Jahre stark. Schon damals sei absehbar gewesen, wo die Reise hingehe.

Im Audio: Bauern erwarten unterdurchschnittliche Ernte

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Strohrollen liegen auf einem abgeernteten Getreidefeld (Symbolbild)

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