Spielzeug steht in einer Kita auf einem Spielzeugteppich (Symbolbild).
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Spielzeug steht in einer Kita auf einem Spielzeugteppich (Symbolbild).

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Bayern will mit "Experimentierklausel" mehr Kita-Plätze schaffen

Mit mehr Flexibilität will Bayerns Familienministerin Scharf Kita-Trägern ermöglichen, zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder zu schaffen. Dazu nutzt das Ministerium eine "Experimentierklausel". Die Grünen sprechen von einer Bankrotterklärung.

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Seit Jahren gibt es zu wenig Kita-Plätze in bestimmten Teilen Bayerns – und der Bedarf wächst. Das Familienministerium will weiter gegensteuern: Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen bekommen ab September in einem befristeten Modellprojekt mehr Freiheiten, sagte die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) in München. Die Qualität der Betreuung solle nicht leiden.

Laut Scharf werden zum Beispiel sogenannte Mini-Kitas ausgeweitet. Das sind kleine Einrichtungen, in denen maximal zwölf Kinder betreut werden. Größere Einrichtungen können Einstiegsgruppen anbieten, bis ein regulärer Platz für die Kinder frei wird. In diesen Einstiegsgruppen muss keine Fachkraft, also Erzieherin, arbeiten. Eine pädagogische Qualifikation braucht das Personal dort allerdings schon. Die Zahl der Kinder, die von Tagesmüttern und -vätern betreut werden dürfen, soll von zehn auf 15 erhöht werden.

Steigender Betreuungsbedarf wegen Preissteigerungen

Bayerns Familienministerin rechnet mit einem weiter steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen. Sie sei überzeugt, dass die Menschen wegen der höheren Preise und Lebenshaltungskosten mehr arbeiten müssen, sagte Scharf. Diese Menschen, die beruflich tätig und in der Familienphase sind, bräuchten dann mehr Betreuungsplätze für ihre Kinder.

Die CSU-Politikerin zeigte sich überzeugt, dass Träger und Kommunen durch die neuen Freiheiten die Möglichkeit hätten, mehr Kita-Plätze zu schaffen. Konkret rät das Ministerium Kita-Trägern, die "Experimentierklausel" aus dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) einzusetzen. Die Klausel gibt gewisse Freiheiten, um in Einrichtungen zusätzliche Plätze zu schaffen.

Um mehr Fachkräfte für die Kinderbetreuung zu bekommen, will Scharf außerdem die Aus- und Weiterbildung reformieren. Ein entsprechendes Konzept soll in Kürze vorgestellt werden. Zuletzt wurde die Ausbildungszeit bereits um ein Jahr auf vier Jahre verkürzt.

Sandt: "Hauptsache, die Kinder sind verräumt"

Die Opposition kritisiert Scharfs Pläne massiv. Die Qualitätsstandards zu senken, sei ein Offenbarungseid der Staatsregierung, sagte Julika Sandt, familienpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion. "Nach dem Motto 'Hauptsache die Kinder sind verräumt', wirft Ministerin Scharf lieber die Standards über Bord, statt endlich Geld in gute Fachkräfte zu investieren." Im 21. Jahrhundert dürfe nicht "sauber, sicher, satt" der Anspruch an Kinderbetreuung sein.

Scharfe Kritik kommt auch von den Landtags-Grünen. "Größere Gruppen und jahrelange Spiel- und Einstiegsgruppen ohne Fachkräfte als Reaktion auf das seit Jahren bestehende Defizit bei den Kita-Betreuungsplätzen ist eine Bankrotterklärung der Sozialministerin an den eigenen Bildungsanspruch", sagte Johannes Becher, in der Grünen-Fraktion Sprecher für frühkindliche Bildung. Viel zu lange habe die Staatsregierung lieber in einkommensunabhängige Gebührenentlastung statt in die Qualität investiert. "Und das rächt sich nun."

Doris Rauscher, sozialpolitische Sprecherin der Landtags-SPD, äußerte sich ähnlich. "Wir als SPD fordern seit vielen Jahren, in Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen zu investieren - zum Wohle unserer Kinder", teilte Rausche mit. "Die schwarz-orange Koalition hat sich unseren konstruktiven Verbesserungsvorschlägen jahrelang verweigert und steht nun angesichts der Ganztagsgarantie mit dem Rücken zur Wand."

Scharf: Zuletzt 110.000 Kita-Beschäftigte in Bayern

Generell steigt die Zahl der Kita-Beschäftigten im Freistaat – nur eben nicht schnell genug. Die Zahl der Beschäftigten ist laut Scharf in den vergangenen Jahren um 73 Prozent auf über 110.000 gestiegen. Berechnungen aus dem Jahr 2017 ergeben demnach, dass in Bayern 19.400 Fachkräfte und 10.000 Ergänzungskräfte fehlen. Aktuellere Zahlen werden der Ministerin zufolge derzeit erhoben.

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