Symbolbild: Gendersprache
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Bayern beschließt Verbot von Gendersprache

Dreieinhalb Monate nach der Ankündigung von Ministerpräsident Söder hat Bayerns Kabinett ein Verbot von Gendergap, Genderstern und Co. beschlossen – für Schriftliches in Verwaltung, Schulen und Hochschulen. Bei Verstößen drohen Beamten Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die bayerische Staatsregierung will keine "ideologiegetriebene" Sprache im dienstlichen Schriftverkehr und verbietet daher die Verwendung von Sonderzeichen zur Geschlechterumschreibung. Nachdem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon im Dezember in seiner Regierungserklärung ein Genderverbot angekündigt hatte, beschloss nun das Kabinett offiziell eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaats Bayern (AGO). Damit soll explizit klargestellt werden, dass beispielsweise Gendersternchen ("Bürger*innen"), Binnenmajuskel ("LehrerInnen"), Doppelpunkt ("Arbeiter:innen") und Gendergap ("Verkäufer_innen") unzulässig sind.

"Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Kabinettssitzung. Das Verbot solle für Verwaltung, Schulen und Hochschulen gelten – unter anderem für offizielle Schreiben, Internetseiten von Behörden und Schulen, Elternbriefe, Schulbücher, Internetseiten und auch Jahresberichte. Damit gebe es nun klare Regeln für den staatlichen Bereich.

Beamten drohen beim Gendern Konsequenzen

In Schülerarbeiten werden Gendersterne und Co. zwar "als nicht korrekt" angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet, wie der Staatskanzleichef erläuterte. Lehrer müssten sich "wie alle anderen Beamten" selbstverständlich an die Geschäftsordnung und die festgelegten Regeln halten. Das gelte auch für die Rechtschreibung. Falls sich ein Beamter darüber hinwegsetze, werde es sicher auch Konsequenzen haben, sagte Herrmann.

Beim Innenministerium heißt es auf BR-Nachfrage, die Konsequenzen richteten sich "stets nach dem jeweiligen Einzelfall". Eine pauschale Betrachtungsweise sei dem Disziplinarrecht fremd. Ob oder wann die Schwelle eines disziplinarrechtlich relevanten Fehlverhaltens überschritten werde, müsse anhand von Häufigkeit, Ausmaß und dem jeweiligen Kontext beurteilt werden.

Kultusministerium setzt auf Gespräch

Das Kultusministerium will bei möglichen Verstößen zunächst auf Dialog setzen: "Für den Fall, dass einzelne Lehrkräfte in schulischen Schreiben auch zukünftig (...) Sonderzeichen verwenden, sind die unmittelbaren Vorgesetzten zuallererst aufgerufen, das Gespräch mit den Lehrkräften zu suchen und für die Einhaltung der vom deutschen Rechtschreibrat vorgegebenen Leitlinien zu sensibilisieren", sagt ein Sprecher. Wie bei anderen Pflichtverletzungen würden mögliche Maßnahmen "in letzter Konsequenz erst ann ergriffen, wenn gezielt und ganz bewusst mehrfach gegen die aktuell geltenden Regelungen verstoßen wird". Das Ministerium gehe jedoch davon aus, dass dies nur in sehr seltenen Ausnahmefällen der Fall sein dürfte.

Für die Hochschulen ist Herrmann zufolge eine Änderung des Hochschulinnovationsgesetzes geplant. Damit solle sichergestellt werden, "dass Studenten keine Nachteile bekommen, wenn sie diese Art von Gendern mit Sonderzeichen im Wortinneren (....) nicht machen, weil sie das nicht wollen". Dafür gebe es zwar keine flächendeckenden Anhaltspunkte, "aber einzelne echte Beispiele".

"Stark exkludierende Wirkung"

Es gehe darum, "die Diskursräume in einer liberalen offenen Gesellschaft tatsächlich offenzuhalten und nicht weiter zu verdrängen", sagte der CSU-Politiker. Denn die ideologisch aufgeladene Sprache habe eine "stark exkludierende Wirkung". Es sei "häufig zu erleben", dass Teile der Bevölkerung mit "großem missionarischen Eifer" unterwegs seien und es in bestimmten Milieus "faktisch zu einem Zwang" komme und ein "moralischer Druck" zum Gendern entstehe.

Herrmann verwies darauf, dass das Genderverbot auch den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung entspreche. Zugleich soll das Verbot laut Staatskanzlei aber "unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen" gelten.

Verbot tritt am 1. April in Kraft

Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Bayern so formuliert werden, "dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen". Dafür kämen beispielsweise Paarformeln (zum Beispiel "Schülerinnen und Schüler") oder geschlechtsneutrale Formulierungen infrage. "Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden."

Auf BR-Anfrage teilte das Innenministerium mit, die Änderung der AGO trete am 1. April in Kraft. Für die Umsetzung – zum Beispiel die "Anpassung nicht konformer Webseiten" – seien die jeweiligen Stellen verantwortlich.

Lehrerverband: Gesellschaftliche Entwicklung steht für Diversität

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, zeigt sich erleichtert, dass sich die Vorgabe der Staatsregierung nur auf den Schriftverkehr beschränkt und weitergehende Verbote ausgeblieben sind. "Ganz schlimm wäre es jetzt gewesen, wenn uns auch noch gesagt werden würde, wie wir sprechen dürfen", sagt sie dem BR. "Man kann halt einfach eine gesellschaftliche Entwicklung nicht durch eine Sprachpolizei auffangen."

Jugendliche wollen laut Fleischmann, dass niemand ausgeschlossen wird – die gesellschaftliche Entwicklung stehe für Diversität. "Und genau das zeigt sich dann auch, wenn Sie möchten, dass ihre Lehrerin, ihr Lehrer in der Sprache eben diese Aufgeschlossenheit und diese Offenheit zeigt." Ganz wichtig sei dem BLLV, "dass auf keinen Fall die schriftsprachlichen Äußerungen von Schülerinnen und Schülern negativer bewertet werden, wenn sie gendern". Aber das solle wohl auch nicht kommen.

Lob von der AfD, Kritik von der SPD

Die AfD-Landtagsfraktion sieht sich durch die Entscheidung des Kabinetts bestätigt. "Wir haben uns in zahlreichen parlamentarischen Anträgen immer wieder für dieses Ziel eingesetzt", teilte die Fraktion mit. "Linksgrüne, genderideologische Schreib- und Sprechvorgaben" seien eine Bevormundung der Bürger. Die Menschen würden dadurch auf ihre geschlechtliche Identität reduziert. "Diesen Sprach-Sexismus lehnen wir ab."

Laut der SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Nicole Bäumler, sollten die Menschen schreiben und sprechen sollen, wie sie wollen – auch Lehrerinnen und Lehrer. "Gerade an den Schulen sollten CSU und Freie Wähler lieber den eklatanten Lehrkräftemangel angehen, statt die Lehrkräfte noch mit populistischen Scheindebatten zusätzlich zu gängeln."

Kritik kommt auch von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bayern. "Wir sind weder für ein allgemeines Verbot, noch für eine allgemeine Pflicht, finden allerdings, dass der heutige Beschluss dem geplanten Aktionsplan Queer für Bayern widerspricht", teilten die AWO-Landesvorsitzenden Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl mit. Die Arbeiterwohlfahrt habe sich uns für eine "vielfaltssensible Sprache" entschieden, "weil uns wichtig ist, dass sich alle Menschen von uns angesprochen fühlen, und bekannt ist, dass Sprache Denkmuster prägt und Stereotype aufbrechen kann".

Im Video: Kabinett beschließt Genderverbot

Beratungen des bayerischen Kabinetts
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