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"Bevormundung": Bundesschülerkonferenz kritisiert Genderverbot

Die Bundesschülerkonferenz verurteilt das vom bayerischen Kabinett beschlossene Genderverbot an Schulen. Es handle sich um einen "Eingriff in die Freiheit" der Schüler. Das Kultusministerium betont: Gendersprache wirke sich nicht auf die Noten aus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der Beschluss des bayerischen Kabinetts zum Genderverbot an Schulen stößt auf scharfe Kritik der Bundesschülerkonferenz. "Dass in Bayern das Gendern verboten wurde, verurteilen wir ganz klar", teilte die ständige Konferenz der Landesschülervertretungen in Berlin mit. "Sprache ist sehr persönlich, wie ich mich ausdrücke, wie ich schreibe, wie ich spreche: Das sollte jeder für sich selbst entscheiden."

In Bayern würden die Schüler jetzt bevormundet, es werde in ihre Freiheit eingegriffen, beklagt die Bundesschülerkonferenz in ihrer Stellungnahme. "Wir sind gegen diese Bevormundung, das gilt sowohl fürs Gendern als auch fürs Nicht-Gendern."

"Sprache der Schüler tolerieren"

Von Lehrkräften werde das Thema bisher völlig unterschiedlich behandelt, betont die Bundeschülerkonferenz weiter. "Manche interessiert das Thema gar nicht, manche bewerten Gendern negativ, manche bestrafen es, wenn man nicht gendert."

Das Gendern solle weder positive noch negative Auswirkungen haben. "Die Lehrkräfte müssen die Sprache der Schüler tolerieren." Die Schülervertreter fordern, dass es Kindern und Jugendlichen freigestellt wird, ob sie gendern oder nicht.

Ministerium: Keine Auswirkung auf Bewertung

Ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums teilte dem BR mit, im Unterricht ändere sich nichts, sondern es bleibe bei den bisherigen Regelungen: "Das amtliche Regelwerk, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben wird, ist auch weiterhin die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen." Für Schülerarbeiten gelte, dass "Normabweichungen" zwar markiert würden, "jedoch nicht in die Bewertung einbezogen werden".

Lehrerkräfte müssten Arbeitsblätter, Unterrichtsmaterialien sowie Leistungsnachweise im Einklang mit dem amtlichen Regelwerk gestalten, erläuterte der Ministeriumssprecher. "Für den Schriftverkehr gilt für die staatlichen Schulen auch, dass etwa in Veröffentlichungen der Schule, wie etwa in Jahresberichten oder auf der Schulhomepage, mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen nicht zulässig sind."

BLLV: Wichtig, dass Schüler nicht um Noten fürchten müssen

Der Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) begrüßte es, dass die Schulen im mündlichen Sprachgebrauch frei bleiben. Noch wichtiger sei, dass Schülerinnen und Schüler "nicht um ihre Noten fürchten" müssten, "wenn sie neugierig sind, Fragen stellen und sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen", sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

Auch zukünftig seien die Lehrkräfte nicht verpflichtet, das Gendern von Texten mit Sonderzeichen als Fehler zu werten. "Und das ist wichtig!" Wenn Kinder und Jugendliche sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühten, sei "das erst einmal ein Anlass, um über das Thema ins Gespräch zu kommen", forderte Fleischmann. Sprache solle nicht verletzten und alle Menschen einbinden. "Deshalb müssen wir lernen, Sprache auch geschlechtersensibel zu nutzen."

Geschäftsordnung des Freistaats wird geändert

Das bayerische Kabinett hatte am Vormittag beschlossen, dass Gendersprache in der öffentlichen Verwaltung, in Schulen und Hochschulen verboten wird. Zum 1. April soll eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaats Bayern (AGO) in Kraft treten. Dort soll explizit klargestellt werden, dass beispielsweise Gendersternchen ("Bürger*innen"), Binnenmajuskel ("LehrerInnen"), Doppelpunkt ("Arbeiter:innen") und Gendergap ("Verkäufer_innen") unzulässig sind.

Im Video: Kabinett beschließt Genderverbot

Staatskanzleichef Herrmann und Kunstminister Blume (r.)
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Staatskanzleichef Herrmann und Kunstminister Blume (r.)

"Sprache muss klar und verständlich sein"

"Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach der Kabinettssitzung in München. Es gehe darum, "die Diskursräume in einer liberalen offenen Gesellschaft tatsächlich offenzuhalten und nicht weiter zu verdrängen", sagte der CSU-Politiker. Denn die ideologisch aufgeladene Sprache habe eine "stark exkludierende Wirkung".

Für die Hochschulen ist Herrmann zufolge eine Änderung des Hochschulinnovationsgesetzes geplant. Damit solle sichergestellt werden, "dass Studenten keine Nachteile bekommen, wenn sie diese Art von Gendern mit Sonderzeichen im Wortinneren (....) nicht machen, weil sie das nicht wollen". Dafür gebe es zwar keine flächendeckenden Anhaltspunkte, "aber einzelne echte Beispiele".

Landesstudierendenrat: "Nicht richtig relevant im Alltag"

Torsten Utz vom Bayerischen Landesstudierendenrat kritisiert das Genderverbot. "Man redet immer davon, den Hochschulen mehr Autonomie zu geben, ihnen mehr Freiheiten zu geben und ihnen mehr Entscheidungen zu geben und auch den Studierenden eben entsprechend eine Freiheit zu lassen. Und dann soll es ein Verbot geben für ein Thema, was eigentlich gar nicht so richtig relevant ist im Alltag", sagte er im BR24-Interview.

Das Thema werde von Ministerpräsident Markus Söder "stark polarisierend vorangetrieben", aber an den Hochschulen kümmere sich eigentlich niemand darum. "Ich glaube, bevor diese Diskussion jetzt politisch ausgetragen worden ist, war niemandem bekannt, dass das ein Problem ist." Jeder solle es so handhaben, "wie er das eigentlich auch gerne praktizieren möchte".

Zum Hören: Reaktionen auf das Genderverbot

Ein Aufkleber mit der Aufschrift "*INNEN" ist in der Stuttgarter Innenstadt zu sehen.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marijan Murat
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Symbolbild: Gendern

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