Man sieht eine Schrifttafel mit dem strittigen Gendersternchen.
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Das strittige Gendersternchen

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Gendern: Offener Protestbrief an die Bayerische Landesregierung

Eins ist sicher: Ums Gendern wird auch 2024 gestritten werden. Bayern will es in Schulen und Verwaltung untersagen. Hessen plant Ähnliches. Hochschulen wehren sich gegen Söders Gender-Verbot. Eine Onlineliste sammelt nun viele Unterschriften dagegen.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hatte sich im Juli dagegen ausgesprochen, den Genderstern als reguläres Sprachzeichen in das Amtliche Regelwerk aufzunehmen. Das Expertengremium verabschiedete mehrheitlich ein Papier zur geschlechtergerechten Schreibung. Darin heißt es: "Sonderzeichen innerhalb von Wörtern beeinträchtigen die Verständlichkeit, die Lesbarkeit, die Vorlesbarkeit und die automatische Übersetzbarkeit sowie die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten."

In dem Expertengremium mehrten sich aber in jüngster Zeit die Stimmen für eine Akzeptanz der Genderzeichen. Sie verweisen darauf, dass es hierbei nicht um orthografische, sondern um typographische Zeichen gehe. Der Rechtschreibrat sei dafür eigentlich gar nicht zuständig.

Wer sagt uns, wie wir sprechen dürfen?

Also hat sich mancher konservativer Politiker aufgeschwungen, eine Regelung amtlich durchzusetzen. Etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Er will das Gendern in Schulen und der Verwaltung verbieten. In seinem "Regierungsprogramm der Zukunft" kündigte er an: "Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen." Dabei verweist er, na klar, auf die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung.

Nun hat etwa die Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen (LaKoF Bayern) einen Offenen Brief zur Regierungserklärung der Bayerischen Landesregierung unter Markus Söder vom 5. Dezember 2023 online gestellt. Darin heißt es, Schulen, Hochschulen und Verwaltungen sollten frei sein, wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollten.

Widerspricht ein Verbot des Genderns dem Grundgesetz?

Das geplante Verbot inklusiver Sprache widerspreche eindeutig den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verbürgten Rechten. Spätestens seit dem Personenstandsgesetz (PstG) § 22 Abs. 3 aus dem Jahr 2018 sei auch juristisch ausdrücklich entschieden, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe. Daraus resultiere die Pflicht, sich in allen gesellschaftlichen Bereichen geschlechtergerecht auszudrücken. Denn nur so sei Sprache in der Lage, der geschlechtlichen Vielfalt Rechnung zu tragen.

Sprache kann ganze Personengruppen ausschließen

Susan Arndt von der Uni Bayreuth, eine deutsche Anglistin, Afrikanistin und Literaturwissenschaftlerin, gehört zu den Erstunterzeichnerinnen des Offenen Briefes. Die Professorin für englische Literaturwissenschaft und anglophone Literaturen sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: "Es gab bereits Ende September eine Verwaltungsvorschrift, in der das Verbot des Genders umgesetzt wird. Das hat schon ganz konkrete Auswirkungen." Weiter erklärte sie: "Sprache ist ein ganz wichtiger Ort für Sichtbarkeit. Für Repräsentation. Wer ist gemeint, wer ist nicht gemeint? Sprache bildet nicht nur ab, sondern gestaltet. Also, wir sind ja das, was wir uns erzählen. Und wir werden sein, was wir uns gesagt haben werden. Wir treffen immer eine Entscheidung: Beleidige ich eine Person, grenze ich sie aus oder schließe ich sie mit ein? Niemand darf in Deutschland aufgrund von Geschlecht diskriminiert werden."

Schon über 3.000 Menschen haben den Brief unterzeichnet

Ein Verbot des Genderns sei ein Rückschritt und widerspreche unseren Prinzipien der Gleichbehandlung, heißt es in dem Offenen Brief. Und weiter: "Wir fordern Ministerpräsident Markus Söder auf, den Schulen, Hochschulen und Verwaltungen die Freiheit zu überlassen, wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollen." Dafür wurden bisher 3.066 Unterschriften gesammelt (Stand 22.12.2023).

Staatsregierung kritisiert Offenen Brief

Die Staatsregierung kritisiert den Offenen Brief: Die darin aufgestellten Behauptungen würden jeder Grundlage entbehren. Die Staatsregierung verweist auf die bestehenden Organisations- und Redaktionsrichtlinien für den amtlichen Schriftverkehr. Darin heißt es: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Muster, Vordrucke, Schreiben und Ähnliches sollen so formuliert werden, dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen. Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden.“ So, sagt die Staatsregierung, solle es bleiben - und damit werde sowohl der Rechtslage als auch den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung gleichermaßen Rechnung getragen.

Die Staatsregierung betont aber auch, dass es kein Recht auf „sprachliche Künstlichkeit oder die Durchsetzung von spracherzieherischen Tendenzen aus ideologischen Gründen“ gebe. Vor allem von Behörden und öffentlichen Stellen werde eine leicht verständliche und klare Sprache erwartet.

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