Verkehrsminister Wissing vor dem Kabinettstisch im Bundeskanzleramt
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Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, bei der Kabinettsitzung am 3.5.2023

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Wissing bringt Straßenbau-Turbo auf den Weg

Nach einem Riesenstreit mit den Grünen setzt Verkehrsminister Wissing (FDP) seine Pläne im Kabinett durch. Unter anderem sollen Autobahnen künftig schneller ausgebaut werden. Was das auch für Bayerns Baustellen bedeuten könnte.

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Am Ende wird der besonnen wirkende Bundesverkehrsminister fast emotional: "Jeder weiß doch, dass diese kleinen Päckchen nicht mit dem Zug nach Hause kommen", sagt Minister Volker Wissing von der FDP. 300 Prozent mehr Päckchen aus dem Onlinehandel erwarten Prognosen des Verkehrsministeriums bis 2050. Auf der Straße. Allein schon wegen dieser Zunahme des Güterverkehrs sei die Engpassbeseitigung auf Autobahnen wichtig. Wissing spricht an diesem Mittag mit Journalisten, aber vieles von dem, was er sagt, scheint sich an den Koalitionspartner zu richten, die Grünen, mit denen er intensiv gerungen hatte.

Das meint Wissing mit Planungsbeschleunigung

Engpässe auf Autobahnen beseitigen, das ist bisher eine eher zähe Angelegenheit. Etwa bei den Brücken. Sie dürfen nur dann saniert werden, ohne ein komplett neues Planungs- und Umweltverträglichkeitsverfahren durchlaufen zu müssen, wenn sie so gebaut werden wie die Originalbrücke. "Aber wir können ja nicht die Brücke aus den 60ern wieder neu aufbauen", sagt Wissing.

Dafür hätten sich die Anforderungen zu sehr geändert, auch Brückenverbreiterungen seien nötig. Bisher drohte bei der sogenannten "Ersatzbauprivilegierung" auch, dass der neue Bau wieder abgebaut werden muss, wenn Gerichte beschließen würden, dass er zu sehr vom Original abweicht. Das soll nun anders werden, die Ersatzbauprivilegierung "rechtssicher gemacht" und damit alles schneller gehen. Nur ein Beispiel, der geplanten Beschleunigung, die Wissing hervorhebt.

Kompromiss nach hartem Streit

Monatelang hatten sich FDP und Grüne bei der Planungsbeschleunigung verhakt. Hier treffen zwei parteipolitische Kontinentalplatten aufeinander: Die Grünen wollten nur Schienen und Erneuerbare Energien beschleunigt ausbauen - die FDP auch die Straßen. Es brodelte zwischen den Parteien.

In einer Marathonsitzung verhandelte der Ampel-Koalitionsausschuss im März dann einen Kompromiss: Die Schiene bekommt am meisten Geld, der Straßenbau wird aber auch beschleunigt, an Engpässen, wenn das im "herausragenden öffentlichen Interesse" ist. Die Länder sollen erklären, welche Ausbauprojekte sie von einer Liste, die der Verkehrsminister ihnen zugeschickt hatte, für wichtig halten.

Staatsregierung will 23 Ausbauprojekte und meldet weiteren Bedarf an

Bayern lieferte sofort: 23 Projekte sind dort zur Engpassbeseitigung auf der Bundesliste eingeplant, alle 23 hält die Staatsregierung für nötig. Sie setzt sich für vier weitere ein, die sie gern auf der Beschleunigungsliste des Bundes sähe. Darunter der Lückenschluss der A 94, den Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) gegenüber dem BR als "eines der bedeutendsten Autobahnprojekte überhaupt in Bayern" bezeichnet. Werden die zusätzlichen Straßenprojekte nun aufgenommen? Bundesverkehrsminister Wissing antwortet, man kümmere sich erst mal um die Engpassbeseitigung. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre noch mehr beschleunigt worden, "aber in einer Koalition muss man sich einigen".

Bayerns Grüne ärgert vor allem der Beschleunigungshunger der Staatsregierung: "Der bayerische Verkehrsminister verwechselt Mobilität mit dem Gaspedal. Er ist absolut aufs Auto fixiert", sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze dem BR. Statt in Bus und Bahn oder den Radverkehr zu investieren, melde die "Söder-Regierung" weitere Beschleunigungsprojekte an. Schulze nennt das "Irrsinn".

Landes-Grüne stehen vor Dilemma

Und dann sind da Grünen-Politiker wie Oliver Krischer, die an Landesregierungen beteiligt sind. Krischer ist Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen. Politikern wie ihm hat der Koalitionskompromiss ein echtes Dilemma bereitet: Der Bund bietet einen schnelleren Autobahnausbau an. Gleichzeitig ist der Aus- und Neubau von Autobahnen für sie ein rotes Tuch, weil er aus Grünen-Sicht zu mehr statt weniger Autoverkehr führt. Trotzdem stimmt Krischer den Bundesplänen zu. Begründung: Es solle am Ende nicht heißen, "ihr seid schuld, wenn irgendetwas nicht funktioniert".

Wissing beschleunigt die Planungsbeschleunigung

Hessen und Bremen, beide mit grüner Regierungsbeteiligung und beide mit anstehenden Landtagswahlen, hatten bis Mittwochmittag ihren Beschleunigungsbedarf dem Verkehrsministerium nicht zurückgemeldet. Verzögern wird das Wissings Straßenbeschleunigung wohl nicht. Damit die Planungsbeschleunigung trotz fehlender Rückmeldung umgesetzt wird, hat der Verkehrsminister angekündigt, die Wünsche der Bundesländer per Rechtsverordnung hinterherzuschicken. Er hoffe, dass sein Vorhaben noch vor der Sommerpause durch Bundestag und Bundesrat geht.

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