Ein Braunbär wurde im Allgäu gesichtet.
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Ein Braunbär wurde im Allgäu gesichtet.

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Bär im Oberallgäu: Verhaltensregeln und Strategien

Im Oberallgäu gibt es keine neuen Hinweise auf Braunbären in der Region. Dennoch stellt sich die Frage, wie Mensch und Nutztiere vor Bären geschützt werden können. Im Oberallgäu entwickeln Behörden dafür Strategien. Das sind die Empfehlungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Das Landratsamt Oberallgäu hat bislang keine weiteren Berichte und Hinweise auf einen Braunbären im Hintersteiner Tal im Oberallgäu erhalten. Das hat eine Sprecherin auf Anfrage des BR am Mittwoch (24.05.23) erklärt.

Die Bürgermeisterin von Bad Hindelang, Sabine Rödel, sagte am Dienstag, die Sichtung eines Braunbären bei Bad Hindelang sei für die Alpwirtschaft "ein echtes Krisenszenario". Die Behörden riefen Wanderer dazu auf, aufmerksam zu sein. Nutztierhalter sollten ihre Herden nachts in Ställen unterbringen. Vor allem für die Alphirten sei es eine Krisensituation, denn sie hätten Angst vor dem Raubtier - nicht nur wegen ihrer eigenen Tiere.

Sorge um die Kleinhirten

Im Allgäu ist es üblich, dass sich auch Kleinhirten im Alter von etwa zehn Jahren um Rinder auf den Alpweiden kümmern. Sie sind dann alleine mit den Tieren auf einer Bergweide. "Was passiert, wenn da plötzlich ein Bär auftaucht?" , verdeutlichte die zuständige Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) die schwierige Situation der Älpler. Gleichzeitig mahnte sie aber auch zu Gelassenheit.

Baier-Müller will nach der Sichtung eines Braunbären im Hintersteiner Tal nun eine gemeinsame Initiative starten. Sie plane, die Alpenlandkreise mit den Alpwirtschaftlichen Vereinen des Allgäus und von Oberbayern zusammenzubringen, um gemeinsam Handlungsstrategien auf den Weg zu bringen. Diese sollen dem Schutz von Tier und Mensch dienen. Im Allgäu war das letzte Mal im Oktober 2019 ein Bär aufgetaucht.

Was der Bär im Allgäu sucht

Laut Markus Haug, dem für Naturschutz zuständigen Abteilungsleiter des Landratsamts Oberallgäu, leben Jungtiere rund zwei Jahre lang bei den Elterntieren. Danach machten sich die männlichen Braunbären auf die Suche nach einem Weibchen. Dazu können sie weite Strecken zurücklegen. Auch der jetzt im Oberallgäu gesichtete Bär könnte auf Wanderschaft und Brautschau sein.

Landrätin Baier-Müller merkte an, die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass er weiterziehen werde, wenn er hier kein Weibchen finde. Dieser Meinung ist auch der Artenschutzexperte für große Beutegreifer beim Bund Naturschutz in Bayern, Uwe Friedel. Laut der Deutschen Presseagentur (dpa) geht er davon aus, dass derzeit höchstens zwei Bären in Bayern auf Wanderschaft sind.

Was tun, wenn der Bär bleibt?

"Wenn der sich hier ansiedelt, dann wird man etwas tun müssen. Wobei man eben immer sagen muss, etwas tun, heißt nicht automatisch schießen", erklärte die Bürgermeisterin von Bad Hindelang, Sabine Rödel. Eine Überlegung sei es, das Tier mit einem GPS-Sender auszustatten, um es besser verfolgen zu können. Um den Bären loszuwerden, müsse man ihn womöglich gar nicht abschießen: "Man kann auch darüber nachdenken, ihn zu betäuben und woanders hinzubringen, wo er besser hinpasst", so Rödel.

Landrätin Baier-Müller regte zusätzlich auch den Austausch mit dem Trentino an, um von den Erfahrungen dort profitieren zu können. In der italienischen Region - rund 150 Kilometer von Bayern entfernt - lebt eine Population von etwa 100 Bären.

Verhaltensregeln bei einer Begegnung mit dem Bären

Für das Landratsamt stehe der Schutz der Bevölkerung sowie der Alpwirtschaft im Mittelpunkt. Die Landrätin verweist auf die empfohlene Verhaltensweise.

"Gelassenheit und Achtsamkeit. Und bei einer Begegnung den geordneten Rückzug antreten, nicht auf das Tier zugehen." Indra Baier-Müller, Landrätin des Oberallgäus

Auch der Bären-Experte vom Bund Naturschutz betont, wie wichtig es ist, sich als Mensch gegenüber den Raubtieren richtig zu verhalten. Ein typisches Problem sei etwa, dass Müll nicht verschlossen werde und die Bären dann den Abfall nach Nahrung durchsuchten. Dadurch können sich die Tiere an Siedlungen als Futterquelle gewöhnen. Auch Wildfütterstellen für Rehe im Wald würden letztlich Bären anlocken.

Wie groß das Gefahrenpotenzial des Bären für die Alp- und Landwirtschaft in der Region ist, das soll im Rahmen des geplanten Austauschs mit allen Betroffenen der Alpenlandkreise und dem Alpwirtschaftlichen Verein thematisiert werden. Die Situation sei für alle neu, man müsse sich zusammentun, um Antworten zu finden, so die Landrätin. Klar ist: Mit Zäunen könnten die Weidetiere in den Bergen nur schwer geschützt werden.

Nur besonders gefährliche Bären abschießen

Ein Abschuss des Braunbären sei nur die Ultima Ratio, legte der Naturschutzexperte aus dem Landratsamt, Markus Haug, dar. Weil die Spezies der Braunbären streng geschützt ist, müsste das Tier für eine Abschussgenehmigung zuerst als besonders gefährlich eingestuft werden - und sich dafür entsprechend verhalten.

Deshalb müsse der im Oberallgäu gesichtete Bär jetzt erst einmal so gut wie möglich beobachtet werden. Dem stimmte auch Landrätin Baier-Müller zu. Über "das Ultimative" müsse man nachdenken, wenn sich das Tier als "Problembär" herausstelle, weil er sich beispielsweise an Menschen gewöhnt oder in die Wohngebiete kommt.

BR24live-Video: Braunbär im Allgäu - Wie groß ist die Gefahr wirklich?

Ein Bär (Symbolbild)
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Ein Bär (Symbolbild)

Oberalpmeister: "Der muss weg"

Oberalpmeister Florian Braunsch findet deutliche Worte, wenn es um den Umgang mit dem Bären im Allgäu geht: "Der muss weg. Der Wolf gehört auch nicht her. Aber der Bär ist einfach noch eine Nummer krasser." Seine größte Sorge gelte den Hirten, insbesondere den Kleinhirten, also den Kindern, die auch dort unterwegs seien. "Wir haben alle miteinander Angst, und das geht jetzt schon eine Weile", schildert Braunsch und fügt hinzu: "Die Regierung muss jetzt etwas unternehmen, mehr machen, dass etwas passiert, weil sonst können wir mit der Alpwirtschaft eigentlich zusammenpacken."

Bauern riefen bei ihm an und sagten, sie würden ihr Vieh aus Angst nicht auf die Alpen schicken. Er betonte, der Naturschutz dürfe nicht so weit gehen, dass das Werk der Älpler und ihrer Vorfahren zunichte gemacht würde. Diese pflegten die Flächen seit Generationen.

Söder: "Bei Gefahr für Leib und Leben müssen wir handeln"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte indes seine grundlegende Haltung gegenüber Raubtieren, wenn diese den Menschen zu nahe kommen. Diese werde in etwa dadurch bestätigt, dass in Österreich ein Bär von einem Zug überfahren wurde. "Wir haben in der Region große Sorge um die Sicherheit. Bei Gefahr für Leib und Leben müssen wir handeln", sagte Söder gegenüber der Presse. Ein Bär sei ein Raubtier, der Begriff Beutegreifer verharmlose dies. Das gelte auch für den Wolf. Deswegen halte Bayern auch an der neuen Verordnung fest, die den Abschuss von Wölfen erleichtert.

Sollte es wegen der Klagen vor Gericht nötig sein, werde der Freistaat entsprechend nachjustieren – die Politik sei aber fest entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, erklärte der Ministerpräsident.

Blick in das Hintersteiner Tal (Archivbild)
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Im Hintersteiner Tal im Allgäu ist ein Braunbär gesichtet worden.

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