Kinder in der Schulkindbetreuung direkt neben der Notunterkunft sammeln für die geflüchteten Kinder dort.
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Kinder in der Schulkindbetreuung direkt neben der Notunterkunft sammeln für die geflüchteten Kinder dort.

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Auf gute Nachbarschaft: Ukrainerinnen kommen in Würzburg an

Ein Platz zum Schlafen und regelmäßige Mahlzeiten, zumindest dafür ist in den Notunterkünften gesorgt. Darüber hinaus sind die Anwohner in den Stadtteilen und Gemeinden gefragt. Ein Konzept, das darauf baut, dass viele mit anpacken.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Schulschluss für den 12-jährigen Timm – und ab ans Tablet. Gedaddelt wird hier jetzt aber nicht. Er öffnet eine App, gibt ein "Oberdürrbach", zoomt ran – Screenshot. "Ich mache eine Übersichtskarte für die Geflüchteten in Oberdürrbach." Er wohnt selbst mit seiner Familie im Dürrbachtal bei Würzburg. Die meisten hier kennen sich, wie das unter Nachbarn eben ist. Seit gut zwei Wochen leben hier im Stadtteil jetzt aber 40 neue Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind.

12-Jähriger bereitet Rundgang durch den Stadtteil vor

Auf dem Screenshot der Karte von Oberdürrbach zeichnet der 12-Jährige jetzt ein, wo die Notunterkunft liegt, zieht Linien für Laufwege zu Spielplätzen und einem Supermarkt. Für Timm Adam selbstverständlich. Als guter Nachbar möchte er Hilfe leisten: "Wenn ich flüchten würde, würde ich mir auch wünschen, dass es eine Übersicht gibt, wo was ist." Später bietet er passend zu seiner Route einen Rundgang an – wie das Angebot wohl ankommen wird?

Schulkinder sammeln Spenden

Bislang haben gut 120.000 Menschen aus der Ukraine Zuflucht in Deutschland gefunden. Von den rund 1.000, die in Würzburg angekommen sind, leben derzeit etwa 40 in der Dürrbachtalhalle bei Würzburg. Im Gebäude nebenan: die Schulkindbetreuung in Oberdürrbach. Um eine große Kiste herum stehen etwa 15 Kinder. Sie haben Spenden gesammelt für die ukrainischen Kinder nebenan: Bücher, Puzzle, Spiele, Desinfektionsmittel, Kuscheltiere.

"Sobald die Kinder mitbekommen haben, dass Menschen aus der Ukraine kamen, meinten die: 'Wir haben so viel daheim, was wir nicht brauchen. Das würden wir gerne spenden.'", sagt Betreuerin Ann-Kathrin Scurla. Die Kinder wollen gerne helfen und etwas von dem abgeben, worauf sie verzichten können. Auf dem großen Parkplatz neben der Halle spielen sie gemeinsam mit den ukrainischen Kindern Ball.

Vereine in der Mehrzweckhalle machen Platz für Geflüchtete

Geteilt wird auch in der Dürrbachtalhalle selbst: Im Keller der Mehrzweckhalle hat das Jugendzentrum Platz gemacht für die Geflüchteten. Genauso die Karnevalsgesellschaft und der Sportverein – das ist nicht selbstverständlich, sagt Eva Peteler. Sie wohnt selbst in der Nachbarschaft und ist Sprecherin des Würzburger Flüchtlingsrats: "Es ist einfach ein Glücksfall, wo man hinkommt. Ein Glücksfall, wie bereit die Leute sind, nicht nur kurz Hallo zu sagen, sondern mittel- und langfristig für einen da zu sein."

Sozialreferat der Stadt: Bewegte Situation bindet schon alle Kräfte

Im Würzburger Sozialreferat ist man dankbar für die Hilfe vor Ort. Man sehe durchaus, dass der dauerhafte Betrieb der Hallenunterkünfte durch eine Vielzahl von ehrenamtlichen Kräften von Hilfsorganisationen, freiwilligen Ärzten und Helfern aufrechterhalten werde. "Neben den Maltesern und den Johannitern, die seit Wochen ehrenamtlich Unglaubliches an den Hallen leisten, sind es vor allem Menschen aus der unmittelbaren Umgebung im Stadtteil, die sich der Menschen annehmen und ihnen ein Gefühl des Willkommenseins und der Geborgenheit vermitteln, um ihnen das Ankommen zu erleichtern", sagt Sozialreferentin Hülya Düber.

Würzburger mit Erfahrung ist als Sozialkoordinator eingesprungen

"Es gibt den Katastrophenschutz der Hilfsorganisationen auf organisatorischer und medizinischer Ebene – und die arbeiten großartig und super organisiert! Aber es gibt eben keinen sozialen Katastrophenschutz", erklärt Jonas Hermes. Er leitet die Geschäftsstelle der solidarischen Musikschule "Willkommen mit Musik" und ist seit drei Wochen bei der sozialen Koordination der Notunterkünfte eingesprungen.

Grundbedürfnisse werden von der Stadt abgedeckt

Aufgabe des Sozialreferats der Stadt Würzburg ist zunächst, die Grundbedürfnisse der Geflüchteten zu erfüllen. Koordiniert und organisiert werden müsse im Sozialreferat neben der Unterbringung und der Ausstattung der Unterkünfte auch die medizinische Betreuung der Angekommenen, von allgemeiner Untersuchung über die Coronaimpfung bis hin zur Versorgung körperlich Beeinträchtigter, Kranker und krebskranker Kinder.

Helferin: "Kümmern im Klein-Klein"

Dass die Nachbarschaft so engagiert mit anpackt, ist für das Leitungsteam der Notunterkunft um Hermes und Peteler Gold wert. Die Helferinnen und Helfer übernehmen Dinge wie Sim-Karten besorgen, kurz auf die Kinder aufpassen, mit einigen auf den nächsten Fußballplatz gehen zum Kicken, Arzttermine vereinbaren, Wohnungen vermitteln und vieles mehr. "Was die Strukturen niemals abdecken: Dieses Kümmern im Klein-Klein. Das macht das System aber eben auch so ungerecht." Denn je nachdem, wohin einen die Flucht verschlägt, treffe man auf offene Arme und Integrationswillen oder eben nicht.

Nachbarschaft sorgt für Abwechslung und Ablenkung

Apropos: Vor der Halle startet Timm gerade mit seinem Stadtteilrundgang. Viele Ukrainerinnen sind nach Würzburg gefahren oder ruhen sich nach tagelanger Flucht etwas aus. Timm zieht aber auch mit der kleinen Gruppe gerne los. Eine Sprachmittlerin übersetzt. Zahnarzt, Friseur und der Weg zur nächsten Drogerie: Timms Ortskenntnis kommt gut an. Und der Geheimtipp erst: Ein Spielplatz am Rand des Wohngebiets! Bis hierhin waren die Ukrainerinnen noch nicht gelaufen. Und das Fazit? Die Daumen nach oben gestreckt sagt Maria auf deutsch: "Dankeschön, dankeschön!"

Fast eine Stunde waren sie im Stadtteil um die Notunterkunft spazieren – und Timm wäre bei einer zweiten Runde auf jeden Fall dabei.

Timm Adam erstellt am Tablet eine Übersichtskarte für die Geflüchteten in seinem Stadtteil.
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Timm Adam erstellt am Tablet eine Übersichtskarte für die Geflüchteten in seinem Stadtteil.

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