Langenzenn Hilfe für geflüchtete aus der Ukraine
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In Langenzenn organisieren mehr als 250 Ehrenamtliche die Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine.

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Flüchtlingshelfer klagen: "Verantwortung lastet schwer auf uns"

Seit zwei Wochen leben geflüchtete Ukrainer in einer Notunterkunft in Langenzenn. Von der ersten Minute an haben sich Ehrenamtliche um sie gekümmert – auch um Dinge, die Sache der Behörden wären. Doch die übernehmen nur zögerlich Verantwortung.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Als Lena Goos vor zwei Wochen zusammen mit einigen anderen Ehrenamtlichen die Schulturnhalle in Langenzenn (Lkr. Fürth) besichtigte, "da war uns auf den ersten Blick klar, dass hier keiner auch nur eine Nacht bleiben kann." Denn es gab Feldbetten und dünne Decken und sonst – nichts. Keine Windeln, keine Feuchttücher, keine Wickelkommode, nicht einmal Mülleimer. Als dann ein paar Stunden später Dutzende geflüchtete Ukrainer kamen, konnten sie nicht einmal Tee kochen. Die Toilette war innerhalb kürzester Zeit verstopft. Doch weder vom Landratsamt noch von der Regierung von Mittelfranken war jemand vor Ort.

  • Zum Artikel: Nürnberg und geflüchtete Ukrainer: "Schaffen das nicht allein"

Langenzenner bringen Decken, Windeln, Mülleimer für Notunterkunft

Deshalb schafften die Langenzenner innerhalb kürzester Zeit heran, was nötig war: Hygieneartikel, Abfalleimer, große Wecktöpfe, um Wasser oder Babynahrung erhitzen zu können, Teebeutel und viele, viele warme Decken. Denn die Nächte in der Turnhalle neben dem Gymnasium waren kalt, die Menschen froren. Wäre am ersten Abend nicht eine Übersetzerin aus den Reihen der Ehrenamtlichen vor Ort gewesen, dann hätten die geflüchteten Ukrainer die Turnhalle vielleicht noch nicht einmal betreten. Sie hatten panische Angst vor einer Zwangsimpfung.

  • Zum Artikel: Erstunterkunft für Kriegs-Flüchtlinge: Ein Kraftakt für alle

Stadt Langenzenn stellt Dolmetscher an

Für die Familie eines krebskranken Jungen richteten die Helferinnen und Helfer gleich am nächsten Tag den Gastraum des Kulturhofs als provisorische Wohnung her, auch schwangere Frauen und Mütter mit kleinen Babys kamen schnell in Privatunterkünften unter. Die Stadt Langenzenn sprang in die Bresche und stellte einige der ehrenamtlichen Dolmetscherinnen auf Minijob-Basis an. Sie sind nun regelmäßig an der Notunterkunft und helfen bei Fragen.

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Das Orga-Team der Langenzenner Flüchtlingshilfe bei einer Besprechung an der Notunterkunft.

Ehrenamtliche kümmern sich um medizinische Versorgung

Inzwischen läuft vieles besser. Die Ehrenamtlichen haben einen festen Ansprechpartner beim Landratsamt Fürth, der auch regelmäßig in der Notunterkunft vorbeischaut. Dennoch sind es Lena Goos oder andere Ehrenamtliche, die die Security oder die Dolmetscher in der Halle anrufen, wenn ein Kind Fieber hat oder eine Frau dringend zum Arzt muss. Eine ukrainischsprachige Ärztin aus Langenzenn hält regelmäßig Sprechstunden in der Turnhalle, auch ein Kinderarzt kommt zu festen Zeiten, eine Ehrenamtliche holt verschriebene Medikamente aus einer Langenzenner Apotheke und übergibt sie – im Moment alles noch ohne geklärte Finanzierung.

"Gerade dieser medizinische Teil lastet schwer auf unseren Schultern. Da wünsche ich mir wirklich, dass wir jemanden vor Ort bekommen, der das im Auge behält." Lena Goos, ehrenamtliche Flüchtlingshelfern in Langenzenn.

Vorwurf: Strukturen aus 2015 werden nicht aktiviert

Was Lena Goos besonders ärgert: 2015, als Menschen vor dem Syrienkrieg auch nach Langenzenn flohen, wurden bereits funktionierende Strukturen aufgebaut. Doch sie werden bei den Behörden nur schleppend wieder aktiviert. Damals, erinnert sich die 30-Jährige, waren die Flüchtlingshelfer nur für Alltagsbetreuung und für die Kleiderausgabe zuständig – im Moment hingegen für alles. Dabei wäre die Finanzierung nicht das Problem, meint Lena Goos, aber es müsse unbürokratisch entschieden werden, "denn manchmal muss man als Entscheider mutige Entscheidungen treffen und sagen, ich rechtfertige das danach."

Ganz Langenzenn hilft mit: Sportkurse, Kinderbetreuung, Willkommensklassen

Die Langenzenner Flüchtlingshelfer jedenfalls tun das, was aus ihrer Sicht dringend nötig ist. Es gibt eine Kleiderausgabe mit regelmäßigen Öffnungszeiten, einen Renovierungstrupp, der Wohnungen und Häuser herrichtet, einen Miniclub, der täglich in der Notunterkunft mit den Kindern spielt oder bastelt, einen Begegnungstreff für Ukrainer und ihre Gastfamilien.

Heute startet zudem ein Wochenplan mit Angeboten wie Deutschunterricht, Yoga, Fußball, Ringen, Basteln oder einem regelmäßigen Friedensgebet. Ab dem 4. April sollen an der Grundschule und der Mittelschule Willkommensklassen für die ukrainischen Kinder starten. Und bei allen Aktivitäten sind Dolmetscher aus der Ukraine und aus Russland dabei. Die Langenzenner Vereine, die Kirchen, das Jugendhaus Alte Post, die Stadtverwaltung, die Schulen – alle machen mit. Sie wollen die geflüchteten Menschen aus der Ukraine nicht allein lassen.

Langenzenner Flüchtlingshilfe
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Bei der Kleiderausgabe der Langenzenner Flüchtlingshilfe ist es wie auf dem Flohmarkt. Die Kleidung ist aber zum Großteil neu.

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